Von diplomatischen Zwischenfällen und «pardon!»

Donnerstag Da hat Herr Merz aber vor einigen Wochen zünftig die Arschkarte gezogen.
ALSO SO EIN MIST!
Er hat sich einfach ein bisschen zu fest entschuldigt.
Zu stark gebückt. Zu heftig geschleimt.
ICH MEINE? ER HÄTTE ES JA SCHLICHTER ANGEHEN KÖNNEN. EINFACH SAGEN: «AFFI? SORRY, DASS DIE IN GENF DIESE SCHEISSE GEBAUT HABEN, ABER ICH KANN SCHLIESSLICH AUCH NICHT ALLES EIGENBLAUÄUGIG SELBER KONTROLLIEREN...»
Damit hätte es sich gehabt.
Aber nein!
Da muss dieses Männchen (und kleine Menschen sind punkto grosse Schritte immer die schlimmsten) wichtigtuerisch nach Tripolis düsen. Dort macht der Kleine dann den grossen Buckel. Derweil malt seine First Lady zu Hause zarte Bilder, wie uns dies «Glanz und Gloria» seit Jahren in allen Ringier Regenbogenfarben hinkleckst.
BREF: ZUMINDEST ZU HAUSE IST BEI DEN MERZENS NOCH ALLES IM RAHMEN. ACH WÄREN DOCH ALLE PINSEL ZU HAUSE GEBLIEBEN.
Natürlich hat dann dieselbe Gloria-Presse aufgeschrien, unser kleiner Mann habe sich zu fest gebückt.
Und zu stark entschuldigt. Er hätte sich eben zurücknehmen und nur ein ganz, ganz klein wenig «excüsieren» sollen? ein Häuchlein von einem «Pardonnez nous», ein mini-sorrylein quasi.
Glaubt man den Schlagzeilen von damals gibt es nämlich Entschuldigungen. UND ENTSCHULDIGUNGEN.
Die von Merz war? so flucht der wilde Westen der Schweiz heute? einfach zu GROSS. Ein «pardon», klein geschrieben und klein gekocht hätte für den Tripolis-Trip-Typen mehr als gereicht.
Also, das mit der «kleinen» Entschuldigung kann ich nicht so ganz nachvollziehen. Als ich acht Jahre zählte und mir unsere Nachbarin Dorothea Gygax wutentbrannt meine Hüpfkreide die Dohle runter schickte, nur weil sie sauer war, dass ich das schön geteerte Trottoir mit einer Schneckenhüpfe verkritzelt hatte, brüllte ich sie an: «DU DUMME SAU!»
Zwei Wochen lang war ich das Thema im Quartier.
Meine Mutter nahm mich ins Gebet: «Es mag sein, dass Frau Gygax eine dumme Sau ist, weil sie dir einfach deine schöne Kreide weggeworfen hat? aber du wirst dich sofort bei ihr entschuldigen!
Denn wir müssen weiter mit Dorothea Gygax unter einem Dach zusammenleben. Und vergiss nicht: Sie leiht uns immer mal ein Ei oder ein Tässlein Mehl, wenn wir in Not sind. Wir pflegen diplomatische Beziehungen untereinander. Jeder ist auf den andern angewiesen? und da sagt man nicht einfach «dumme Sau» zu einander. Das war sehr undiplomatisch, mein schöner Sohn.»
Mutter sah mein verstocktes Gesicht und nahm meinen Kopf in beide Hände: «Ok. Das wird nicht einfach. Aber manchmal muss der Mensch eben ein Opfer bringen? der Diplomatie wegen. Sag einfach, dass es dir leid tut und denk dabei an etwas Schönes... das macht es dann einfacher...»
So nahm ich den Canossa-Gang unter die kleinen Füsschen. Klopfte bei der Gygax an die Türe. Und entschuldigte mich. «Es tut mir leid, dass sie eine dumme Sau sind...».
Dabei dachte ich an Vanilleeis mit Himbeersauce.
ICH BLIEB WEITERHIN DAS GESPRÄCH IM QUARTIER.
Zwei Monate lang verkehrten das Parterre und der zweite Stock nicht mehr miteinander. Die diplomatischen Beziehungen waren abgebrochen.
Es wurden weder Eier noch Worte ausgetauscht.
Eines Tages aber als ich bei der Türe von Dorothea Gygax vorbeizwitscherte, öffnete sich diese (die Türe). Und Frau Gygax streckte mir ein frisch gebackenes Stück Kuchen hin: «Also... ich glaube, ich hätte dir die Kreide nicht einfach wegwerfen sollen... das war ein Fehler...»
Ich biss in den Kuchen: «Sie sind keine dumme Sau», mümmelte ich. Und Dorothea Gygax nickte.
«Das ist recht...»
Ich glaube, dies war damals wohl ungefähr das, was die Presse heute unter «kleine Entschuldigung » abbuchen würde.
Ich weiss es nicht.
Ich weiss nur, dass es funktioniert hat. Und die Eier wieder ausgetauscht worden sind.

Donnerstag, 3. September 2009