Von einer Benzinpanne in Yucatan und Skeletten im Dschungel

«Maya ist eine Kultur, die sich gewaschen hat!»? das war Innocent. Und das war im Flug von Havanna zur mexikanischen Halbinsel Yucatan.
Innocent wollte mit einem Bezug zur einstigen Maya-Seife ein Witzlein reissen. Doch wie so oft ging sein Witz in die Hosen. Und das Maya-Seifen-Bonmot schlug nur Schaum. Ich hatte mich nämlich schlau gemacht. Und dozierte nun, während das Flugzeug auf der Landebahn von Cancún herumschlitterte, aus meinen Notizen: «Die Mayas gehören zum Weltkulturerbe. Besonders ihre alte Hauptstadt Chichén Itzá. Die gilt sogar als Weltwunder mit den tiefen, klaren Wassern, diesen heiligen Cenoten, die zum chronisch schlecht gelaunten Regengott Chaak führen. Und...»
Innocent: «INTELLEKTUELLES STEHT DIR SO WENIG WIE EIN DICKER KRAWATTENKNOPF. Bleib, wie du bist, und freue dich an Blümlein!»
MEIN GOTT, ER MEINT NOCH IMMER, ER HABE EINEM SCHMALSPURDUMMI SEINE KREDITKARTEN ANVERTRAUT!
Bei der Autovermietung im Flughafen fuhr ein Riesenungetüm vor, das sich als amerikanischer Jeep entpuppte. «Wir haben keinen Kriegswagen bestellt», bellte Innocent los. Und studierte gleich den angegebenen Tagespreis. Der aber war niedrig. Und damit war alles wunderbar? bis wir auf der Autobahn einfuhren. Die Nacht legte sich wie ein schwarzes Leichentuch über uns. Wir hatten noch gute 250 Kilometer und etwa 290 überfahrene Hunde vor uns. Ziel war Chichén Itzá. Draussen wurde es immer dunkler. Dann schwarz. Auf der Autobahn gabs keine Strassenlampen.
UND DANN GING DOCH NOCH EIN LICHTLEIN AUF. Es war aber dieses verdammte Alarmzeichen, das uns darauf hinwies, dass mit dem Most bald mal sense sei. NA BINGO. Da fahren zwei Landeier auf einer verlassenen Autobahn einem zürnenden Wassergott entgegen? die Stimmung ist toter, als die Hunde, die rumliegen. UND NIRGENDS AUCH NUR EINE EINZIGE TANKSTELLE IN SICHT.
«Ich habe ja gleich gesagt, wir hätten einen Chauffeur nehmen sollen», liess ich meinen Frust los.
«Ach Gottchen? irgendwo werden diese Mayas doch eine Tankstelle hingepflanzt haben!», machte Innocent auf Beruhigung. In diesem Moment flammte im Scheinwerferlicht ein Schild auf. Es zeigte eine Zapfstelle? darunter stand: 147 KM.
JA, HAAALLLO! WIR WAREN VERLOREN.
Und da schickte uns der miesepetrige Regengott Chaak nicht nur Donner und Blitz? er schickte uns auch eine Polizeistreife. Wir winkten aufgeregt, hupten und waren bald einmal von diesen Kerlen mit den arschkalten Maschinenpistolen umstellt.
«NULLUM BENZINO!», gab Innocent sein «Spanisch für Anfänger» durch.
Es stellte sich heraus, dass die Polizei für birnenweiche Gringos wie uns immer ein Notkanisterchen im Auto mitführen. UMSONST HAT MAN JA NICHT ZWISCHEN ZWEI TANKSTELLEN EINEN RAUM VON 170 KILOMETER EINGEPLANT!
Das Kanisterchen hat natürlich seinen Preis? und nun heult nicht nur der Himmel. Jetzt heult auch Innocent. «EL WUCHERO GYGANTOS!», japst er.
Die Gesetzeshüter wollen gekränkt den Kanister wieder zuschrauben. Ich kicke Innocent in die Weichteile, schleime meinen ganzen Charme raus und lege noch zwei Tobleronestangen aufs Geld. Die Mexikaner nehmen Haltung an, sodass die Gewehre scheppern. Und wünschen gute Fahrt. Schwierig wurde diese, als die Autobahn endete und wir auf Schotter in Richtung Maya-Hauptstadt fuhren. Es scheint, dass da punkto Strassenbau die letzten 1400 Jahre nichts mehr passiert ist. Manchmal leuchteten hellblaue, weisse und zitronengelbe Steinhäuschen auf. Sie zeigten ein Touristenangebot, das den Totensonntag des Jahres fokussierte: klappernde Skelette in Leuchtfarben, Totenköpfe als Aschenbecher und T-Shirts, auf denen Gerippe im Gelb verrauchter Zähne funkelten.
«Unser Hotel muss mitten im Dschungel sein», Innocent nestelte mit einer Strassenkarte und jagte mich in die Pampas. Und mitten in Palmen und Schlingpflanzen, riesigen Rhododendrons und schwitzenden Orchideen sahen wir es: ein altes Kolonialhaus mit riesiger Terrasse, auf dem weissgedeckte Tische zum Essen riefen. Vornehme Touristen aus aller Welt hatten sich herausgeputzt, um in dieser bizarren Gegend das mexikanische Hühnchen stilecht mit Bauchbinde zu zerlegen.
«Ich habe nur ein Fidel-Castro-T-Shirt für gute Anlässe dabei», jammerte ich.
«Du bist auch als Revolution eine Wucht», ölte Innocent drauflos, weniger aus Nettigkeit als aus Angst, mir im Hotelshop noch hurtig einen Smoking kaufen zu müssen. Auf der Terrasse ziehen drei sombrerobehütete Mexikaner von Tisch zu Tisch. Es sieht aus, als würden drei riesige Ufos mit Beinen durch die Gegend schweben. Sie hauen in die Klampfen. Und ihr Spiel tönt, als würde man unnarkotisierte Katzen kastrieren. Wir steigen aus. Ja, wir wähnen uns in Vorfreude bereits an einem der weissgedeckten Tische mit Klampfenambiente. Ich will den Kofferraum öffnen.
UND DANN GEHT DER ALARM LOS.
Einsam jault unser amerikanischer Jeep in die Nacht hinaus. Keiner weiss, wo man ihn abstellt. Die Gäste starren in ihrem Abendlangen und den angeschwitzten Bauchbinden auf den Jeep, der wie eine gestrandete Mondrakete frenetische Jaultöne mit hektischen Leuchtsignalen von sich gibt. Endlich findet der Hotelier einen Knopf. UND DANN IST ES TOTENSTILL IM URWALD.
Fünf Sekunden später jammern die drei Sombreros wieder. Als ich dann im Castro-Outfit vor dem Hähnchen sass, haben die mexikanischen Klampfenbrüder einen grossen Bogen um unsern Tisch gemacht. «Darauf können wir verzichten, nicht wahr?!»? Innocent tätschelte zufrieden meine Hand. Und packte die 20 Cent hingelegtes Musikergeld wieder ein.

Samstag, 19. März 2011