Von einem Neuanfang und «morgen»...

Neujahr ist Hoffnung. Irgend so ein «SCHWAMM DRÜBER»-Moment. Und Neubeginn.
Natürlich haben auch wir uns Vorsätze gefasst. GROSSE VORSÄTZE. HOCHHERZIGE VORSÄTZE.
Der Neubeginn fängt bei sich selber an. UND DER AUSLÖSER WAR DIESES FOTO, DAS VOR ZEHN JAHREN AUFGENOMMEN WORDEN IST.
Jetzt schauen SIE sich mal ein Foto an, das SIE in Höchstblüte zeigt: Noch ist das Haar voll. Der Teint sonnengebräunt. Die Zähne eine unverräucherte Perlenreihe. Der Bauch so straff, dass du gar nicht glauben kannst, was du da siehst: UND DAS BIN WIRKLICH ICH?
Dann die Frage: WIE KAM DAS ALLES?
DENN DER BLICK IN DEN SPIEGEL ZEIGT: DA KAM IN DEN LETZTEN ZEHN JAHREN DOCH ARG VIEL ZUSAMMEN!
Du weinst ein bisschen, dank dieses Armleuchters, der dir mit diesem nostalgischen Foto die Moral vermiest und dich alle Festtage durchhängen lässt.
Und deshalb der Beschluss:
AB MORGEN WIRD ALLES ANDERS!
NEUANFANG.
KEINE KUGELIGEN TRÜFFELPRALINEN MEHR.
KEINE GLÄNZENDEN FETTSCHWÄRTCHEN AM SCHWEINEKOTELETT (das heisst nun wirklich den Genuss zur Sau machen!).
KEINE WASABI-ERDNÜSSCHEN FÜR SO MAL ZWISCHENDURCH (sie sind das grüngeile Hüftengift).
DER VORSATZ HEISST: GESUNDFASTEN.
HUNGERKUR.
DANN, NACH VIELEN, VIELEN TAGEN DER ENTBEHRUNG, DER BITTERN TRÄNEN UND DES «DU DARFST»-WURST-DRAMAS, VERZIEHT SICH DER RANZEN INS FLACHE. UND MAN KANN IMMER NOCH BEHAUPTEN, DAS VORHER SEI EINE SPÄTE SCHWANGERSCHAFT GEWESEN...
Ich habe mir für dieses Jahr viel GROSSARTIGES vorgenommen:
Die Fingernägel bleiben ungekaut... Lifte werden ignoriert und alle Treppen eigenfüssiggenommen... auf Facebook lehne ich jeden neuen Freund ab. UND SPARGEL ESSE ICH KÜNFTIG MIT MESSER UND GABEL.
Ja, was sagt ihr jetzt?
Ich werde mich auch nicht mehr über politische Engstirnigkeiten aufregen? über dieses schablonisierte Parteiendenken, über Rechts-Intrigen nach links und linke Intrigen nach rechts? DIE KÖNNEN MICH DOCH ALLE MAL.
Ich bin offen für alles? für weitere neue Verleger, für weitere neue Chefredaktoren, für jede neue Neukonzeption, auch wenn die Dinge dann doch wieder beim Alten bleiben werden.
Das Alter lehrt dich, dass das Neue immer das Alte ist...
VOR ALLEM ABER HABE ICH MIR VORGENOMMEN, WIEDER SO SCHÖN ZU WERDEN WIE AUF DIESEM FOTO, WO HERR CLOONEY MIT SEINER KAFFEEVERKAPSELTEN VIRILITÄT EIN DRECK DAGEGEN IST.
Da hätten die Werber mal diesen schönen Menschen auf dem Bild entdecken sollen und es hätte keine Flügel vom Himmel geregnet, sondern die Welt hätte gestaunt, wie aus einem Basler Drachenbrünneli Espresso geflossen wäre und der schöne Mann? NÄMLICH ICH!? mit der sonoren Stimme einer Zarah Leander nach dem dritten Raucherhusten am Brunnentrog gesülzt hätte:
«BASILISKAFFEE? WHAT ELSIE?!»
Und sicher hätte den Elsie-Witz keine Sau kapiert, aber alle wären von der Schönheit des Werbemanns hin gewesen, und das ist doch schon viel.
Also? ich will wieder werden wie auf diesem Foto und das heisst:
Fett absaugen. Personaltrainer.
Dann täglich 20 Minuten Seilhüpfen an Ort.
UND NIRGENDWO AUCH NUR EINE KRUME VON DIESER ZARTBITTERSCHOKOLADE, DIE SO GLÜCKLICH MACHT!
Es wird kein schönes Jahr? aber es wird ein schöner Mann werden. Doch wie ich am Neujahrsmorgen den frisch gebackenen Zopf verschmähe, die Quittenkonfitüre mit den Stückchen weit von mir schiebe und das OEuf Benedikt mit der herrlichen Bechamelsauce in den Mistkübel kippe? da geht mein gesetzlich angetrauter Lebensbegleiter so in die Luft, wie die UBS-Aktien nie mehr hochgehen werden:
«JA SPINNST DU DENN MIT DIESEM DUMMEN VERSCHÖNERUNGSWAHN?
UND DAS DANN NOCH AUSGERECHNET AM NEUJAHRSMORGEN??
DIE RESTEN MÜSSEN ALLE WEG! Wir lassen in diesem Haus nichts vergammeln... da sind noch drei Schinklein im Aspik, ein Dutzend gefüllte Hühnerkeulen und Rotkrautfür vier Wochen...» Und obwohl ich mir vorgenommen habe, im neuen Jahr über den Dingen zu stehen, widerstrebt es mir doch, die von Herrn Innocent hinzugefügten Worte: «DAS IST DOCH EH ALLES HOFFNUNGSLOS? EINMAL PFLAUME, IMMER PFLAUME!»? einfach zu ignorieren.
Wie soll man da offen sein gegenüber einer Welt, die so bissig und bös ist wie eine Ansammlung von Nationalräten in den bundeshausigen Wandelhallen?
Ich habe mich also der Hühnerkeulen erbarmt und auch das durchgefettete Schinklein genossen, obwohl der Aspik schon recht säuerlich war? so säuerlich wie ich, als ich mit erhobenem Haupt über den Puddingresten verkündete:
«Okay? 1 zu 0 FÜR DICH. ABER MORGEN FANGE ICH AN!»

«Morgen» war gestern. Aber «morgen» wird auch übermorgen vermutlich wieder «morgen» sein. Denn es gibt im Leben nichts Schwierigeres, als «morgen» HEUTE werden zu lassen!
P.S. Ihr werdet wohl noch ein Weilchen mit Clooney vorliebnehmen müssen...

Samstag, 8. Januar 2011