Von einer Kur in Abano und Luxus ohne Ende

Donnerstag - Mein Kleinstwagen geht zitternd in die Knie. Grethchen hat alle seine Abendlangen auf vier Koffer verteilt. Dazu drei Schachteln mit Strass, Klunkern und Diademen: «Es ist mir nur einmal passiert, dass ich im Nachthemd zum Kostümball gehen musste!» Ich rüste also zum sechsten Mal das Auto um. Und schnalle mein gefälschtes Vuitton-Köfferchen aufs Dach. «? und als ich damals im Nachthemd kam, haben mich beim Tanzen alle in die Weichteile gezwickt. NIE MEHR! Ich habe am andern Tag total verkniffen aus der Wäsche geguckt.» Na ja - die Weichteile von Grethchen sind wie fleischgewordene Schmusetierchen.
Von Evchen ganz zu schweigen.
Evchen ist die dritte im Bunde. Da sie aber in meinem Kleinstwagen keinen Platz mehr findet, reist sie separat mit all diesen Kleidchen, die wie ein Bettüberwurf aussehen. Evchen sieht aus, als hätte sich eine fröhliche Ikea-Sitzgruppe ans Steuer gesetzt - doch sie hat auch Diätpläne eingepackt: «In Abano nehme ich ab - nur Salate! Und Obst!»

Fangokuren sind nicht nur mit Schlamm, sondern auch mit guten Vorsätzen gepflastert.

Freitag - «Benvenuti!», ruft Adolfo, der Concierge von Abano. Dann zum Türsteher: «Meld mal der Küche, die Schweizer Zuchtrasse sei im Anmarsch. Sie sollen die Schinken in Sicherheit bringen?» «Sie Schalk!», kicherte Evchen. Und klapst Adolfo auf den Allerwertesten.
Adolfo kichert zurück: «Michele, ihr Masseur, hat leider das Zeitliche gesegnet, Signora. Er ist an einer russischen Gräfin eingegangen?» Evchens Augen tränen: «Ich werde ihm drei Kerzen stiften - er hatte begnadete Hände. Verflucht sei Russland und seine Gräfinnen?!» «Na ja», hüstelte der Concierge, «ich werde sie bei Massimo einschreiben. Er ist die männliche Tochter unseres Dorfpolizisten - man sagt, er habe elf goldene Finger und ein Piercing, das er erst zum Finale zeigt. Haben sie irgendwelche Prothesen oder Kunststoffgelenke, die sie abgeben wollen?» Noch bevor Evchen protestieren kann, surrt ein Autocar mit Aargauer Kennzeichen beim Eingang vor. Die Insassen schaukeln im Takt und singen das Lied vom Wandern, das des Müllers Lust ist.

«Keiner unter 90», flüstert uns Alfonso zu. Dann zum Concierge: «Die Gruppe kommt in den 5. Stock - dort haben wir die Betten mit Gummischonern bezogen?» «Weshalb tun wir uns eigentlich jedes Jahr diese Tortur an?!», schaut Grethchen traurig auf das Bild der Alten, die sich nun zeternd um ihre Stöcke und Krücken balgen.
Evchen rafft ihren Umhang: «Erst im Elend weisst du, wer du wirklich bist!»
Ich weiss nicht, wo sie diese Weisheit her hat. Aber wir lassen den Satz hier mal im Raum stehen.

Samstag - Innocent wohnt separat. HIER SPIELEN KOSTEN KEINE ROLLE! Unsereins wird ins Horror-Bad geschickt, wo jeder neben der Weinflasche auch ein Zahnglas stehen hat - er aber hockt vornehm im Luxuskasten, wo Kellner in weissen Handschuhen buckeln und keiner der Gäste in Nylon-Turnhosen und herzhaften Rülpsern beim Mittagstisch nach dem Maggi-Fläschlein brüllt.
Ich habe mich vor Innocent auf die Erde geworfen, habe gebettelt und versprochen, drei Jahre lang das Lavabo auch auf seiner Seite zu putzen: «wenn ich nur ein einziges Mal in deinem Hotel?!» UMSONST.

Seit wir ihn - ÜBERRASCHUNG! ÜBERRASCHUNG! - im 5-Sterne-Luxus-Palazzo aufgesucht haben und dieser lackierte Arsch von einem Empfangschef in Frack und Zylinder mein Grethchen von oben herab abkanzelte: «Tut mir Leid, liebes Frauchen - hier ist Betteln und Hausieren verboten!», seither bekommt Innocent den dreifachen Gong, wenn wir uns auch nur von weitem in dieser Geldsack-Herberge sehen lassen.
TUN WIR NATÜRLICH NUN ZLEID!

Gestern haben wir Evchen in billige Dralon-Leggins gezwängt. O.K. Wir sind über den Anblick selber etwas erschrocken. Dann haben wir ihr Puppengesichtchen mit drei Tuben Glimmerfond getüncht und ihre Lippen nachgerollt. Na ja - jedenfalls hätte Fellini seine Freude an ihr gehabt, als wir die Sache noch mit einem verwitterten Kunststoffpelz aufmotzten und Evchen so kichernd auf den 5-Sterne-Luxus-Concierge zuwackeln liessen: «Könnte ich bitte mal kurz mit meinem Onkel, Herrn Innocent, sprechen - seine Familie wartet am Bahnhof, Geleise 3?» DA BLIEB ABER DIESER GELECKTEN RIESENRÜBE VON LIVRIERTEM PORTIERE DIE LUFT WEG!
Als Innocent schliesslich mit dem Glasaufzug in die Halle gesurrt wurde, als er Evchen auf den zweiten Blick erkannte, käsebleich wurde und sich rückwärts wieder zum Lift retten wollte, beinelten die prallen Leggins auf ihn zu. Schon gab unsere begabte Freundin eine kleine Kostprobe aus «Magdalena - die reuige Sünderin». Sie umklammerte Innocents dünne Knie und heulte sein teures Cashmere-Jacket voll: «Ach Onkel, Onkel, hab Erbarmen und schick uns nicht wieder ins Freudenhaus?» Grethchen hielt die ganze Szene mittels ihres neusten Natels mit eingebauter Fotolinse fest. «So», sagte sie zufrieden, «nun haben wir ihn - entweder er lädt uns zum Nachtessen ein. Oder wir bringen das Foto im?BLICK? als?unser schönstes Ferienerlebnis?!»
Es war dieses Nachtessen, wo Evchen die guten Vorsätze von Salat und Früchten endgültig fallen liess?

Dienstag, 8. März 2005