Pech gehabt. Die kleine Pension in Kairo an der Talat Haarb ist «fully booked». Also buche ich die Alternative.
Und das ist einer der unzähligen Kästen, die Kairo für seine Touristen am Nil implantiert hat? na ja, so wie amerikanische Zahnärzte, die den Oscar-Stars stets etwas zu grosse Schaufelzähne implantieren.
Ich liebe «grosse» Hotels. Ich meine: Da ist so viel los, so viel Gewusel und Geschäftehuberei, dass du ungeniert in einer kleinen Ecke dem Treiben zuschauen und hin und wieder einen arabischen Scheich abschleppen kannst. MERKT KEINER.
Das Schöne ist auch, dass überall Aschenbecher herumstehen. Wasserpfeifen blubbern fröhlich im Glas und geben diesen eiskalten Rauch ins Wasser, sodass man glauben könnte, in den nächsten drei Sekunden würde ein Geist aus der vernebelten Flasche auftauchen. Das Schönste aber sind die amerikanischen Tanten aus Ohio, die in ihren Stretchhosen und Strassbrillen fast Schräglage bekommen, wenn ihnen so viele paffende Araber entgegenblasen.
Irgendwann hat mal einer gesagt, auch Ägypten hätte jetzt ein Rauchverbot. Es muss ein falsches Rauchzeichen der Medien gewesen sein. «Denn», so meine Freunde Ahmed und Mustafa, die beide fröhlich an der Pfeife hingen, «eher kommt ein Krokodil in euren Rhein, als dass die Ägypter nicht mehr an ihrer Shisha saugen.»
Im Hotel am Nil ist ein kleiner Shisha-Garten. Natürlich ist das alles Shisha-Schischi. Ich meine: Ein Boy mit diesem blumentopfförmigen Filz-Fez («Made in China») macht eine kleine Verbeugung und erkundigt sich nach deinem Geschmack. Mir ist nach Vanille. Er entschwindet. Dann kommt der Flaschenmann, bastelt an einem Tellerchen, das locker am Hals der Wasserpfeife angemacht ist, herum? und ein Feuermann legt mit einer überdimensionalen Zuckerzange die glühenden Kohlenstückchen um den Tabak.
Der Kohlenmann trägt weisse Pluderhosen. Und ich werfe einen derart begehrlichen Blick auf das Gepluderte, dass Innocent sofort Gift abschleudert:
«NEIN. DAS IST NICHTS FÜR DICH. DU WÜRDEST IN DIESEN HOSEN AUSSEHEN WIE DEIN EIGENER TEEWÄRMER...»
Natürlich lechzen die vielen Bücklinge auch nach vielen Bakschisch. Und bevor du als dummer Tourist die erste Rauchwolke rauslässt, hast du auch schon die zweite Ladung aus dem Bankomaten rausgelassen. Und verteilt.
Zurück in die Hotelhalle. Neben mir sitzt ein unscheinbares, dickes Männchen und macht sich über die Datteln her wie unser Staubsauger über den Dreck. Ich bin fasziniert, wie er in einem 5-Sterne-Hotel die Steine über den Tisch direkt in einen Messingkübel spuckt. Ich schaue das Männchen strafend an. Aber der Dicke hat nur Augen für das Kuchenbuffet, das einer der Kellner (wieder Pluderhosen), wie früher die Zigarettenmamsellen ihre Brunette Filter, am Bauch trägt.
Im Hotel wimmelt es von Männern aus Saudi-Arabien. Man erkennt sie an den weissen langen Röcken. Dem Kopftuch. Und diesem Stoffkranz, der das Kopftuch auch auf dem Moped festhält. Natürlich wäre ein Diadem irgendwie wirkungsvoller.
Aber auch so haben diese Männer etwas aus Tausendundeiner Nacht sowie ein Bankkonto, das mehr als Tausend und eins drauf hat. ICH MEINE? DAS IST DAS MÄRCHENHAFTE AN DIESEN SAUDIS. Irgendwo rauscht da immer ein Geheimnis, dessen Quelle auf reinstem Dieselöl basiert.
Die Männer in ihren langen weissen Röcken tragen keinen Schmuck, aber stets drei synchron fiepende Handys in der Hand, UND UM DIESE HERUM ALL JENE TEUREN UHRENWERKE, DIE HERRN HAJEK SO EIN LUKRATIVES JAHR BESCHERT HABEN. Überdies tragen sie schwarze Sonnenbrillen. Ich weiss nicht, was sich bei diesen schönen Wüstenprinzen unter dem Rock so tut.
Ich darf es gar nicht wissen. DENN ES IST VERBOTEN.
Und wir mit Steinwurf bestraft. Aber vermutlich tut sich dort unten so wenig wie oberhalb, wenn sie mit ihren Frauen zusammen sind.
Beim Frühstück ist mir so ein Paar aufgefallen: er im Rock, sie in der Burka. Und die erste stille Frage, wenn du diese vermummte Gestalt wie eine Stehlampe an den Platz trippeln siehst, heisst: Wer ist sie? Und vor allem: Wie isst sie?
Die beiden sind einander eine geschlagene Stunde wortlos gegenübergesessen. Er hat nur mit den Handys geredet, derweil das schwarze Vis-à-vis mit (zugegeben!) Raffinesse die kleinen Honigbrötchen unter den Schleier rein und zum Mund raufgeschmuggelt hat. Nur ein leises Beben des Stoffes liess vermuten, dass dahinter ein Gebäck den Weg zur Verdauung fand.
UND DESHALB LIEBE ICH DIESE HOTELS IM ORIENT. MAN KANN HERRLICHE BEOBACHTUNGEN MACHEN. UND ÜBER ALLEM IST DIESER SCHLEIER DES GEHEIMNISVOLLEN.
Mein Dattelsteinspuckmännchen hat sich mittlerweile davongemacht. Um sein Fauteuil herum sieht es aus, als hätten die Hunnen gewütet. DER MANN WAR DER WAHRE ABSTELLER!
Doch siehe da? 20 Minuten später taucht er in der Saudi-Verkleidung auf: wehender Rock. Schwarze Brille. Rot-weisses Kopftuch. Und mit dieser märchenhaften Aura, die vergessen lässt, dass er vor noch keiner halben Stunde in der Nase gepopelt hat.
Von geheimnisvollen Scheichen und vom Popeln
Samstag, 27. März 2010