Diese Falten-Lachgeschichte hat -minu für das Magazin «50plus» verfasst.
Irma betrachtete sich vor dem Spiegel.
Und was sie sah, gefiel ihr nicht. Gar nicht.
Mit den beiden Zeigefingern hielt sie links und rechts von den Augen die Haut zurück. Für einen kurzen Moment schaute sie in eine fremde, fältchenfreie Fratze.
Dann nahm sie die Zeigefinger mit einem leisen Seufzer weg - und das Faltengebirge war wieder da.
«Ich tus», sagte Irma trotzig zu sich selber. «Else hats auch getan. Und Annette auch.»
Die beiden frischglatten Frauen waren jedoch von ihrer besten Freundin Hannchen wie die Gänse vor dem Martinstag gerupft worden: «Himmel Irma - sie sehen doch aus wie Puppen. Starr. Und ohne irgendwelche persönliche Ausstrahlung. Und dann das Lächeln - gefrorene Gletscherseen im Januar. Du willst mir doch nicht sagen, dass dir so etwas gefällt...»
«Hugo hats gefallen», seufzte Irma. «Schlimmer. Er hat die Veränderung nicht einmal gemerkt. Er hat mir nur gesagt, Else sei plötzlich so frisch und oho!»
«Hugo ist ein Armleuchter...», knurrte Hanne, «... es ist ja klar, dass so ein Lifting auch eine innere Umwandlung mit sich bringt. Diese Gestrafften müssen jetzt doch mit ihrem aalglatten Outfit mitziehen und auf «husch-husch-jung-und-geil» machen. Keine strafft straflos! Ehrllich - mich kotzt das einfach an. Wenn sie sich dann noch in diese hautengen Leggins hungern und mit dem Rucksäckchen ins Fitness radeln... Irmchen. In Würde altern ist wahre Schönheit...»
«Aber Hugo...»
«Männer!», schnaubte Hanne. «Die sind doch alle gleich. Finde dein inneres Gleichgewicht, verwöhne dich mal selber mit einem Rosmarinbad oder meinetwegen mit einer Wellnesswoche. Aber sei einfach DU... im Übrigen liebt Hugo eben gerade das Haus-backene, Fröhliche an dir...»
Das war genau der Satz zu viel.
Damals hatte sich Irmchen geschworen, den hausgebackenen Kuchen in eine extravagante Torte umbacken zu lassen.
Doktor Skalbello («der Beste in der ganzen Häutungsbranche», wie Else ihr versichert hatte), liess sie zuerst fotografieren.
Dann wurde ihr welkes Gesicht auf einen Screen projiziert. Auf dem Bildschirm verschwanden ihre Fältchen - hokuspokus! - wie durch ein Wunder.
«So sieht das Resultat aus», hatte Skalbello versprochen.
«Und so die Rechnung», hatte die Assistentin jovial gewitzelt. Und den Kostenvoranschlag ausdrucken lassen. Irma musste an den Moment denken, als sie ihren alten VW nochmals in den Service geben wollte und vorher eine Kostenanalyse machen liess.
«Lohnt sich nicht mehr», hatte Garagist Pneuweiler erklärt. Aber Irma liebte ihren Wagen. Und hatte ihn behalten.
Sie griff zum Telefon und wollte mit Skalbello einen Termin vereinbaren. Irma würde Hugo sagen, sie nähme sich eine vierwöchige Wellness-Out-Zeit. Gottlob hatte sie diese kleine Erbschaft gemacht - da ging ein Teil nun eben für Straffungsarbeit drauf.
Zwei Hände hielten Irma die Augen zu - sie schüttelte die Finger ab. Und vor ihr stand Hugo mit einem Strauss Tulpen: «Die ersten in diesem Jahr...», strahlte er. «Herzlichen Glückwunsch zum Hochzeitstag - dem 40. nota bene!».
Irma schaute schuldbewusst zu Hugo, sie hatte das Datum total verschwitzt. Hugo schien es nicht zu kümmern: «Ich war im Fitness. Natürlich lustlos. Ich komme einfach nicht gegen meinen Bauch an.
Im Fitness habe ich übrigens Else gesehen. Sie humpelt. Hat sich an der Laufmaschine eine Zerrung geholt, na ja, man merkt ihr das Alter eben an.»
Hugo schaute seine Frau liebevoll an: «Wie schaffst du das eigentlich seit 40 Jahren immer so fröhlich und ausgeglichen zu bleiben...?»
Irmchen spürte einen Klotz im Hals.
Hugo strich ihr über den Kopf: «Ich habe mir gedacht, wir machen es uns zur Feier der 40 Jahre richtig schön. Schönes Hotel, gutes Essen - pfeif? auf den Bauch! Wir fahren für ein paar Tage gemütlich mit unserm VW weg. Wie gut, dass wir den alten Klepper behalten haben - jeden Kilometer hat er mit uns mitgemacht. Und jeder Kilometer ist eine Geschichte unseres Lebens. Wäre doch schrecklich, wenn wir das einfach weggeworfen hätten...»
Das war der entscheidende Satz.
Irma warf unauffällig Herrn Skalbellos Karte in den Papierkorb. «Ich liebe deinen Bauch», lächelte sie zu Hugo.