Von einem seltsamen Besuch und falschen Königinnen

Montag - «?und weshalb schliesst du nie die Türe ab? Mit den Einbrechern ist es im Januar wie mit den Ausverkäufen: Sie haben Saison. Und warten auf die Dummen. DU BIST DER DUMME!» Soweit Innocents Wort zum Tag.

Demonstrativ dreht er den Schlüssel zur Haustüre um.
Linda hingegen wirft demonstrativ einen Blick zum Himmel (obwohl von dort kaum Hilfe zu erwarten ist).
Und ich kehre allem demonstrativ den Rücken.
Soll keiner sagen, die Zeiten der Demos seien vorbei.

Mittwoch - Linda keift wieder im Haus herum. Man möchte nicht meinen, dass so ein altes Rabenaas von 82 Lenzen, schmächtigen 49 Kilos und zwei Reihen Keramik-Zähnen so viel Energie aufbringen kann. Sie schnattert durch die Dritten wie eine Kastagnettentänzerin mit den Holzplättchen. Und ihr Geschnatter ist mit Giftschein 12 gegen Annick, unsere zweite Hausperle, gerichtet.

Die beiden freuen sich heiss aneinander. Seit Annick entdeckt hat, dass Linda am Dreikönigstag nur Queen wurde, weil sie zuerst mit einer Stricknadel sämtliche Kugeln durchbohrt hatte - na ja, seither ist die Kacke zwischen den beiden am Dampfen.
Linda dirigierte Annick mit der Papierkrone einen Tag lang herum, wie der Zikusclown den dressierten Pudel. Die Ärmste musste auf den Knien den Kellerboden schrubben, musste die Kaffeemaschine entkalken. Und das Schlimmste: Sie musste Innocents Porzellanhundesammlung abstauben. Eben da hat Annick die Stricknadel entdeckt. UND HIER WAREN NOCH TEIGRESTE DRAN.
«FALSCHWAHL!», gellte es durchs ganze Haus. «LINDA HAT DIE WAHL GEFÄLSCHT. ICH BIN DIE WAHRE KÖNIGIN.»
Na ja - lass den Plebs sich streiten. WIR ALLE WISSEN SCHLIESSLICH, WER IM HAUS DIE QUEEN IST.

Donnerstag - Die Schreie, die zur Briefträgerzeit durchs Haus gellten, liessen mich kalt.

Entweder hat der Postmann Linda wieder mal in die rasselnden Knochen gekniffen. Und jetzt heult er wegen seines verstauchten Daumens.
Oder Annick und die 82-Jährige liegen sich einander einmal mehr in den Haaren - wobei Annick hier den Kürzeren zieht. Denn Linda kann die Nylon-Haare abwerfen, wie das Pferd den Reiter.
Ich liess es also schreien. Kaute weiterhin gemütlich an meiner Honig-mit-viel-viel-Butter-Schnitte, die mir mein gütiger Vetter Tom gestrichen hatte, damit ich im Gegenzug seine vom Training verschwitzte und miefige Velohose mit Waschpulver aus ihrer Starre löse.

Nun war mir aber, als hörte ich auch Männerstimmen. Und dass da gleich beide Weiber dem Briefboten an die Wäsche gehen, kann ich in einem Haus, dessen Garten an die Mission grenzt, dann doch nicht dulden.

ICH LIFTETE MICH ZUM ORT DES AUFRUFS.
Hier lag Linda am Boden. Eine mir unbekannte, ältere Frau hämmerte auf sie ein. Und Annick zerrte an der Unbekannten, wie Zwirbelhund einst an meinem Arm, wenn er «Mausi-Mausi» spielen wollte.

«Das ist mein Haus!», schrie die Unbekannte schrill.
Zwei mir unbekannte Männer heizten den Kampf an und schlossen Wetten ab.
«Das ist mein Haus», tobte die Dame später auch bei der herbeigerufenen Polizei. Der Kommissar schaute mich misstrauisch an: «Holen Sie mal Ihre Papiere!».
«Ich denke nicht daran», keifte ich, «schauen Sie sich Tamara Wernlis Besuchssendung an und Sie wissen, mit wem Sie es zu tun haben. Wie kommt dieser alte Besen überhaupt dazu, so etwas zu behaupten?!»
«Es ist das Haus meines Mannes Arturo», erklärte der Besen hoheitsvoll. «Ich habe es vor 16 Jahren von ihm geerbt?» Der Blick des Kommissars wurde immer finsterer: «Aha - und was machen Sie jetzt darin?» - Das ging an mich.

«ICH habe dieses Haus von meiner Tante Esmeralda geerbt?» Der zweite Polizist flüsterte aufgeregt. Der Kommissar hob die Brauen: «Das stimmt nicht. Man meldet uns eben, dass ein Herr Innocent der Besitzer ist. Sie sind verhaftet.» Da konnte ich lange sagen, dass meine Tante das Haus Innocent nur vermacht hat, weil sie befürchtete, ich würde die alte Hütte sofort gegen drei Vuitton-Koffer und eine Südseereise eintauschen.
Inmitten des Tohwabohus ist dann eben dieser Innocent aufgetaucht: «Was ist hier los?! Was suchen die Herren in unserem Eingang?»

Es stellte sich heraus, dass die beiden wettenden Männer Taxichauffeure aus Parma waren und die liebe Frau vom Norden Italiens bis an die Birmannsgasse gefahren hatten. Als sie erklärten, die Dame habe 800 Euro vorausbezahlt und man sehe doch sofort, was mit ihr los sei? also, da sahen auch die Gesetzeshüter heller.

Die falsche Hausbesitzerin fuhr mit denselben Herren wieder nach Parma zurück. Zeternd. Und Linda letzte Mahnungen erteilend: «Wenn ich das nächste Mal komme, sind diese Engel im Gang verschwunden - ICH WILL DIESEN KITSCH NICHT IN MEINEM HAUS!» Innocent aber sprach sein Credo zum Tage «Ich habe euch immer gesagt: Schliesst das Haus ab!»

Donnerstag, 12. Januar 2006