Von der saumässigen Susi und BRITISH GREEN

Winter? das ist tote Hose auf der Insel.
Das Prickelndste ist das junge Olivenöl.
Und das Einzige, was läuft: die Nase der Witwe Cartucci.
Tag für Tag steht der alte Giftzahn an seinem Fischstand. Putzt diese seltsamen länglichen ­Süsswasserfische, die sie in Orbetello aus den sumpfigen Lagunen ziehen. Und die man hier NASEN nennt.
Die eigene Nase putzt Rosanna Cartucci nicht. ­Die tropft wie ein lecker Wasserhahn in das Becken mit den schlangenschlingelnden Aalen.
WEN WUNDERTS, DASS DIE MENSCHEN NUR NOCH FISCHSTÄBCHEN KAUFEN!
Es ist also winterstill. Die Villen der Reichen gähnen mit geschlossenen Läden auf den bereits grün schimmernden Hügeln. Und am Hafen schaukeln die leeren Boote gemütlich die Möwen in den Schlaf, bis ein Schuss diese weis­sen Ratten der Lüfte aufschreckt. Und sie mit diesem hysterischen Gelächter und Gekreische auffliegen lässt, das an eine besoffene Damen-Bridge-Runde erinnert.
Der Schuss setzt das Zeichen für die Jagdsaison.
WILDSAU, JETZT GEHTS DIR AN DEN SCHINKEN? HALALI!
Plötzlich ist es aus mit dieser urgemütlichen ­Januar-Schwere. Hundeherden jaulen durchs Gestrüpp. Autokolonnen mit eingebauten Kühl­lagern holpern durch die Serpentinen. Und ich meine, mich trifft der Schlag: INNOCENT TRITT IM GRÜNEN JÄGERWAMS AUS DEM HAUS: «Diese verdammte Sau hol ich mir!»
Ich habe «die verdammte Sau» Susi getauft. Susi wiegt gut und gerne einen Zentner. Und Susi hat Innocent im Sommer das Leben schwer gemacht.
Wenn er neue Rosenstöcke setzte, waren sie am Tag danach umgepflügte Wildnis.
Wenn Innocent die Tomaten hochband, waren sie 24 Stunden später Püree.
UND ALLES WAR SUSI.
ABER DAS SCHLIMMSTE KAM ERST: DIE SACHE MIT DEM RASEN. Innocent lebt auf seiner Grünrasenwelt seinen englischen Traum aus. 20 Sorten wurden ausprobiert. Es war zum Rasendwerden.
Schliesslich schleppte uns Gianni, der Gärtner, einen Grünhalm-Flüsterer an. Dieser legte sich flach auf den Boden wie der Papst im Heiligen Land, als er noch kein Rheuma hatte.
Dann schnupperte er an dieser kargen Erde, auf der nur Tausende von Ameisen ihr Glück finden. Schliesslich erhob er sich mit dem sanften Lächeln, das Geistheilern und Exorzisten eigen ist: «British Green!»
BRITISH WAS?
«Sí, Signore», strahlte der Rasen-Doktor. ­«BRITISH GREEN ist der einzige Weg, aus dieser ockerfarbigen Wüste einen Hauch von Grün herauszuzwingen!»
BRITISH GREEN wurde also in Kleinstschachteln zu 95 Euro pro Päckchen angekauft. Da der Acker die Grösse eines Fussballfelds überragt, musste eine Hypothek aufgenommen werden. ABER ­BRITISH GREEN MUSSTE ES SEIN! Darunter machte es Innocent nicht. Und drei Mal könnt ihr raten, an welchem Haushaltungsbudget diese grün­englische Scheisse eingespart wurde!
Na ja? es grünte dann so grün wie bei Eliza Doolittle in «My Fair Lady». Wir waren dafür gerüstet, beim südtoskanischen Rasenwettbewerb als stolze Sieger gefeiert zu werden. Selbstverständlich hatte (nach einer zweiten Hypothek) Gianni das nun grüne Gelände mit Gittern und Toren abgeriegelt. DENN WILDSCHWEINE HABEN ES NUN MAL MIT DEN GRÜNEN! Also wurde ein Plakat ans Gitter gebunden? darauf eine weinende Wildsau: «UND ICH MUSS DRAUSSEN BLEIBEN!»
Ja, bingo!
Da Innocent sich abends vor dem Rasenwettbewerb noch einen reinzwitschern wollte und das Tor dann zum untern Keller beim Nachschubholen offen liess, weil da alle seine Arme und Hände voll mit diesem schrecklichen Insel-Joli beladen waren? DA WAR ES DANN AUS MIT BRITISH GREEN. Susi, die Sau, hatte nur auf diesen Moment gelauert. Und sich mit sämtlichen Ebern in der lauen Maiennacht auf dem Frischgegrünten wild gepaart. Auf der allerletzten grünen Rasenfläche hat sie das «HALLIHALLO» zu den neusten Sau-Stellungen ausgerufen.
TO MAKE THE LONG STORY SHORT: BRITISH GREEN SAH AUS WIE NACH EINEM GE­­ZÜNDETEN BOMBENFINDLING.
Damals schwor Innocent Rache. Stockte eine dritte Hypothek aufs Haus. Und kaufte sich die grosse Jägerausrüstung: «DIESER SAU ZEIGE ICH ES!»
Und deshalb: NACH SUSIS HALLIHALLO NUN INNOCENTS HALALI.
Vorbei ist es mit den stillen Wintertagen.
NEIN? ES HERRSCHT KRIEG. ALS OB DIESE WELT NICHT SCHON GENUG WAFFENRADAU HÄTTE!
Tagelang streift Innocent nun mit seinen Jägerfreunden durch die Gegend. Und ich poliere ihm Abend für Abend die schweren Lederstiefel sowie die Moral auf: «Du kriegst sie schon noch... ist ja noch eine ganze Woche bis zum letzten Schuss!»
Doch dann war Schuss-Schluss.
Oder anders: Die letzte Jagdwoche war um. Und Susi wieder da. Sie kam mit einer kleinen Herde Frischlingen? dem fröhlichen Resultat aus der glücklichen Zeit auf dem BRITISH GREEN.
«ICH KNALL MIR DIE JETZT ZU BRATEN!», brüllte Innocent entnervt.
Aber ich warf mich vor die Flinte: «AUCH DIE ALLERSCHLIMMSTE SAU HAT IHRE SCHONZEIT VERDIENT... WAFFENSTILLSTAND!»
(WESHALB KÖNNEN DIE EMSIGEN FRIEDENSVERMITTLER AN DEN BRANDHERDEN DIESER WELT SO ETWAS NICHT AUCH TUN?)
Doch um auf unsern eigenen Kriegsschauplatz zurückzukommen: Morgen geht eine neue Gross-bestellung an die SUSSEX-GREEN COMPANY.
Und ein Inseratenauftrag an die regionale Zeitung «Il Tirreno»: «JÄGERAUSRÜSTUNG? PRAKTISCH NEU? ZU VERKAUFEN!»

Sonntag, 13. Januar 2013