Von einem geplatzten Foto-Shooting und Ugo

Natürlich war es ungewöhnlich. Die Dame am Telefon hörte sich nämlich an wie Queen Mum aus dem Jenseits.
Ich war grad dabei, die Artischocken auf Marmor breitzuschlagen (man darf sich bei jedem Hieb etwas wünschen und ich dachte mir die grünen Köpfchen konnten auch implantierte Haare und das stets sonnig lächelnde Gesicht des Präsidenten meines ebenso sonnigen Gastlandes tragen). Ich knallte also die frisch geernteten «Carciofi» mit Inbrunst auf die Marmorplatte um sie spiegeleierflach zu schlagen und danach im Öl zu knusprigen Chips zu frittieren, DA SCHELLTE DAS HANDY.
«Hello... is this Villa Ocean-Wind?»
Erst dachte ich, es sei wieder meine Freundin Marthe, die Mist baut. Vor zwei Wochen hat Marthe mich nämlich auch angerufen und sich als italienische Porno-Nummer ausgegeben. Natürlich bin ich darauf reingefallen und habe sofort zu stöhnen angefangen, bis sich die dumme Kuh vor Lachen gar nicht mehr einkriegen konnte: «Ich bins doch, das Martheli, du Aff!»
Und nun zieht sie also die königliche Mutternummer ab? ich gelassen. «Stop the rubish? ich haue eben Berlusconi flach.»
PIEPSENDES STIMMCHEN: «Ohhh?!»
Dann noch einmal: «Hello? is this Villa Ocean-Wind?»
O.k. Man kann bei unserer Hütte sicherlich von viel Durchzug reden, doch nie von einer Villa.
Dennoch lüge ich der Frau das Blaue ins Ohr:
«OH YES? AND I AM THE DESPERATE HOUSEWIFE...»
Klirrendes Lachen. Und: «Wir können auch deutsch sprechen, lieber Mann? ich bin die Annelore.
Ursprünglich komme ich aus Sachsen, als noch die Idylle hinter der Mauer war. Ich bin in Panik die Fusionsgefühle der beiden Deutschland geflohen und arbeite heute als Bild-Anreisserin in London bei «House and Garden». Von Freunden habe ich von ihrer Traumvilla gehört mit dem privaten Golfplatz, der Pferdezucht und den Azaleenhainen. Wir sind morgen auf der Matte? zwei Fotografen und ich, die Annelore.»
Da hatte sie auch schon aufgehängt.
Und wo nehme ich nun so schnell eine Pferdezucht her?
Ich rufe sofort Innocent an. Er ist schlecht gelaunt, weil die Aktien wieder einmal purzeln.
«Morgen machen die eine Homestory über uns. Wir sollten noch eine Pferdezucht aufmachen und statt der verdörrten Kakteen acht Beete mit Azaleen anpflanzen...»
Innocent lässt mich das Tief der Finanzwerte spüren: «Lass mich in Ruhe! Schau, dass das Dach kein Wasser durchlässt und streu genügend Arsenkäsewürfel gegen die Ratten!»
KANN ICH SOLCHEN HORROR ETWA ANNELORE VON «HOUSE AND GARDEN» ERZÄHLEN?
Ich rufe nach Gianni unserem Holzhacker, Wildsauvertreiber und Schlangenfänger in einem: «Morgen kommt hoher Besuch. Wir brauchen ein Dutzend elegante Vollblutpferde, zweitausend Azaleen und ein Set rosa Golfbälle...»
Gianni spuckt seinen gekauten Tabak aus: «Bei Arturo weidet Ugo. Von ihm lassen sich alle decken.»
Meine Achtung vor Arturo steigt. Ich wusste nicht, dass er Zuchtpferde führt. Ich weiss von ihm lediglich, dass die Frauen ihm den Spitznamen «il Coniglio di Mezzanotte? das Mitternachtskarnickel» geben, weil er zur letzten Tagesstunde stets vor ihren Schlafzimmerfenstern losjault, wie Kater Mauzi beim vorletzten Mal.
Als dann aber zwei Stunden später ein abgefranstvergammelter Grauesel an unsern verstaubten Disteln im Sand rumnippelte und Gianni stolz auf das vermaledeite Vieh zeigte: «Ecco, das ist Ugo!», da wusste ich, dass wir so nie und nimmer in «House und Garten» auf Hochglanz kommen würden.
Immerhin konnten wir in der Küche mit einer Ameisenzucht aufwarten. Ich hatte die lieben Wuselchen vermutlich mit den Artischocken reingeschleppt. Und nun machten sie sich zu Tausenden an meine Vorräte. Ich schlug nochmals wild auf die Carciofi ein und dachte wieder liebevoll an Italiens Präsidenten.
Schliesslich zündete ich beim Heimaltar der lieben Jungfrau eine Kerze an und haderte mit der sanft Lächelnden.
«Was für eine Scheisse hast du mir da eingebrockt... jetzt habe ich einmal die Chance in?House and Garden? in Vollglanz zu erscheinen und du schickst mir Ugo und die Ameisen!»
Daraufhin liess es die Heilige donnern und blitzen. Es regnete in Strömen durchs Dach. Und bei diesem Unwetter hätte ich beinahe den Hochzeitsmarsch meines Handys, den ich als Klingelton zu unserem 41-Jährigen aufgeladen hatte, verpasst.
Es war Annelore: «HELLO? BAD WEATHER, BAD NEWS! Bei Unwetter können meine Männer nicht stimmungsvoll knipsen. Stellen Sie die Pferde aufs Eis und organisieren Sie besseres Wetter...» Ich habe daraufhin Ugo eine Rübe gebracht. Immerhin ist er unter Seinesgleichen ein Star und kann ja nichts für den Regen.
Als am Abend wieder das Handy düdelte, wars «Glanz und Gloria»:
«Wir möchten gerne mal zeigen, wie übergewichtige Rentner ihre Pfunde loswerden und kommen morgen mit einer Kamera vorbei...»
Ich dachte schon «gottlob habe ich den Tiger-Fitting-Dress dabei», als es schrill auflachte.
Natürlich war es wieder Marthe, diese Kuh!

Samstag, 15. Mai 2010