Von der schnellen Fahrt nach Neapel und falschen Katzen

Donnerstag Die Schnellbahnfahrt von Rom nach Neapel dauert kaum anderthalb Stunden. Das ist schön. Noch schöner: In der ersten Klasse bekommst du einen Espresso serviert. Dazu zwei Biscotti im Schokoladenmantel.
UND DAS ALLERSCHÖNSTE: AM SCHLUSS GEHT DER STEWARD MIT EINEM SACK VOLLER PRALINENEIERN HERUM.
Sie sind zwar noch von Ostern. Und das Datafrisch des Hoppelhasen ist auch abgelaufen. Aber einem geschenkten Osterhasen schaust du nicht auf den Schwanz!? Eben.
Als wir vor drei Wochen mit diesem Hochgeschwindigkeitszug, den die französischen Nachbarn so stolz TEESCHEEWEE nennen, nach Paris tingelten (die Strecke bis Strasbourg war eine einzige Zeitlupenfahrt und wir hätten gut und gerne auch zu Fuss gehen können)? als wir uns da im überzahlten und übervollen Zug eng wie Mundpastillen im Schächtelchen durchrütteln liessen, bekamen wir nicht einmal ein Lächeln geschenkt. Geschweige denn einen Espresso. Den schüttete diese Service-Mamsell, nachdem sie zuerst das Geld einkassiert hatte, prompt über die neuste Hutkreation meiner lieben Tante Ruth. Daraufhin rubbelte dieser kaffeesprühende Trampel mit einer Papierserviette die Strohkrempe der Tante durch, so dass diese total durchrieben und böse gelöchert bei der Gare de l?Est einfuhr. DA WAR VIELLEICHT EIN GESANG LOS, KANN ICH EUCH TRÄLLERN!
Ein Ei hats bei den sparsamen Franzosen natürlich auch keines gegeben, und dies, obwohl es kurz vor Ostern war!
Aber was ich sagen wollte: Die italienischen Hochgeschwindigkeitszüge sind bedeutend grosszügiger. Und ich bin überzeugt, dass dort nach Neujahr auch Schokoladenkläuschen verteilt werden.
ALSO SOFORT BUCHEN!
Mein neapolitanisches Hotel liegt in dieser Gegend, wo man nicht ohne geladenen Colt herumgehen sollte. So sagen jedenfalls alle Norditaliener. Aber die Norditaliener haben eh ein gestörtes Verhältnis zu allem, was südlich von Rom liegt. Hier sehen sie vor lauter Mafiosi und Camorra den eigenen Berlusconi nicht mehr.
Inmitten des spanischen Viertels gleich bergwärts zur Via Toledo gelegen, erwartet uns Pepino vor seinem Hotel de Charme. Er zieht Innocent wie einen tonnenschweren Sack voller Zitronen aus dem Taxi heraus. Der benimmt sich schon mal zitronensauer. Erstens: Es ist nicht sein Hotelvorschlag. Und deshalb ist zum Vornherein alles «mies» und «überbezahlt»? und, «dass du auch immer auf solchen Mist reinfällst».
Zweitens hat er einen längeren Disput mit dem Taxichauffeur. Dieser hat uns mit lautem Hupen an 1000 trillerpfeifenden Streik-Polizisten sowie einer vor dem Bahnhof auf dem Strassenpflaster picknickenden Schulklasse vorbeigelotst. Nun tobt Innocent. «Sag ihm, ich sei nicht blöd. Er ist einen Umweg gefahren. Ich bezahle keine acht Euros? sechs tuns auch...» Natürlich sage ich nichts. Nur: danke schön. Und bezahle dem Chauffeur zehn Euros, weil er die Sache so grossartig gemeistert hat. Der strahlt. Drückt auch Innocents Hand. Und dessen Gesicht hat gleich wieder diesen grössenwahnsinnigen Ausdruck des Besserwissers: «Siehst du? man muss nur reden mit den Leuten! Die verkaufen dich doch sonst ganz klar für dumm...»
Der eigentliche Zauber von Pepinos Hotel de Charme besteht aus Tausenden von Details. Vor der Zimmertüre liegt beispielshalber ein Katzenkistchen. Drin liegt eine neapolitanische Mieze. Die Jungen saugen an ihr. Und Innocent schaut irritiert: «Die haben sicher Flöhe...»
Ich: «Betrachte sie genauer...»
Er: «Wir hätten unsere Sheba-Reserven mitnehmen sollen...» Ich: «Wie findest du sie...?»
Er (alarmiert): «Also wir wollen keine Katzen mehr auf der Insel...» UND DANN SIEHT ER ES. UND WIRD BLEICH: «Umhimmelswillen? die sind ja ausgestopft! »
Ich: «Eben.»
Auf der Terrasse erwartet uns ein blühender Zitronenbaum.
«Darunter werden wir morgen an unserm 40. Hochzeitstag frühstücken? unter richtigen, neapolitanischen Zitronen. Ist das nicht wunderbar?»
Innocent nickt. Er übersieht, dass die Zitronen aus Plastik sind? aber der Hochzeitstag ist ja auch nicht echt. Da dieser aber seine Idee war, ist es gut so.

Donnerstag, 7. Mai 2009