Von der Tücke des Fernsehens und Fonduekuchen

Nein. Fernsehen ist nicht Schreiben. Ich meine: Hier sitze ich vor den Tasten. UND BIN GANZ ALLEINE FÜR DEN MIST IN DER SPALTE VERANTWORTLICH. Beim Fernsehen ist das anders. GANZ ANDERS. Wenn der Tonmann mies drauf ist und die Kamerafrau den Gong hat? JA HALLO! WAS KANN ICH DA TUN? Ich sage es euch: NICHTS KANN ICH DA TUN. Du bist dem Schicksal dieser geil-elektronischen Medienwelt hoffnungslos ausgeliefert. Sie bringen dich so ins Licht, dass deine Augensäcke an Kembserweg Omis übervollen Staubsaugerbeutel erinnern. Die Haare sind derart ausgeleuchtet, dass die vier, fünf Kahlstellen am Hinterkopf wie Alpenseen im Vollmondschein aufleuchten. UND NATÜRLICH ZEIGEN SIE DEIN CHARMANTES LÄCHELN MIT DIESEM OBJEKTIV, DAS DIE RAUCHERZÄHNE GELBER LEUCHTEN LÄSST ALS EINEN CHINESEN MIT HEPATITS. Nein. ES GIBT KEIN ERBARMEN. Du bist der Fernsehtechnik hoffnungslos ausgeliefert, während diese Zeilen hier höchstens noch von höherer Redaktionswarte aus entstellt werden können. Doch so etwas ist selten. Auf einer Zeitungsredaktion ist niemand Masochist genug, sich das Geschreibe der andern reinzuziehen. Man liest nur, was aus eigener Feder fliesst. DESHALB IST SCHREIBEN SO SCHÖN. UND JOURNALIST SEIN NOCH MEHR.(Obwohl dieser Beruf heute auf der Schlecht-Mensch-Skala bereits vor Politikern und gleich nach dem SVP-Sekretär kommt.) Das Allerallerletzte aber ist die Fernsehkocherei. NICHT FÜR DEN ZUSCHAUER. Der liebt das Gebrutzel. Deshalb sind diese Sendungen ja auch so gefragt? besonders heiss ist die kalte Küche. Oder Exotisches. Kommt doch heute dank Lafers Gewürzorgien kein Haushalt mehr ohne Zitronengras und Kokosmilch aus. Das sind die Maggifläschlein des 21. Jahrhunderts. Und stimmt es nicht nachdenklich, dass unsere Grundschüler mit Stäbchen besser umzugehen wissen als mit dem Löffel.
Im Fernsehen bekommst du all dieses Verrückte vorgekocht. Pfanne für Pfanne? Sender für Sender.
ABER WAS DA ALLES DAHINTERSTECKT, BIS SO EIN SUSHI ÜBERDEN BILDSCHIRM GEROLLT IST? MAMMA MIA! DA KÖNNTEN WIR EUCH DINGE ERZÄHLEN, DASS EUCH SELBST DAS FLUTSCHIGSTE OMELETTLEIN IM HALSE STECKEN BLEIBT!
Nun drehten wir also auch. Bereits: Januar-Sendung. UND DAS IST AUCH TYPISCH FERNSEHEN. Der Dreh ist, dass du deiner Zeit immer ein halbes Jahr voraus bist. Du hast gar keine Saison mehr? du bist die Erdbeere der Medienschaffenden.
Es soll also ein ganz schnelles Januar-Rezept werden. Schnellküche ist das A und O. Zumindest in einer Zeit, wo alles zack zack geht und man hurtiger seinen Lover in Torremolinos auf Skype hat als die Feuerwehr am Hörer. Also? ich nehme da vor laufendem Objektiv zwei Packungen Fixfertig-Fondue. Mische sie mit etwas Weisswein, Natron, Eiern und Maizena auf. Und dann kommt Julchen, die Kamerafrau, und rümpft die Nase: «Muskat? es fehlt Muskat!» Ich bin keiner von denen, der sagt, Kamerafrauen seien schlechte Köchinnen. ICH NICHT. Also fangen wir nochmals an. Und machen «TAKE TWO», was eigentlich eine zweite Klappe ist. Dies allerdings erst, seit unser Kameramann eins in Amerika rumgetingelt ist. Zurück in Basel, spulte er die KLAPPE verbal auf TAKE um. MAN IST JA AUCH WER. UND SELBST IN DER PROVINZ WEHT IMMER DIE SEHNSUCHT NACH DEM «WALK OF FAME».Deshalb: «Aaaaachtung? Take two. Käsekuchen! Uuuund läuft.»Nachdem ich die Nuss mit allerlei fröhlichen Scherzereien wie «ach könnten wir das doch mit unsern Politikern machen? eine gute Abreibung würde so manchen guttun», nachdem ich also die harte Muskatnuss verbal lustig abgerabst habe, unterbricht Julchen: «Solltest du nicht noch etwas Maizena mit Kirsch unter den Käse mischen?» Bei TAKE 23 stehen 22 angefangene Quick-Kuchenteige mit 6,5 Kilo verteilter Fondue-Fertigmischung vor uns. Ich habe bereits zwölf Schürzen, 18 Hemden und vier Mikrofone
gewechselt? 14 Muskatnüsse wurden zu Mehl, 40 Eier verklopft und 20 Mal haben die Kameramänner beim Witz mit den Politikern gegähnt? dann endlich klappt es: alles im Kuchen! Grossaufnahme und erleichtertes Lächeln in Kamera drei:
«UND AB IN DEN OFEN!» Wir schieben den Fondue-Kuchen rein wie Hänsel und Gretel die arme Hexe. Die Regie ruft «CUT!» Das bedeutet eigentlich SCHNITT. Und PAUSE. Jetzt heisst es warten, bis die Köstlichkeit fertig ausgebacken ist und... Es kommt nicht dazu.Es war ein bisschen viel Natron und Kirsch im Ganzen. Vermutlich viel zu viel. Ich weiss das nicht, weil ich beim Kochen nie mit dem Metermass herumfummle.
Hinter dem Sichtglas hört man einen Knall. Dann quillt Rauch aus dem Ofen. Die Küche verfärbt sich ins Schwarze. Und diesmal ist die Feuerwehr schneller als Skype mit dem Lover in Torremolinos.
«DU RIESENARSCH!»? brüllen Tontechnik, Kameraleute und die Regie, deren weisse Hemden mit der Aufschrift CREW in das Genre des verrussten Kaminfeger-Outfits wechseln. «KANNST DU EIGENTLICH NICHT KOCHEN?» Nein. Kann ich nicht. Habe ich auch nie behauptet. Und so müssen wir warten, bis die Maler die Küche frisch gestrichen und Zug den neuen Backofen geliefert hat. Wie gesagt: SCHREIBEN IST EINFACHER. Besonders Rezepte. Da explodiert immer der Ofen der andern...

Sonntag, 2. Dezember 2012