Wieder mal so ein Tag.
Ich meine: Schon die Nacht ist mies gewesen. Stundenlang habe ich mich durch Softpornos, pflaumenweiche Lebensratschläge und ätzende Telespiele gezappt. Die Pornos waren gähn... gähn... gähn. ABER SIE HABEN MICH DENNOCH NICHT INS NIRWANA GEWORFEN.
Stöhnende Weiber machen mir nur Hunger. Um zwei Uhr morgens habe ich Pasta aufgesetzt.
Hörnli. War ja nichts anderes da. Schmeckte ganz okay? mit Apfelmus und einem Rest Käsefondue-Mischung untergerührt.
Dann kam die blumige Seelenklempner-TV-Tante, die mir schon zu Beginn auf die Weichteile... halt, nein! Zuerst das Outfit: Sie hatte ein violettes Hippiekleid der Gattung «Hasch mich» übergeworfen.
Dazu trug sie offenes Kunsthaar. GRUSELIG. Sie sah aus wie das Erinnerungsdörrblümchen aus der Hippiezeit, das in einem Telefonbuch der Sechzigerjahre gepresst worden und nun im Auflösungsstadium war. Altersmässig hätte sie gemeinsam mit Trudy Gerster die Tortenkerzchen ausblasen können? nur hat Trudy mehr Schwung im Satz. Und diese Psychodrulla redete im Ton der teilnehmenden Trauer? irgendwo blieb immer eine zuckrige Schleifspur. Und etwas Sirup im Geflöte.
Ja, hört doch mal selber rein:
«Hallo, wer bist du?»
«Ich bin das Liesi.»
«Guten Abend, liebes Liesi.»
«Guten Morgen, Sarah.»
«Ja, du Gutes, du hast recht? es ist ja schon zwei Uhr früh. Kannst du nicht schlafen?»
«Ja.»
«Was ja?»
«Ich schlafe nicht? sonst wäre ich ja nicht auf dem Kanal. War echt mies, hier durchzukommen. Ich habe mir beim hundertsten Mal Anwählen die Zeigefingerkuppe flundernflach gedrückt...»
«Ja, ja, Liesi? alle wollen den Draht zur lieben Sarah. Nun sag mir, wie ich dir helfen kann. Lass mich raten... Es ist wegen deines Freundes?»
«Nein.»
«Ach so? hast du Kummer mit deinem Chef?»
«Nein. Ich bin in Rente.»
«Wie schön für dich, Liesi... Ich spüre, dass du schon bald den 70. Geburtstag feiern wirst...»
«Falsch. Es ist Frührente. Ich bin 32. Und der Kummer geht um Alessia...»
«Du Arme. Kinder sind eben immer eine schwere Bürde und...»
«Alessia ist 69. Sie war meine Freundin. Sie hat mich wegen eines Lokomotivführers verlassen. Das Arschloch hat sich in deiner Sendung ausgeheult, weil er sich nach dem Tod seiner Katze so alleine fühlte. Und Alessia war immer eine Weichnudel. Sie hat ihm daraufhin telefoniert... UND JETZT HOCKE ICH DA MIT UNSERM ZWERGBOXER UND DER HYPOTHEK AUF DEM SPORTWAGEN.»
Ihr schnallts nun, weshalb ich nicht schlafen kann.
Zu all dem Geplänkel mit der Kampflesbe kommt Innocents Gedüdel. Der neue Apnoe-Apparat pfeift nämlich. Ich habe die Blaskiste daraufhin in einen alten Strumpf gewickelt. Zwar röchelt das Kästchen jetzt nur noch. Dafür höre ich meinen lieben Freund bei jedem Atemzug keuchen, weil ihm der Strumpf die Luftzufuhr abschnürt.
JA, HALLO! Wie will da einer pennen, wenn unten eine Psychotante sülzt und oben der Horror abgeht?
Also? ein gescheiter Mensch hat mal gesagt, man könne den Schlaf nicht erzwingen. Deshalb stehe ich auf. Und werfe die Kaffeemaschine an.
GUT. GUT. Ihr Siebengescheiten? ich weiss auch, dass Koffein nicht unbedingt das Valium des Schlafgestörten ist. ABER MIR IST DANACH. Und wenn die Espressokiste wieder abgeht wie ein Airbus mit Düsenschaden, dann ist doch die Hoffnung gross, dass Innocent von all dem Getöse wachgedonnert wird.
JA, DENKSTE!
Die Maschine rattert zwar sämtliche Bilder an den Wänden in Schieflage? aber sonst passiert nichts.
Weder oben noch unten. Die Maschine zeigt ein rotes Licht. Und das Gegrunze im oberen Stock geht weiter. Dies kurz vor drei Uhr morgens. Und morgen heissts im Maskenstudio wieder: «WIR KÖNNEN IHRE MÜDEN TRÄNENSÄCKE NICHT JEDES MAL AUSSPACHTELN? DAS KOSTET UNS DEN FASSADENVERPUTZ EINES SUPERCENTERS. »
Ich hasse es, wenn an Maschinen rote Lichtlein brennen? seis im Auto, am Computer oder beim Kaffee. BEI ROT IST IMMER ETWAS OBERFAUL.
Ruft man den zuständigen Fachmann, hat ders natürlich mit einem einzigen Griff erledigt. Es ist nicht die Rechnung in der Höhe eines Dreifamilienhauses, die mich sauer macht. Sondern das spöttisch-überlegene Lächeln, wenn er einfach den Apparat ab- und wieder einstellt? ein Lächeln, das dir zeigt: «HIMMEL, WAS BIST DU FÜR EINE TECHNO-PFEIFE!»
Immerhin. EIN LICHTBLICK! Die Zeitung ist eben mit zartem KLACK! in den Briefkasten gefallen.
Draussen kübelts. Aber der Mann kommt trotzdem mit seinen papierenen Neuigkeiten durch Regen und Wind. Innocent hätte ihm ruhig ein paar Franken mehr Weihnachtsgeld salben können.
Er hälts noch immer mit dem Fünfliber und einem guten Wort.
Ich blättere mich durch die Börse. Und die UBS-Kurse beamen mich wahrhaftig auch nicht gerade in den erquickenden Schlaf. SCHWAMM DRÜBER.
Arm stirbt es sich problemloser.
Beim Frühstück gähnt mir Innocent über sein milchiges Müesli direkt ins Gesicht: «Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugemacht!»
Dann schaut er zuerst vorwurfsvoll auf mich, dann auf die Kaffeemaschine: «Wie hast du DAS wieder angestellt?»
Und damit wären wir am Anfang: wieder mal so ein Tag!
Von einer schlaflosen Nacht und einem miesen Tag
Samstag, 13. März 2010