Von einem Hügelbrand und dem geretteten Elefanten

Es schneite. Dies Ende Mai. Und in Italien.
Ich war eben am Wäscheaufhängen. Das heisst, ich stand etwas ratlos vor den Gästeleintüchern, die plötzlich in einem eierfruchtartigen Lila im Sturmwind flatterten. LILA?
Da erst entdeckte ich das pechschwarze Hemd, das mir der Mann, der in Orbetello stets im Schatten des Bäckergässchen hockt, angedreht hatte. Ich meine, er heisst Bubu oder so. Jedenfalls hockt er, seit Orbetello ein Städtchen ist, in diesem windigen Gässchen. Bubu hat stets allerlei lustige Dinge vor sich ausgebreitet. Etwa hölzerne Elefanten.
Aber auch chinesische Feuerzeuge. Und dann Colliers aus diversen Funkelsteinen, von denen er behauptet, sie seien aus Afrika, aus dem Land seiner Vorfahren. Aber natürlich sind sie vom Obi-Bastelmarkt. Ich erkenne sie sofort wieder.
Denn Hannchen, mein Patenkind, bastelte mir immer auf Weihnachten Kleiderbügel mit diesem Funkelsteinzeug, weil das gute Mädchen schon bald einmal geschnallt hatte, dass sein Patenonkel total, ABER TOTAL auf den Glamour dieser Kleiderbügelwelt abfährt.
Wir driften ab. Das Thema war, dass Bubu mich jeden Tag löchert, ich solle bei ihm einen hölzernen Elefanten kaufen, weil man so etwas immer gebrauchen könne. Bubus Angebot ist allerdings eines der wenigen, wo ich mit frohem Herzen NEIN sagen kann.
Bubu hört mein NEIN nicht gerne. Er fragt mich weinerlich, ob ich ein Problem mit seiner Hautfarbe hätte... Ob ich einer Rechtsgruppierung angehören würde... Kurz: Bubu redet Scheiss.
DICKEN SCHEISS. Und seine Hautfarbe lässt mich so kalt wie sein elefantöses Angebot.
NA JA: DIESES THEATER HATTE ICH JA SCHON.
DAMALS MIT EINER ZIGEUNERFRAU, DIE MAN NICHT MEHR ZIGEUNERFRAU, SONDERN ROMAFRAU NENNEN MUSS. DIES AUCH IN ROM, OBWOHL SIE KEINE FRAU VON ROMA, SONDERN AUS RUMÄNIEN IST.
ALSO: Diese Roma hat mich jeden Abend gelöchert: Ich solle ihr eine Rose abkaufen... Ob ich jetzt meine liebe Tante Nettchen oder die Abwartsfrau, die Freundin eines Lovers oder Innocents einbeinige Cousine dabei hatte: IMMER KAM SIE UND HIELT MIR VOR DIESEN WEIBERN DIE ROSE HIN. Also natürlich kommst du dir dann schäbig vor, wenn du «mach die Kurve!» zischst.
Und da hat sie mich vor der Einbeinigen lauthals einen ZIGEUNERHASSER genannt.
Also? damit dies mit Bubu nicht passiert, habe ich ihm am 3276. Tag unserer Bekanntschaft einen Elefanten abgekauft.
Einfach so. Ich habe ihn nicht einmal runtergehandelt.
Und da war er so schockiert, dass er mir als Geschenk eines seiner Hemden dreingegeben hat.
KENNT IHR JA? SO BATIK-LANDSCHAFT MIT SELTSAMEN ZEICHEN UND KNOPFLÖCHERN.
Natürlich wusste ich, dass man afrikanische Batik, auch wenn sie vermutlich aus dem Land von Mao? GOTTHABIHNSELIG!? kommt, zuerst waschen muss, bevor man sich den Gräuel anwirft.
Und jetzt sind wir also am Anfang dieser kurzweiligen Geschichte: WEN WUNDERTS, DASS DIE LEINTÜCHER LILA WAREN. DIE HABE ICH MIT DEM ZAUBERHEMD VON BUBU IM SELBEN WASCHGANG GEWASCHEN. Blaue Wasserperlen tropften nun vom klatschnassen Bubu-Hemd auf den Boden...
DA SAH ICH SIE: DIE SCHNEEFLOCKEN. Die wedelten tellergross vorbei. Und sie stanken nach Rauch, als würden sie direkt aus der Hölle kommen? JA, ZUM TEUFEL, WAS WAR DENN HIER IM HIMMEL LOS? Dort war gar nichts. Aber hinter uns brannte der Hügel. Der Sturmwind verteilte die Flammen wie die Gülleschlüüch-Waggis die Mimosen.
Noch bevor ich mir ans galoppierende Herz greifen konnte, war da auch schon Gianni, unser Mann für alles und nichts.
«Jetzt hebt mal euren Arsch!», pfiff er jeden an.
«Wir müssen die Autos evakuieren. UND NICHTS WIE AB! Die Flammen sind in zehn Minuten bei uns. Dai! Dai!»
Natürlich überlegst du da nicht lange, was du mitnimmst. Irgendwie steigt dein Hirn aus, wie die Kaffeemaschine bei hoher Beanspruchung.
JEDENFALLS BIN ICH INS AUTO GEHÜPFT.
ÜBER DEN SCHOTTER IN RICHTUNG FEUERSICHERE GERÖLLLANDSCHAFT GEHOLPERT.
UND ALS ICH DANN UNSERN PINIENHÜGEL IN FLAMMEN SAH, ALS ICH BEI «Kontakte» INNOCENT drückte, da habe ich einfach drauflosgeheult.
Der brüllte in seinem Basler Anwaltsbüro herum: «WASSS ISSS... WAS... ISSS... FRÄULEIN KATRIN, HOLEN SIE MIR BITTE DIE OHREN...» Da habe ich nur noch geschnupft: «Meine Leintücher sind lila gefärbt. Und es brennt! ES BRENNT!» Seine erste Frage war: «WAS HAST DU ALLES GERETTET?»
Und da kam ich mir so schäbig vor, wie wenn ich der Roma-Zigeunerfrau den Kauf einer Rose verweigere.
Denn auf meinem Sitz neben mir war nur der Elefant, den ich Bubu abgekauft und nicht einmal runtergehandelt hatte.
«Ich habe einen Elefanten gerettet!»
«WAS ISSSS...???»
Ich fühlte mich schlecht. Und auch die Helikopter, die nun ihre Kübel ins Meer eintauchten und alles zu löschen begannen, konnten meine Seele nicht beflügeln. ICH MEINE: WIE KOMME ICH DAZU, DIESEN SCHEUSSLICHEN ELEFANTEN INS AUTO ZU NEHMEN? ZU HAUSE WARTETEN WICHTIGERE DINGE AUF RETTUNG: 72 TAFELN TOBLERONE, MEIN POESIEALBUM SOWIE DIESE WUNDERBARE WETTERMUSCHEL, DIE BEI SCHÖNWETTER BLAU ANLÄUFT, WIE HERR STEINBÖCK, WENN ER VON DEN SCHWEIZER BANKEN SPRICHT!
Aber nein: Bubus Holzelefant!
Der Mond schien bereits über der Insel, als wir wieder zurückgepfiffen wurden. Man hatte das Feuer gelöscht. Dumpf und schwarz streckten die Bäume ihre Arme zum Himmel. Da und dort loderten für einen kurzen Moment wieder ein paar Flammen auf, welcher die herbeigestürmte Hafenfeuerwehr aber energisch mit dem Schlauch Feuer-Herr wurde. Nun gut? unser Haus steht.
Aber die Umgebung ist wie die Schlussszene aus einem Weltuntergangsfilm.
Immerhin, auch die Wäsche hängt noch am Seil.
Das Lila der Leintücher ist ins Russschwarze abgedriftet. Die Fotografen konnten sich nicht sattknipsen. Als ich in Orbetello vier Tage später nach dem Schrecken auftauchte, schaute mich Bubu traurig an: «Ich habs gehört!»
Schweigend schob er mir eines seiner Hemden zu.
Diesmal dominierte ein Senfgelb. «Gib mir einen deiner verdammten Elefanten», seufzte ich.
Er lächelte. Und wir waren Freunde.

Samstag, 9. Juni 2012