Donnerstag Natürlich ist es Busch. Und Wildnis. Und schon wieder eine Herde von Fledermäusen, die sich in meinem Sonnenschirm aufgehängt haben und hier übernachten wollen. Dies am jungen Morgen!
JA HALLO? DAS IST DANN ABER EIN BÖSES ERWACHEN, WENN DER SCHIRM UND DER TAG AUFGEHEN!
Eine Flut von Grasmilben in der Billionenzahl des amerikanischen Dollar-Defizits hat beim ersten Regentag unter meiner strammen Haut Zuflucht gesucht. Drei Nächte lang habe ich durchgekratzt. Nun bin ich nur noch Schorf und Wunden.
Um in dieser Wildnis den Morgenkaffee an den Tisch sowie die Unterhose ins Bad serviert zu bekommen, beschäftige ich drei Donne di Casa.
Jeder, der hier etwas auf sich und sein Haus hält, hält sich irgendwelche Donne. Sie wischen die ausgedörrten Vipern oder die runtergefallenen Oliven vom Weg. Meine Wischerinnen heissen Anna-Maria, ihre Tochter Lida mit den beiden linken Händen (wir verwenden nur noch Plastikgeschirr) und schliesslich Loretana.
Loretana gehört nicht zur Familie von Anna-Maria. Sie hat bis anhin bei der Königin, drei Klippen um die Ecke, den Besen gerührt. Nun hat das Königshaus beschlossen sparsamer zu werden, weil irgendein Klatschblatt die Haushaltsausgaben der Krönchenträger unter die Lupe genommen hat. Der Klatsch galt mehr dem teuren Champagner (Taittinger rosé) und den wilden Partys der Prinzen als Loretana, die mit 8 Euro und 40 Cents in der Stunde kaum ins Budget fiel.
Andersrum: mit dem Putzgeld Loretanas war für die Prinzen kein Komasaufen zu veranstalten? DENNOCH HAT MAN DER ÄRMSTEN GEKÜNDIGT, UM DEM VOLK EIN GUTES BEISPIEL VON SPARENTSCHLOSSENHEIT ZU GEBEN.
Nun kam Lida ausgerechnet bei uns angeweint: «Loretana braucht das Geld, sie hat eine Familie mit vier Mäulern durchzubringen. Ihr Mann ist eine saufende Null. Die Schwiegermutter darf nur mit einem Giftschein unter die Leute? alles was sie sagt, ist tödlich. Und da sind auch noch drei Katzen und vier Meerschweinchen...»
Es waren speziell die Meerschweinchen, die Innocent rührten. Später haben wir vernehmen müssen, dass solche in Loretanas kalabrischer Familie gemästet und dann an einer Rosmarin-Sauce serviert werden...
Aber das wollte ich ja alles gar nicht erzählen? sondern: Nun ist Anna-Maria Vollwaise geworden.
Das kam so, dass sie nicht kam.
Anders: ich drückte der Espressomaschine selber auf den Knopf und war so mein ganz persönlicher George Clooney. Auch die Unterhose kam nur durch mein eigenes Zutun ins Bad. Und das war dann auch der Moment, wo mein Macho-Seelchen unruhig wurde und rief: «WO ZUM TEUFEL SIND DIE WEIBER?!»
(Gereizte Antwort aus Innocents Schlafzimmer: «Was heisst da, du hast zu wenig Kleider?!»? Er hatte wieder mal die Verstärker nicht drin.)
Als dann auch niemand den Kuchen vom Tisch räumte, rief ich Anna-Maria aufs Handy an? denn wenn die Italiener auch moderne Küchenhilfen wie Staubsauger, Dampfputzer und Zwiebel-Cutter nie kapieren wollen? das Handy haben sie alle intus. Und am Ohr.
Was ich nun hörte, war nicht klar zu definieren: SCHLUCHZEN... SCHREIE... HYSTERISCHES GELÄCHTER UND DEN BEFEHL «NEHMT IHR DIE ZÄHNE RAUS!»
Schliesslich meldete sich Lida: «Mamma ist Vollwaise geworden, Signore. Die Grossmamma ist in den Himmel entschwoben...»
Natürlich sagte sie dies nicht so wunderschön. Sie sagte einfach nur: «Die Omi ist mause...» was sich in der Sprache Berlusconis als «è morta la Nonna» anhört.
Ich flüstere zu Innocent: «è morte la Mamma».
Er: «Nein? nicht schon wieder Mortadella!»
Und dann hatte ich 24 Stunden Überzeugungsarbeit zu leisten , dass die geflickten Khaki-Shorts aus der Studentenzeit kaum das passende Tenue für den Gang hinter dem Sarg seien...
Freitag Es war heiss. Und Innocent gierte zu Toninos Bar, wo sie eiskaltes Bier vom Fass zischen lassen.
«Kommt nicht in die Tüte? wir werden jetzt in die Kirche gehen. Und uns geistig einstimmen. Ein ganz klein wenig Besinnung kann dir kaum schaden und...»
Innocent schaute mich an. Und ich sah in seinem elenden Blick, dass er das Bier der Besinnung vorzog.
Als ich die schwere Kirchentür öffnete, schlug uns Kindergeheul und fröhliches Orgelspiel entgegen.
Die Szenerie mutete an ein Dorffest. Lida stand mit einem Korb voller hausgebackener Frikadellen im Kirchenschiff und verteilte Papierservietten. Ugo, ihr Mann, schenkte Weisswein in Plastikbechern aus und Innocents Miene erhellte sich, als er auch Loretana mit einer Flasche Grappa herumgehen sah.
Zu guter Letzt, bevor sie den wunderschön geschnitzten Sarg auf die Schultern der Urenkel wuchteten, wurde im Holz ein kleines Fensterchen geöffnet. Jeder durfte auf die Scheibe der darunter liegenden Verstorbenen einen Abschiedskuss hinhauchen.
Ich kann euch gar nicht beschreiben, wie diese Scheibe nach Grappa, Bier und Weisswein gestunken hat? drei Mal habe ich tief durchgeatmet und dann auch geküsst.
Schliesslich wollte ich am anderen Tag wieder den Espresso am Tisch.
Und die Unterhose ins Bad.