Donnerstag - Seit Wochen schon trainieren unsere Seefahrer auf den grossen Palio.
«Seefahrer» ist etwas übertrieben. Hier fahren nur noch ein paar Fischer zur See. Der Rest hockt an Land und arbeitet an und für sich. DIES IM FITNESS-STUDIO.
Im «GYM» bräunen sich die Jungmänner des Fischerdorfs unter ultravioletten Röhren rehbraun. Sie bretzeln ihre Muskeln mit diesen Stahlapparaten auf, die aussehen wie ein Mixerset im Haushalt der Zyklopen. Keuchend und ähnlich schwitzend wie ihre Grossväter, wenn diese endlich einen Schwertfisch am Haken hatten, legen sie sich in die Riemen und pumpen ihre Muskeln auf, dass die Arme Venen zeigen, als wäre da eben eine Extrapackung mit Seilbahndrähten angekommen.
Stundenlang können diese Inselschönheiten dann nach ihrer Muskelkür vor dem Garderobenspiegel stehen und ihr Haar so steif gelieren, dass man die Fliegen darauf herumspazieren hört, und sie mit dieser Frise eigentlich einen Giftschein bei sich tragen müssten.
Sie sprayen Deos an alle Orte, zupfen sich die Augsbrauen aus - aber vor allem haben sie für den kleinen niedlichen Nordländer mit den üppigen Rundungen und dem Dreifachkinn nur ein mitleidiges Lächeln und die unausgesprochenen Worte von Papst Benedikt übrig: «Lass diesen Kelch an mir vorübergehn...»
DER KELCH STRAMPELT SICH MITTLERWEILE AM LAUFENDEN BAND AB. Dummerweise finde ich aber den Knopf nicht, mit dem man das Tempo dieses Hexengeräts drosseln kann. In Panik rudere ich herum. Werde rückwärts vom Gerät gespült und - BINGO! - in den Bürgermeister. Dieser kippt höchst unelegant aus seinen eleganten Puma-Latschen. Er kann eben noch «oh Dio mio!» schreien. UMSONST. Denn ER hat WEISS GOTT anderes zu tun, als auf die kleinen Regierungswichte dieser grossen Welt ein Auge zu haben. So prasselt der grosse Spiegel wie eine Kristallkaskade auf Bürgermeister Ugo Porcellini (Centro destra) und ich wusste: JETZT IST DIE KACKE AM DAMPFEN!
Vermutlich bin ich den Seefahrerschönheiten des Ortes damals erst richtig aufgefallen, weil Onorevole Ugo mich hysterisch und unfein mit Ausdrücken garniert hat, die dem Vokabular eines rechten Staatsmanns eher link anstehen. Jedenfalls haben mich später in der Sauna 18 Augen nicht mehr aus denselben gelassen.
Etwas geniert versuchte ich meinen Bauch mit dem Frottiertuch abzudecken, aber eher verpackt das Ehepaar Cristo den ganzen Tropenwald als unsereins auch nur die Hälfte seines Ranzens.
Nun nickten die Seefahrer einander stumm zu.
Langsam schälte sich die Rudermannschaft von ihren Brettern. Die Machos klopften mir kurz, aber hart auf den Allerwertesten und stanken entsetzlich nach diesem muffigen Sportschweiss. Ich dachte: «Jetzt bringen sie dich um, weil du ihren Frisierspiegel ruiniert hast - aber sei ein Mann. Und beiss sie vorher in die Waden!»
So warf ich mich also auf die Knie und umschlang ihre enthaarten, aber schön trainierten Schenkel: «MITLEID... MISERICORDIA», schluchzte ich.
«Du bist unser 10. Mann», sagte ihr Capitano kalt. «Domenica - um 17.00 Uhr im Boot!»
Da wusste ich, dass ER doch noch Wunder vollbringen kann. Ich biss nicht zu. Sondern trainierte meine Oberarme 40 Minuten im Sitzruder auf Stufe 5 bis die Adern wie Neonröhren hervorstanden.
Sonntag - Sie warteten vor einem Boot, das den Namen LUPA 3 trug. Der Kahn war so schmal wie Innocents Lippen, wenn er einen Fünfer rausrücken sollte.
«Das ist viel zu eng», lamentierte ich auf dem hintersten Platz, als meine noch nicht so hart trainierten Weichteile wie ein warmer Hefeteig über den Rand quollten. «Halt den Rand» - drohten die Seefahrer. Sie hielten mir ein Megafon hin und befahlen : «uno, due... uno, due...».
Ihr Glück lag in meinen Händen.
So habe ich also mein goldenes Pailletten-Käppi aus dem Film «Oldies and Goldies» aufgebüxt. Und statt «uno, due» habe ich sie mit «BAACIII... BAAAACIII» angefeuert. Das war für eine Ruderregatta unorthodox - aber es hat die Konkurrenz derart aus dem Konzept gebracht, dass LUPA 3 als Erste durchs Ziel fuhr.
Zum Dank warfen die Seemänner den Steuermann ins Meer. Als sie mich wieder rausangelten, stank mein Goldmützchen nach Motorenöl und totem Kabeljau. Sie klopften mir auf die Schultern, dass es krachte: «Andere haben eine Seejungfrau zum Maskottchen - wir haben einen Mops.»
SO ETWAS KANN MICH NOCH LANGE NICHT MOPSEN!
Ernesto, der Capitano unserer Crew, schaute mitleidig auf meine abgesoffenen Locken. Dann streckte er mir eine Dose zu: «Hier, frisier dich vor der Siegerehrung auf!»
Es war Haargel vom Feinsten. Die Seemänner von heute haben eben eine haarige Art, ihre Wertschätzung auszudrücken...