Von einer Hochzeit mit zwei Morden und Braten

Es war eine wunderbare Hochzeit. Bis der Bräutigam nach dem Ja-Wort kippte. Und gleich mal in die blumige Tischdeko donnerte.
Er war dann nicht die einzige Leiche am Abend.
Eine Tschechen-Tussi hats mit einer Revolverkugel erwischt. Und HALLELUJA. Ausgerechnet wenn ich mich auf den Brautstrauss freue, geht da ein Mörder rum!
Innocent war schon bei der Suppe hinüber. Und schnarchte sich durch drei Gänge. Erst als ein Kommissar sagte, wir dürften auf keinen Fall den Tisch verlassen, hiepte er auf: «WASS ISS? ICH MUSS MAL!»
«Nicht jetzt!», sagte der Kommissar streng.
Innocent knübelte sich wieder die Ohren rein. Rieb die roten Augen tränig. Und flüsterte:
«IST DAS GERRIS NEUSTER?!»
«ES GAB EINEN MORD!», zischelte ich.
«WASSS ISS?»
«GAR NICHTS IST! DER BRÄUTIGAM JEDENFALLS IST NICHT MEHR. ER HAT DEN LÖFFEL ABGEGEBEN. SIE HABEN IHN VERGIFTET!»
Innocent knübelte noch immer am kleinen Hörapparätchen.
Dann: «Ich verstehe immer nur Mord. Du solltest endlich mit dieser Krimi-Schmökerei aufhören. Ein?Tatort? am Sonntag genügt!»
Dieser Meinung war ich auch. Aber nicht so die Sekretärinnen meines lieben, gesetzlich angeschmiedeten Lebenspartners.
An Weihnachten, als wir friedlich an der GWG, der Geschäftsessen-Weihnachtsgans ganz gansglücklich die Stotzen vom Vogel lutschten, wurden die beiden Frauen total feierlich: «Wir haben dieses Jahr auf ein Unterhosen-Geschenk für euch verzichtet. Dafür laden wir beide im Frühling als Christgabe an eine Hochzeit ein. Die Sache ist ein Krimi-Dinner. Es gibt zwei Morde mit Braten. Man braucht sich aber nicht aufzubretzeln.»
NA DANKE? DA HATTEN WIR DAS GESCHENK!
Da es ansonsten sehr einfühlende Weiber sind, wollten wir jetzt mal nicht so sein. Und bis zur Hochzeit dauerte es vor der eingeschneiten Weihnachtsgans ja noch lange.
DOCH DANN KAM DER FRÜHLING INS LAND.
UND DAMIT DIE HOCHZEIT. SOWIE DAS MORDSMÄSSIGE DINNER.
Wir kamen wieder mal etwas spät und alle sassen schon erwartungsschwanger an den Tischen, als wir etwas ausser Atem eintrudelten. Der Chef de Service führte uns zu Tisch zwei, was am Fenster und ziemlich nahe beim Schuss war (wie sich bei der zweiten Toten herausstellte).
Am Tisch sassen weitere Hochzeitsgäste. Die meisten kamen aus dem Rheinland: Möhlin, Eiken, Rheinfelden und so. Nur mein Nachbar war ein Marathonläufer aus dem Hegenheimerquartier und eben von einem Pariser Dauerlauf rechtzeitig zur Szene zurück.
Dann erschien die Braut-Grossmutter, und das war die Hedy. Ich kenne sie von der Häbse und deren Theater her. JA, DAS WAR ABER EINE FREUDE! Sie kippte schier von den Hacken, als sie mich sah: «WAS TUST DU DENN HIER!»
«HEIRATEN!», sagte ich fröhlich. Und schon wurde mir eine Plastikrose angesteckt, um zu zeigen, dass es ein festlicher Anlass wird.
Zwischen Salat und Suppe passierte noch nicht viel. Die vier Schauspieler hatten zwölf Rollen und mussten sich immer wieder neue Perücken überstülpen.
Die Kommissarin, die auch die Tussi und eine debile Tochter mimte, wechselte mit den Dialekten so eifrig ab, wie die SF-Nachrichtensprecher mit den Krawatten. DAS WAR NUN WIRKLICH EINE LEISTUNG!
Allerdings konnte Innocent die Dialoge nicht verstehen. Er bekommt ja schon am Fernseher die Schauspieler nicht mehr mit, wenn sie nicht mit Gustaf Gründgens? Bühnendeutsch loslegen.
Deshalb kippte er sich nochmals ein Glas vom Roten rein. Und verabschiedete sich vom hochzeitlichen Geschehen schnarchend über der Suppe.
In solchen Momenten könnte ich mir gut vorstellen, dass Morde nicht nur an einer Hochzeit passieren!
Es kam also zur Trauung. Und es war die siebte, aber kürzeste Ehe von Hedy (die nicht nur die Grossmutter, sondern auch die glückliche Braut mimte). Das verliebte Paar stiess eben mit Prickelsekt an, als man das Röcheln hörte. Ich wollte Innocent eben den Schalldämpfer aufsetzen, als mein Marathonnachbar mich darauf aufmerksam machte, dass das Geröchel vonseiten des Frischgetrauten kam.
DER WEIN WAR VERGIFTET! JA, WAS SAGT IHR JETZT?
Als der Herr niedersank, hat nicht einer mehr im Festsaal ein Glas angerührt.
Die Leiche war bereits kalt, als die heisse Suppe serviert wurde. Und bereits wurde eifrig zwischen Eiken und Rheinfelden diskutiert, wer wohl das Gift in die Gläser geschüttet habe. Aus Erfahrung und 189 «TATORT»-Sonntagen wusste ich: Es ist immer der Unverdächtigste. Der aber schnarchte sich neben mir durchs Programm.
Mord Nummer zwei kam mit dem vorzüglichen Braten. Und mit ihm ein Zettel, auf dem die Polizei verlangte, man solle aufschreiben, wer als Killer infrage komme. Dann wurden die Plastikrosen sowie die Fragebögen eingesammelt. Und es wurden ein Dessert sowie die Lösung aufgetischt.
OK. DA DIESE KRIMI-DINNERS JA DURCH GANZ HELVETIEN MORDEN UND SIE SELBER EVENTUELL ZU EINER DIESER GIFTMISCHER-HOCHZEITEN EINGELADEN SIND, HOCKE ICH MICH HIER AUF MEINEN MUND. UND SAGE NICHT, WER ES WAR. VON WEGEN SPANNUNGSMOMENT.
NUR SO VIEL: Herr Innocent war es nicht.
Auf der Heimfahrt im Sechsertram nahm dieser dann meine Hand: «Jetzt sag mir mal? wer hat eigentlich wen umgebracht?»
«Der Braten war klasse!», antwortete ich.

Samstag, 12. Mai 2012