Von feurigem Fango in Abano und Gummibärchen

Mittwoch - «Weshalb tun wir uns das an?!» Das ist Greta. Meine drei Fuss hohe Freundin lässt missvergnügt in diesem miefig-mobbelnden Reisecar die Beinchen baumeln. Und schiebt sich pfundweise Bären rein. Die gummigen. Die, welche auch Gottschalk reinbärt.

«Sssau mal ssssie da!» Gretchens Bären kleben jetzt prompt im Porzellan. Das gibt die scharfen sss. «Sssson dasss sssechste Feldssslössschen...» «Sie da» - ist eine knackig verpackte Mitsiebzigerin. Wella hat sein möglichstes in Farbe gemacht. Und dazu eine scharfe Hausdauerwelle. Jedenfalls sieht die Biersäuferin in ihrem rüschigen Urlaubsdress aus, wie ein versehentlich mitreisendes Sofa.

«Die törnt sich voll, um das Gequatsche des Buschauffeurs nicht anhören zu müssen», versuche ich das sauffende Muttchen in Schutz zu nehmen. Der Buschauffeur ist nämlich ein Karl-Moik-Verschnitt der Güteklasse 6. Immer eins drauf. IMMER: «KENNEN SIE DEN?» Und dann wird wieder gemeinsam gesungen. Etwa das Lied vom Wagen, der rollt. (Herr Scheel würde seine Freude haben, dass er musikalisch immer noch rollt.)
«Weshalb tun wir uns dassss an?», jammert Greta noch einmal. Und knübelt mit spitzen Fingern vier aneinanderklebende Gummibärchen vom Gaumen. «Innocccsssent reissst mit Jaguar - und wir sssitzen im ssssingenden Wahnsssinn!»
Dann hat sie wieder das Kötzerchen. Sie kam mit den Fingern zu tief in den Hals.

«Holla höpschen», brüllt Rudi, der moik?sche Chauffeur fröhlich ins Mikrofon «die hinterste Busreihe singt bereits in Fetzen - haha! Zeit für eine Pipi-Pause!»
Nun jagen 78 Abano-Günstigtarif-Reisende auf die einzige Toilette des Autobahn-Restaurants.
Ich hangle nach dem Handy: «Weshalb müssen wir uns das antun?», jammere ich ins Redeloch.

Die Antwort ist das sanfte Surren von Innocents Jaguar. Er ist ebenfalls in Richtung Abano unterwegs. Mit Pavarotti in Stereo: «Du wolltest doch mal so eine richtige Rentnerkur miterleben. Mit allem drum und dran. Jetzt bist du eben dran. Und schon ist es dir nicht mehr drum. Wer wird bei einem bisschen Busfahrt schon auf Weichei machen - andere Menschen kriegen Kinder und klagen nicht!»

An der Raststätte-Kasse hole ich Greta ein. Sie schiebt vier Doppelpackungen Gummibären vor sich hin.
«Innocent meint, Kinderkriegen sei schlimmer.» Gretchen rümpft die Nase: «Er hat ein Leben lang nur Meerschweinchen gehabt?» Im Bus singen 78 frisch erleichterte Reisende nun «es klappert die Mühle am rauschenden Bach?» Bei Greta: «? raussssenden Bach!» Und das Rüschen-Sofa: Feldschlösschen Nummer 9.

Donnerstag - Kurz vor Abano hat uns der rasende Rudi noch die goldigen Hausregeln durchgegeben: «Mittwoch ist Tango-Night - Herren mit Krawatte. Frauen im Rock. UND NICHT UMGEKEHRT, HAHA! Donnerstag: Besuch auf dem Markt mit der Möglichkeit, lokalen Honig einzukaufen. Freitag - Motto des Abends: Carneval in Venedig. Wir verkleiden uns. Es spielt das Duo?la Gondola?.»

Alfredo, der Concièrge des 2-Sterne-Hotels «Mamma mia» übernahm nahtlos die Rolle vom moik?schen Frohnatur: «? ist lustig Zimmer mit wunderschönes Aussiggt!», öffnete er die Türe.
Das Zimmer bestand aus einem einzigen Doppelbett über dem die Mutter Gottes verzweifelt die Hände knetete. «Maria desperata» - stand darüber. «Drei Stunden hier und ich bin es auch», jammerte Greta.
«Wo ist der Kleiderschrank?»
Es stellte sich heraus, dass der Schrank durch einen wackligen Kleiderständer im Bad ersetzt worden war.

«Was erwartest du für einen Preis von 30 Euro im Tag!», bellte ich die heulende Greta an. «DU WOLLTEST DOCH DIE RENTNERPACKUNG MIT KUR INKLUSIVE?» Alfredo öffnete die Läden. Wir schauten aus dem Fenster. Unter uns dampfte der Fango. Vis-à-vis winkte das Rüsche-Sofa aus dem Fenster. Sie nuggelte an einem weitern Fläschchen Bier. Ihre Augen hatten die Röte der untergehenden Sonne. Aber nix da Sonne. 12 Grad minus. Und Schneegestöber.

«Das hier ist kein Zimmer. Das ist ein Eisschrank», müffelte Greta. Alfredo zeigte fröhlich auf den blubbernden Dreck hinter dem Haus: «Ist Fango feuriges heiss? dann ebenso heisses Tango-Night... und wenn zu weniges heiss, offerieren Alfredo gutes Massagio gegen kleines Extrapreis!»
«Wir sind in einem Puff», flüsterte ich Gretchen zu. Diese schaute Alfredo anzüglich an und liess einen Gummibären zwischen den Lippen reinflutschen: «? über die Massage reden wir noch, caro Alfredo. Vorher aber zeigst du mir für ein kleines Extra deine beste Suite!»

Für ein Zimmer mit Einbauschrank bezahlen wir nun das Doppelte. Als Supplement gibts allerdings einen Kleinfernseher - jedoch nur mit Zimmerantenne und Berlusconi im Bild. Dafür ist die Wasserspülung undicht.
«Zumindest etwas, das auf dieser Reise wie am Schnürchen läuft», müffelt Greta.

Freitag - Innocent rief aus dem Ritz an: «Stell dir vor - die haben für die Raucher hier ein elegantes Kaminzimmer mit Cheminéefeuer eingerichtet. Ich werde jetzt gleich mal zum Apéro in den Salon gehen!» «Frag mal, ob bei dir ein Zimmer frei ist», schmeichelte ich.

STILLE. TIEFES DURCHATMEN.
Dann: «Es tut mir leid - das Hotel ist total ausgebucht. TOTAL AUSGEBUCHT. Weisst du eigentlich, was das hier kostet?!» Was kann man von einem Meerschweinchenhalter schon anderes erwarten.

Donnerstag, 9. Februar 2006