Von einem Kuss für Blardone und Eveline im Rücken

Onkel Eugen sagte immer: «In Adelboden schiffts, auch wenn die Sonne scheint.»
GUT. Onkel Eugen ist stets ein Miesmachersack gewesen. Aber wo er recht hat, hat er recht. Nur regnets jetzt nicht. Es schneit. Und zwar Flocken, gross wie Pfannkuchen.
NUN IST ADELBODEN IM WINTER EH NICHT MEIN DING.
Ich meine: immer diese Rutschgefahr? und das mit zwei Ersatzhüften.
Dann dieses eisig Nassweinerliche in den Schuhen. Es saugt sich unangenehm in die Socken. Und da ist kein Papi mehr, dem du etwas vorheulen kannst: «PAAAAPPPIII? ICH HAB NASSE ZEHEN!» Sein Kommentar war immer: «Die habens gut? ich habe einen trockenen Hals, haha!» TROCKENER TRÄMLERHUMOR!
Klar gibt es heute diese schneedichten Skischlurpen. Aber die sehen doch alle aus, als müssten wir zur Sonntagswanderung auf den Mond. UND DIES AN ZARTEN FÜSSCHEN, DIE SCHON SCHWANENSEE GETANZT HABEN.
NJET! Da mache ich ganz aktuell auf russische Revolution.
NICHT MIT DEM SCHÖNSTEN KIND MEINER MUTTER!
Ich schlüpfe in die Mokassins, die noch vom Sommer her im Kasten stehen. WILDLEDER. Erlegter Hirsch. Und? hopphopp!? schon haben chinesische Kinderfingerchen einen Schuh daraus gemacht. MADE IN ITALY.
Diese «MADE IN»-Sache ist eh madig geworden.
Wenn Korea dein Pyjama näht und ein französischer Grossist darüber hustet, darf er schon «MADE IN FRANCE» ins Schlafbeinkleid etikettieren.
Die Welt ist so verlogen wie ihre Politiker.
ZURÜCK ZU MEINEN MOKASSINS AUS ITALIEN UND DEM ERLEGTEN HIRSCH.
Letzterer zahlt mir den tödlichen Schuss bösartig heim? und lässt mich im Nassen stehen. Die Schlarpe sieht nach vier Minuten Freiluftspaziergang aus, als wäre sie von einem tollwütigen Dackel durchgekaut worden.
ICH HÄTTE AUCH BARFUSS DURCH DEN SCHNEE WATEN KÖNNEN!
Neben mir jagt Max mit dem nervigen Elan einer Popcornmaschine im Schnee herum. Wegen Max bin ich überhaupt hier. Ich meine: Wer geht schon freiwillig an diesen Adelbodner Welt-Cup-Zirkus, wo die Fahrer jeweils die Einzigen sind, die nicht mit 3,2 Promillen auf der Piste stehen.
Da wird der letzte Hundsschopf noch zur Cüpli-Bar? auf offener Strecke werden Tonnen von Fondue im Hotdog-Brötchen verbraten, Glühweine glühen, als obs nochmals Advent wäre und kein Kaffee, der nicht so durchsichtig wie ein Negligé ist, weil er mit 1:5 «Bätziwasser» gestreckt wird: ein Teil Kaffee? fünf Teile Schnaps. Das lokale Bätziwasser ist übrigens so stark, dass die Nasa immer einen Liter davon an Bord der Marsraketen als Reservezündstoff mitführt.
Am Tag danach dann: Kotzspuren auf allen Loipen? und dieses mimosige Gelb auf den persilwäscheweissen Schneefeldern. Wie immer gabs zu wenig weisse Pissoirschüsseln an Ort. Die schneeweissen Felder boten weit herum Ersatz.
JA HOPPLA! Da durchwindet doch jeden Ästheten die Gänsehaut: Pfui Teufel? VERPISST EUCH!
Doch noch ist es nicht so weit? noch bretzeln sie die Piste auf, welche durch einen Föhneinbruch so weich ist wie das Schweizer Fernsehprogramm in einer Silvesternacht.
Max jagt in den Schneeflocken herum. «Meglio di un sogno...»? jault er immer im Glück. «Besser als ein Traum...» Nun gut. Er kommt aus der Stadt, wo schwarze Priesterröcke und stark fleckige Politikerwesten daheim sind. Da ist schneeweiss Reines selten. Und seit Jahrhunderten immer nur Theorie.
In Adelboden aber pfeifts Max das Weiss direkt an den Sack. Der römische Buskontrolleur ist ausser sich vor Freude: «Io amo Adelboden!»
JA HALLO HERR KURDIREKTOR? DAS SIND SCHLAGWÖRTER FÜR IHR DORF.
Und nicht die 97 Prozent SVP-Wähler!
Auf der Hauptstrasse dann das grosse Scheiaweia vor der Startverlosung. Alles da. Auch die Frau Bundespräsidentin. Sie stärkt dem Swiss Ski Team moralisch den Rücken. Eine wahrlich nette Geste der Frau. ABER ICH WEISS NICHT, OB ES EVELINE ODER JEMAND ANDERS IM RÜCKEN DER EIDGENÖSSISCHEN SKIASSE WAR: JEDENFALLS SIND DIE ÜBER DIE PISTEN GEFAHREN, ALS HÄTTEN SIE EIN SETZHOLZ IM ARSCH. UND DA WAR DANN NIX MIT TREPPCHEN!
«WOWWWW!», jubelte Max, «Ecco Massimiliano...»? noch eh ich ihn an die Leine nehmen konnte, wedelte er auf ein kleines Etwas zu, das mehr nach österreichischem Tilsiter als nach einem heissen, italienischen Ski-Mann aussah. Die beiden umarmten einander. Und Max zerplatzte fast vor Stolz. «Iss mein amico... Massimiliano... gib Massimiliano Bacioni fur gutes Glugg!»
Daraufhin habe ich den italienischen Tilsiter umarmt.
Am Tag darauf fuhr das Männchen aufs Podest. Es war zwar nur Bronze. Aber immerhin: Es scheint, dass ich bei Herrn Blardone mehr bewirkt habe, als Frau Eveline im Rücken der Schweizer.

Samstag, 21. Januar 2012