Von einem gefärbten Schnauz und Zuhältern

Donnerstag. Früher ging's beim Haarschneider subito. Zackzack. Pinselwedeln im Genick. Fertig.
Gut. Es war auch nicht immer das Gelbe vom Ei.
Wenn ich beispielshalber Herrn Brugger anflehte, er möge es nicht allzu kurz schneiden, schaute er mich an wie die Schlage das Mäuschen.
DA WUSSTE ICH: VERLOREN! Mutter hatte bereits ein Machtwort bei ihm gesprochen.
Dann griff Brugger zu diesem surrenden Apparat, bei dem sich die Klingen so bewegten, wie Omis Dritte, wenn sie an einem zähen Stück Rindsleber rummümmelte.
Unbeirrt frass sich der Handpflug durch meine prachtvollen Locken. Sie fielen wie Soldaten im Krieg. Und aus dem Spiegel blinzelte der frohen Welt entsetzt ein Ei entgegen, das "Mamma!" flüsterte. Und mit mir kaum mehr Ähnlichkeiten hatte.
Immerhin - dieses Arsch von Brugger griff dann zu einem versilberten Fläschchen und rieb mir zum Trost mit süsslichen Tropfen die Pflötze ein.
"Du stinkst wie ein ganzes Puff" - nervte sich mein Vater beim Mittagstisch. Das war der Ärger mit dem Haarschneiden wert. Erstens liebte ich es, wenn Vater in die Luft ging.
Und zweitens wollte ich schon lange mal ein Puff sein.

Freitag. "Dein Schnauz ist grausam grau!" Das war Christine.
Christine ist die Masken-Frau im Fernsehprogramm. Und Christine wird dafür bezahlt, aus hässlichen Enten telegene Fernsehköpfe zu zaubern.
Ihre Utensilien trägt Christine in einem Lederkoffer mit sich - van Goghs Farbpalette muss ein Dreck dagegen gewesen sein.
"Wir können Dich nicht mit diesen grässlichen Schweinsborsten bringen", wirft sie nun einen vorwurfsvollen Blick. Und kommt mit einer Pomade. "Das hier reiben wir dir unter die Nase... alles 10 Minuten ziehen lassen... danach nimmt das Schnurrbarthaar die natürliche Farbe eines 40 jährigen ein - das Grau wird rausgezwungen..."
Meister Proper für Schnauzer also.
Christine kennt jetzt kein Halten mehr: "Mit dieser Pomade haben wir auch aus Trudy Gerster eine Barbie gemacht..."
ICH WILL NICHT BARBIE SEIN!

Samstag. Zu den Filmaufnahmen mit Weihnachtskind Johann Wanner werde ich also auf eine Coach gelegt. Ohne Wanner. Dafür mit Schnauzbinde.
Christine zieht nun alle Register gegen die Verrunzelung der Menschheit: Tagessälbchen... sterile Wässerchen... 2-Stunden-Liftings-Lotion... Pflaster, welche die Kopfhaut zusammenziehen und dann halten... JA SOLL ICH DENN WIE MEIN EIGENER PO AUSSEHEN?
"Schweig!", befiehlt Christine. Dann reibt sie mir den Schnurrbart mit Pomade ein. Bald schon schäumt er wie dieses neue Gesöff, das sie "Latte machiato" nennen.
Neidvoll schaue ich zum Weihnachtskind Wanner. Dem wird nur rasch die Glatze poliert. Dann ist er fertig. "Wir zeigen ihn mit Weichfilter...", erklärt der Kameramann. Und auf die Frage, weshalb man mich nicht auch weichfiltern könne, zuckt er die Schultern: "Du kennst ja unsern Produzenten... sparen... wir haben nur einen Rosafilter".
Endlich sind die 10 Minuten vorbei. Mein Schnauzhaar wird abgebraust. Sie geben mir den Spiegel - UND DAMIT DEN GONG: es ist wie damals beim ollen Brugger. Zwei entsetzte Augen schauen in etwas, das aussieht wie Omar Sharifs Grossonkel oder der Mörder von Ankara.
"Färbt das sofort wieder um!", tose ich zu Christine "das soll eine weihnächtliche Kochsendung und kein türkisches Kebab-Grillen werden..."
"Ich finde es macht dich enorm jung", meint die Maskenbildnerin etwas unsicher. Das Weihnachtskind Wanner aber lacht sich schier alle Nadeln von seinen Tannen: "Du siehst aus, als würdest Du an jeder Strassenecke die Leute anhalten und "dirty pictures... dirty pictures" flüstern. Ich kannte mal einen Zuhälter aus Izmir, der hatte genau so einen pechschwarz gefärbten Schnauzer und..."
ICH WILL KEIN ZUHÄLTER AUS IZMIR SEIN.
Sie beraten was zu tun sei. Ich werde zickig wie die Callas beim Römer Auftritt und verweigere jeden Ton. SOLLEN DIE DOCH IHRE WEIHNACHTSHAXE SELBER IN DIE PFANNE HAUEN!
Der Kameramann: "Wir könnten auf Farbe verzichten und schwarz-weiss drehen - dann kommt's nicht so arg rüber..."
Cristine weinerlich. "Ich habe da noch eine Klausenmaske - die könnte er sich überstülpen. Dann hätten wir auch schon die Sendung für den Fasnachtsmonat.
Franz, der Regisseur: "Jetzt macht hier mal keine Oper - wir schleppen ihn zu Coiffeur Brugger und dieser weiss sicher einen Rat.
Herr Brugger der dritte (der Grosssohn meines Kinderfigaros) holte Spraydosen. Er paffte schneeweisse Linien ins Schwarz - und hellte da wie dort mit ein paar rötlichen Spray-Strichen auf. Mein Schnauz sah nun aus, als sei vor meinem Mund ein Erdbeertörtchen explodiert.
Dann griff Brugger III zu einer Parfum-Flasche mit dem edlen Namen "My dream". Ich wurde besprüht, wie das Salatbeet im Mai.
"Du stinkst wie ein Puff", empfing mich das Weihnachtskind sehr unchristlich vor der Kamera. DAS HATTEN WIR DOCH SCHON!
Ok. Lieber ein Puff als der Zuhälter von Izmir...

Dienstag, 7. Dezember 2004