Von der Misere in Italien und Limousinen

Den Italienern gehts mies.
Ok. Nicht der obersten Schicht. Die kotzklotzt wie immer. Mit Chauffeur im Mercedes. Und dann immer der verdammte Frust, dass die alten Römer so eng bauten. AUF DIESEM WEG KOMMT EIN STANDESGEMÄSSER ROLLS NIE STANDESGEMÄSS RICHTIG DURCH DIE KURVEN.
Nein. Es sind die Kleinen und Mittelständigen, die unter Montis Montur leiden. DER GÜRTEL IST EINFACH ZU ENG!
Klar: Der arme Staatsmann musste handeln, um die Karre aus Berlusconis Scheisse rauszuziehen.
Der steckt da nämlich so fest wie der oben erwähnte Rolls in den Kurven der römischen Altstadt.
Aber nun gehts ans Zahnfleisch. Und seit das Benzin auf zwei Euro geklettert ist, hat diese Massnahme die Strassen leerer gefegt als ein Stadtderby Lazio?Roma, wenn alles vor dem Fernseher hockt. Die Einzigen, die mit dem hohen Benzinpreis zufrieden sind: die Chauffeure der Nobelklasse. DIE KÖNNEN JETZT UNGENIERT DRAUFLOSBRETTERN. STRASSE FREI FÜRS KAPITAL QUASI!
Franco findet einesteils Monti gut. Und glaubt, dass er Italien wieder auf Vordermann bringen kann. Andererseits wünscht er Monti die Pest an den Hals. Weil die Rettung auf Francos Schultern geschieht.
DAS SIEHT DANN IN ETWA SO AUS: Unser Portiere sollte eigentlich Ende 2013 pensioniert werden. Niemand im Palazzo weiss wovon. Denn bis anhin hat Franco immer gewerkelt, als sei er in Pension. Wenn jemand den Portiere suchte, war die Portineria leer. Das Einzige, was dort lief, war der Sportkanal.
Also: Franco freute sich auf seine offizielle Absenz.
Er tat dies auch rundum kund. Organisierte bereits das Abschiedsfest. Und kaufte sich eine kleine Wohnung 100 Kilometer ausserhalb der Stadt, nahe der Autobahn. In Rom sind Wohnungen für einen Portiere zu teuer. ALSO, DIE TOURISTEN-KAPITALE VERGESSEN! Und ab in die Satellitenstädte der Provinz.
Franco unterschreibt den Vertrag für eine «Papierwohnung». So heissen hier diese Appartamenti, die erst auf dem Plan bestehen.
Die Papierzimmer sehen schön aus. Und nichts stünde der hellen Vorfreude im Wege, wenn jetzt Herr Monti nicht auf eine geniale Idee gekommen wäre: Franco muss länger arbeiten. Noch fünf Jahre. ZUM WOHLE DES LANDES UND DESSEN WIRTSCHAFTSKASSENTECHNISCHER AUFRÜSTUNG.
MIT ANDERN WORTEN: FRANCO HAT JETZT ZWAR AUF ENDE JAHR EINE WOHNUNG. DIESE BESTEHT NICHT MEHR NUR AUF PAPIER. SIE LIEGT SEIT ZWEI WOCHEN IN HARTSTEIN GEBAUT SATT AM PENDLERVERKEHR.
Unser Portiere jammert: «Ich arbeite ja gerne? aber Monti hätte mir vorher sagen können, dass er mich braucht. Dann hätte ich diese Wohnung erst später gekauft!»
Man sieht: WIR HABEN FRANCO WEITERHIN ABWESEND, ABER OFFIZIELL ARBEITEND IN ROM.
Die Frage nun: Was macht man mit einer Neubauwohnung in der Provinz, die einfach leer steht.
Mein typisch schweizerischer Vorschlag: «GELD RAUSHOLEN! VERMIETE DAS GANZE, BIS ZU EINZIEHST!»
Ein höhnischer Aufschrei. «Wenn ich andere Leute reinlasse, ist die Wohnung nach drei Jahren ruiniert. Und ein verdammtes Rattenloch? DU KENNST DOCH DIE ITALIENER!»
Klar. Kenne ich. Und weiss: Franco hat recht.
Natürlich gibt es Menschen, denen es noch schlechter geht, als einem Portiere, der nie in seiner Loge hockt.
Massimiliano ist Psychologe. Mit allen Diplomen und Doktortiteln. Er hat lange gebüffelt. Verschiedene Praktika in Jugendgefängnissen, Irrenanstalten und Psychokliniken abgespult.
ABER NIX DA MIT ARBEIT FÜR DEN HERRN PSYCHO-DOKTOR. Massimiliano kann von Glück reden, dass er überhaupt einen Frühschichtsjob als Buskontrolleur bei Atac für 1120 Euro im Monat bekommen hat. Weil Herr Monti aber nun sparen muss, werden die Kontrolleure gekündigt.
Und für 800 Euro wieder angestellt.
Aus Protest nennt sich Massimiliano nun Max.
ER HAT GENUG VON SEINEM LAND UND SCHWÄRMT FÜR FRAU MERKEL.
Immer mehr sieht man in der Kapitale alte Menschen mit Kartonplakaten: HO FAME. Und immer länger werden die Schlangen, die vor den Klosterpforten anstehen, um ein Gratis-Mittagessen zu bekommen. Früher warteten vor der Essenspforte Menschen aus Afrika und Indien.
Heute stehen auch die Italiener an.
In der italienischen Upper- and Political-Class merkt man nichts von dieser kursierenden Armut.
Da entdeckt das Auge höchstens Mal einen Tamilen, den man als Schwarzarbeiter fürs Putzen engagieren könnte.
Im Haus der Principessa bedient wie eh und je ein ebenholzfarbiger Nubier am Tisch. Dies in heller Gala-Livree mit goldenen Knöpfen. Und natürlich mit Handschuhen, die bei jedem Gang gewechselt werden. Der Schwarze sieht in der Uniform wie seine eigene Operette aus. Und die Principessa nickt lächelnd zu ihren Gästen: «Passt er nicht allerliebst zum weissen Tischmilieu?»
Natürlich hat auch Herr Monti, so wie die Principessa oder diese deutsche Grün-Abgeordnete Rot einen Chauffeur. Und drei Bodyguards.
Es ist immer einfacher, die Welt hinter den schwarzen Limousinenscheiben zu verändern.
Die Principessa will es nicht.
Die Politiker können es nicht.
Und wen kümmert schon ein Massimiliano, der sich plötzlich Max nennt.

Samstag, 5. Mai 2012