Donnerstag Liesels Abschied ist haarig. Wir entsorgen Lawinen von Hundehaaren. Man könnte vier Matratzen füllen.
UNGLAUBLICH, WAS SO EIN KLEINER STRUPFER AN HAARIGEM PRODUZIERT. Und das Haarige ist ja noch das wenigste!
GOTT, GING MIR DIESER KLÄFFER AUF DEN GEIST!
Wenn wir Gäste zu Tisch baten, musste natürlich auch dem Hundilein ein Stuhl zum Teller gerückt werden. Ich schoss Blicke, die einen Waffenschein gebraucht hätten.
Innocent, dieses Weichei, schaute einfach weg. Und schon schmatzte dieser hündische Flaumer knochenförmiges Hundegebäck von Liesels Fingern.
IGITT! Wie kann ein anständiger Mensch Hundeknochen als Biscuits produzieren. Aber es kommt noch greller: Die stinkende Hundeschnauze sabberte auf mein weisses Tischtuch. UND DIESES IST NICHT SYNTHETISCH VON ALDI. ES IST EIN ERBSTÜCK.
Den Damast hat schon meine Grosstante Käthchen zur Konfirmation ihres Heiner-Hugos mit Blaubleiche aufgerüscht.
UND JETZT?
SABBERSABBER... in dünnen Fäden läufts von der Hundeschnauze direkt aufs Feingewobene.
Für mein Filet im Teig und die Zucchinisauce hat keiner Augen. NUR FÜR DEN GEIFERNDEN HORROR.
Dazu Herbert und Liesel für einmal geeint im Chor der Hundeliebe. «Jo isser net a lieawes Bubberl... a gonz süsses Nuscherl... dem Papilein saan Herzansbua...»
Früher haben doch ganz andere Möpse die Eier von Papilein zum Kochen gebracht? wo sind die strammen Zeiten hin?
HEUTE HEBT DER HEISSE HERBERT NUR NOCH AB, WENN SEIN ASTHMATISCH HECHELNDER KÖTER IHM AUF DEN SCHLIPS TROPFT. NA DANKE UND PROST!
Können einen die Jahre so verwirren?
WIRD DER WEDELNDE SCHWANZ ZUR ALTERSALTERNATIVE?
Braucht unser Herz ab 60 tatsächlich so einen stinkenden Flohsack zum Frohsein? Ist es dann unser ganzes Glück, mit einem leeren Säckchen und einem überfüllten Hundchen Gassi zu gehen? Und zu Hause froh nickend kundzutun: «Jaaa? er hat! Braves Hundi.»
O.k. Sie servieren es uns ja täglich in ihren Dokufilmen mit Röchelnden und Dahinserbelnden: Die letzten Tage der Menschheit sind schlimm. Altern ist eine grausame Inszenierung.
Aber ist ein Hund, der am Tisch über dem Damast sabbert wie Onkel Gustav im Seniorenheim nicht doch grausamer?
Natürlich sind die lieben Vierbeiner im Alter immer wieder ein gut gemeinter Ersatz für mangelnden Körperkontakt und die liebe Seele, die zu Hause nicht mehr auf einen wartet. Schon Walter Roderer hat den Hund als seinen Freund besungen? und wer weiss, wie das Tier gelitten haben muss... Aber wenn ich Bernhardiner den Meerschweinchen vorziehe, so heisst das noch lange nicht, dass ich Hunde an den Tisch setze und so behandle, als wären sie Tante Martha.
Das Schlimmste ist: wenn der Hund sollte. Meistens will der Hund gar nicht. Aber die Halter drängen da drauf, weil ihnen der Arzt gesagt hat: «Legen Sie sich einen Hund zu. Der muss raus. Und hält Sie in Bewegung...»
Nun wartet der Bewegte auf das Geschäft des Hundes wie die Börse auf die Hausse. Vor jedem Baum hält der Hundehalter den Atem an. Es ist wie im Zirkus: Spannung pur vor dem Salto mortale. Man meint die Trommelwirbel zu hören.
ABER DER KLEINE KÖTER LÄSST DEN SALTO SAUSEN.
Zwar hat er kaum warten können, bis er den ersten grossen Baum angedackelt hat. Aber dann?
NICHTS DANN!
Man spürt die Enttäuschung von Liesel, die ihren Frust auf den Gatten rüberbeamt. «Des kommts von, weils du ihm olleweil von dem süassen Schoggerlzeugs futterst...»
Herbert: «Na, na Lieserl? dös kommt von, weil du mit dem ormen Bubaerl zwa gschloogene Stunden lang die Sissi host schaun müssen... und du waast doch, dass das Hunderl den Schmolz ganz net verträgt und... schon beim Hons Mooser hott er immer gonz dünn pfupferlt danachi und die Sissi blockiert des orme Viecherl nun gonz...»
Über solches wird also an meinem weissen Damast palavert, derweil kein Schwein auch nur ein einziges Wort über das geile Filet nach Art des Hauses verliert. Meine Laune ist verstopft wie der Gotthard im Juli.
Ich überlege mir eben, dass China doch ein wunderbares Land ist mit all diesen Hunden auf dem Grill. DA HOPST DIESER FEGER DOCH TATSÄCHLICH VOM STUHL AUF DEN DAMAST UND HOLT SICH FRÖHLICH DIE HÄLFTE VOM FLEISCH.
Herbert knuddelt seinen Flaumer verliebt: «Iss des Fleischerl. Feinifeini...»
Der Hund leckt sich die Schnauze. Er hat mein Filet immerhin zum Thema gemacht. Das bewegt? und er uns auch! Denn zehn Minuten später stehen wir alle wieder mit angehaltenem Atem vor einem Baum.
Das Viecherl schnuppert... drückt die Augen leicht zu.
Man hört die Trommelwirbel...
Von haarigem Abschied und weissem Damast
Donnerstag, 16. Juli 2009