«Diese verdammten Drecksäue!» Dieser verbal ungestüme Ausdruck von den DRECKSÄUEN kam nicht von irgendeiner politischen Seite. Sondern ausgerechnet von Innocent. Er, der die Sanftmut in Person ist? ER SINKT DA TATSÄCHLICH IN DIE NIEDERUNGEN HERUMBRÜLLENDER DEMONSTRANTEN AB. Dabei kommt seine Birne ins Auberginefarbige und das Stimmlein fiept wie bei einem Ballon, dem das Kind die Luft durch den engen, zugekniffenen Gummihals jagt.
NA DANKE.
In der Silvesternacht hat er sich noch streng vorgenommen, das Leben künftig im rosigzarten Marshmallow-Zustand zu geniessen. UND NICHT IMMER GLEICH AN DIE DECKE ZU GEHEN.
«ICH BRING DIE UM!» Wieder Innocent. Wieder in Furioso-Laune. Bebend vor Wut zeigt er zum Garten. Ich sehe abgefuckte Zitronenbäume, in denen laut Gianni, unserm Gärtner, ein elender Wurm nagt, so dass die Blätter kräuseln, wie Kembserweg-Omis Lippen, wenn sie uns den zu heissen Milchkaffee lau blies.
NATÜRLICH IST NICHT ETWA IN DEN ZITRONEN SONDERN BEI GIANNI DER WURM DRIN. DER SPRITZT DOCH NIE. UND WENN? DANN NUR BEI SVETLANA, DER RUMÄNISCHEN HAUSHILFE DER GUCCIS!
Dann sind da die Mimosen, deren zartflaumige Kugeln bereits dottriggelb und zitternd im Morgenwind zum Meer schauen.
«WEITER RECHTS!»? brüllt nun Innocent. Und jetzt entdecke ich es: DIE SCHWEINE HABEN DORT GEWÜTET!
Unsere kleine Insel im Gebiet der Maremma ist berühmt für ihre Sauereien. Berlusconi, die Agnellis, ja selbst die Nachfahren des letzten italienischen Königs leben da friedlich vereint mit den Wildschweinen. ABER DIE HABEN AUCH DIE KNETE, IHRE BURGEN HIMMELHOCH UND SCHWEINESICHER UMMAUERN ZU LASSEN.
Haben wir nicht. Tierisch betrachtet sind wir neben all den reichen Elefantengiganten die armen kleinen Mäuse in dieser Wildnis.
Und wo holen sich die Schweine dieser Welt immer den Profit?? JA BRAVO? BEI DEN ARMEN! Das war immer so. UND NUN AUCH IN MEINEM GARTEN.
Nun gut? wir müssen ja nicht in die Maremma reisen, um dieser Horde von hinterlistigen Wildschweinen zu begegnen.
In unserm Elsässer Dorf jagen sie im Januarmonat schon mal wurmgeil herumschnorchelnd durch die Friedhofwege und haben erst kürzlich das frisch begrabene «Muller Hänselei» umgespatet. Ich meine: der war ja noch nicht mal richtig kalt, als die Schweine sich über den Riesenberg von verfaultem Grabkranzschmuck hermachten.
DAS HAT DANN AUSGESEHEN? KANN ICH EUCH SAGEN! Die arme Witwe? Mullers Schuusefiin, der sie im Dorf nur «s Finnälä» sagen? die dunkel Trauergewandete also ging beim Anblick der verwüsteten Kränze und den wilden Spuren rund um das offene Grab mit einem entsetzten Aufschrei «Uhh, du güets Herrgettele...» weiss wie ein Altartuch in die Knie.
Die Ärmste musste später mit Baldrian stillgelegt werden. Da hat nicht viel gefehlt und die freie Seite neben dem Sarg mit «Hänsele» wäre schneller als erwartet auch belegt gewesen.
UND ALLES WEGEN DIESER WILDSÄUE. Oder «Sangliers», wie die Herrschaften im Lande Sarkozys heissen. In Italien heissen wilde Schweine «Cinghiali». Sie haben oft die Namen von Politikern, aber da wir ja total unpolitisch und auf diesem Gebiet hoffnungslos daneben sind, lassen wir das. Politikern und Cinghiali kann man nicht mit guten Worten kommen. DA HILFT NUR DER KAMPF. Deshalb schultert Innocent die Büchse.
Packt so viele Patronen in seinen Lederbeutel, wie selbst die pulsierende schweizerische Waffenexportidustrie in sieben Jahren nicht liefern kann.
Dann ruft er «GIANNI!» Der bekreuzigt sich. Und jammert: «NICHT SCHON WIEDER, SIGNORE?!» «Jawollll!», trompetet der Schweinekrieger. Und Gianni stürzt sich flehend vor dessen Stiefel: «Aber Signore? letztes Jahr haben sie dem Obersten der Guardia Finanza ins Bein geschossen. Daraufhin hatten wir als Revanche vier Steuerrazzias.
Vorletztes Jahr haben sie Don Alfonsos schwarzen Tellerhut vom Priesterhaupt geschossen... er hat sie lauthals zum Teufel geschickt... SIGNORE, SIE SIND NICHT FÜR DIE JAGD GESCHAFFEN! Überlassen Sie das Pipo!»
Ein höhnisches Auflachen ist die Antwort.
Und zugegeben: Pipo ist eine rechte Pfeife, was das Jagen der Wildsäue angeht. Eigentlich ist er von der Gemeinde berufen, die Insel vor einer wilden Schweineflut zu schützen. Und die fröhlichen Dinger abzuknallen... Aber Pipo feuert nur bei Lara. Ähnlich wie Gianni bei Svetlana. DA MUSS SICH JA KEINER WUNDERN, DASS WIR HIER BALD SO VIELE SCHWEINE HERUMSAUSEN HABEN WIE HERR PUTIN PRÜGELNDE POLIZISTEN VOR DEM KREMEL...
Innocent wirft mir den heissen Blick des coolen Schweinemörders zu: «Rüste schon mal Zwiebeln und Karotten? heute Abend gibts Wildsaustotzen!»
Und so trotteten der stolze Jäger und sein Adlatus (dieser in Ermangelung eines zupackenden Hundes) in die Höhen der Rosmarin-Wälder, wo sie das wild Säuische vermuteten.
Bald schon peitschten Schüsse durch die Luft.
Graue Rauchwolken stiegen über dem violablau blühenden Rosmarin. Die Möwen erhoben sich mit hysterischem Gelächter von den Felsen. Und die Schlangen streckten den beiden Knarren-Helden gereizt? ZZZZZ!? die Zunge heraus, weil man sie in ihrem Winterschlaf gestört hat.
ALS DANN AUCH NOCH DER STROM AUF UNSERM TEIL DER INSEL AUSGING, WUSSTE ICH: SIE HABEN GETROFFEN!
Was soll ich noch lange berichten: Gottlob haben wir Putins Gas aus der Bombe im Haus. So kam doch ein Nachtessen auf den Tisch. Kein Wildsaustotzen.
Aber Spaghetti aglio olio. Auch gut.
Von der Rache an den wilden Schweinen und Fehlschüssen
Samstag, 14. Januar 2012