Von der Maus in der Pfanne und dem geistigen Blick

Donnerstag - Die kleine Maus sass in meiner kupfernen Saucenpfanne. Ihre gufenkopfgrossen Augen standen ihr gierig aus dem Kopf. SIE GEILTE NACH DEM KÄSE VON MONSIEUR ANTONY. Und die mausige Gier erinnerte mich an den verzehrenden Blick meines Freundes Innocent, wenn er in seinen weinseligsten Phasen einer Flasche Rioja nachschaute.

DOCH DAMIT IST ES NUN PASSé!

Seit er diese Gleitmittel für die neuen Knieschrauben und die Dämpferpillen fürs innere Getriebe einnehmen muss, ist Bruder Alkohol auf der Out-Liste. Die alte Schnapsdrossel hat nun auf dem trockenen Weg tatsächlich 17 Kilo abgenommen. IST DAS EINE GERECHTIGKEIT? Unsereins hat schon beim Anblick eines Cola light drei Pfund auf den Hüften - UND DER BAUT EINFACH DEN ALKOHOL UND SOMIT 17 KILO AB. «Ein Mineral OHNE», flötet er zur Bedienung. Die herrlichen Blubberchen könnten ihn ja blähen. «Und einen Espresso mit zwei Assugrin, wenns beliebt», zwitschert er der geplagten Service-Frau gestelzt nach. Ich verkneife mir die Schwarzwäldertorte und bitte Gott um Verzeihung, wenn mir terroristische Ideen kommen, die sich um Innocents Gehstöcke drehen...

ZURÜCK ZUR MAUS.
Erster Gedanke: Ich muss nachher unbedingt die Saucenpfanne waschen. DAS IST JA WIDERLICH.
Zweiter Gedanke: Grilliert man Mäuse oder werden sie à la Popote mit Eschalotten serviert?
Dritter Gedanke: UND WENN DIE NUN IRGENDWO JUNGE HAT?!

Dann aber: «EIINE MAUUUUS!! EIIINE MAUUUS!» Das kleine Nagetier bleibt wohl unbeweglich, zittert aber wie Othmars Lumpi, wenn er spitz ist und eine heisse Pudeldame am Gartenhag vorbeitänzelt. Der geile Mäuse-Blick hat sich nun in Panik verwandelt - wie der Freund, der vom Ehemann im Kleiderkasten der Gattin überrascht wird (o.k. - diese Pointe stammt von IKEA und aus der Zeit, als Sex noch Spass machte).

«EIIINEE MAUUS!» - schreie ich wieder.
Endlich höre ich oben die Toilettenspülung. Und Innocent (ächzend): «Was ist mit Klaus?»

«HIER HOCKT EINE MAUS IN DER PFANNE!»
«Na ja - er hat immer mal wieder eine Panne?»

Dann gehts Gerumpel los. Die Stöcke rasseln wie in der Folterschau. Und «tagg... taggg... taggg» klopfen die Schritte bedächtig die elsässische Holztreppe runter.

«Wir sollten hier einen Lift einbauen», schnauft Innocent, schaut dann aber verächtlich auf meinen Bauch und verklemmt sich die Idee: «Andrerseits ist die Treppe noch dein einziger Sport und... EINE MAUS... EIIINE MAUUS... HAST DU DIE MAUS GESEHEN!» Die arme Kleine zittert noch immer. Innocent streckt den Stock in Richtung Saucenpfännchen. «NICHT!» - schreie ich auf, «WEHE, DU KILLST SIE?!»
Er schaut mich mitleidig an: «Ich jage sie nur aus dem Haus - du Dummi», «ich habe schon gestern drei verjagen müssen. Wir haben da irgendwo ein Nest!»

Aber die kleine Maus dachte nicht daran, verjagt zu werden. Mit einem panischen Hüpfer speedete sie hinter die Maggiflasche - und über den Thomi-Senf ab in die Kiste mit den Trockengewürzen.

«Ich gehe jetzt aus dieser Küche», rufe ich Innocent hysterisch zu, «und wenn ich zurückkomme, ist dieses Mausevieh verschwunden - kapiert?!»

Vor der Türe treffe ich Brigitte. Sie ist Vétérinaire und in unserem Elsässer Dorf mit jeder Kuh auf Du. Überdies ist sie aus Paris und bringt etwas Nobles in den Stall.

«Chez un souri derrière le Maggifläschli», erkläre ich aufgeregt. «Innocent doit la chasser uusen avant sie an les Naudeln geht...» Aus dem Innern des Hauses ertönt wieder das Gerrassel der Gehstöcke. Dann kracht es. Innocent flucht unschön und ich treffe ihn am Boden liegend neben dem Fass mit der Essigmutter mindestens so sauer wie deren Inhalt: «Ich bin gekippt, als ich das Biest mit dem zweiten Stock aus der Zuckerbüchse klopfen wollte...» Neben dem Bedauernswerten lag eine Flasche Beaujolais in Scherben. Der Wein rötete ganz sanft die beige Leinenhose. Und Innocent schaute mit ebendiesem gierigen Blick zur roten Weinlache wie vor ein paar Minuten die Maus zum Käse.

Freitag - Als ich am Mittag die Flammenkuchen für unsern Besuch zubereiten wollte, traf mein gutes Herz doch schier der Schlag: EINE KATZE HOCKTE IM KARTOFFELKORB.

Sie gähnte mir entgegen wie Innocent, wenn ich ihm meine wunderbaren Ergüsse vorlese.

«EINE KATZE IN DEN KARTOFFELN!», rief ich nach oben.

Dann Gehuste. Und: «Natürlich kratzen deine Pantoffeln, wenn du sie nie putzt...» Später stellte sich heraus: Minouche ist eine Leihgabe der Veterinärin. «Elle est une chasseuse formidable!», erklärte der Schick aus Paris. «Elle apporte même des rats et...» RATTEN... MÄUSE... UND JETZT NOCH DIESE PARISER KATZE...

Verehrtes Publikum - HERRRRREINSPAZIERT. Der Zirkus findet hinter dem Maggifläschlein statt!

Dienstag, 16. August 2005