«In der Wachau hots an gonz feiner Tropfen...»
Herbi strahlt uns an. «Und? Hobts Lust?» Nun ja. Mir sind Topfen lieber. Das ist österreichischer Quark und kein Fernsehprogramm. TOPFENKNÖDEL SIND DIE WATTEZARTEN KUGELN DER ENGEL! Innocent neigt da mehr zum Tropfen-Typ. Allerdings hat er über österreichische Weine bislang stets gerüsselt. Herbi pufft unseren Freund nun in die Weichteile: «Und die Wachauerinnen saans alle so siess wia Zwetschgendatscherln!» Na, das muss man dem alten Hallodri nur einmal husten. So etwas kapiert der ganz ohne Verstärker.
«Dallidalli? wann fahren wir?», pufft er Herbi zurück. Und schon hat Herbi seinen neusten Porsche gesattelt: «Y präsentier euch zum mittags die olten Klöster mit den fetten Mönchsmännern drin... und obends gehts dann zu den Weibsbüldern und obb die Post!»
Herbi hat immer mal wieder Notstand. Er ist der Angetraute von Liesel. Dies seit 40 Jahren. Deshalb der Porsche. So quasi als rassiger Ersatz. Ich meine? wenn einer Liesels «au mei, bin y net e feschs Dirndel»-Gepiepse 14'600 Tage ohne Gallenkolik ausgehalten hat, darf er zur Belohnung sogar in einem Ferrari ins Paradies brettern. Da Herbi ein hohes Tier bei einer österreichischen Gesellschaft ist, bekommt er den Porsche eh umsonst. «Ist olles Gschäftsspesen», grinst er. Und steuert die Karre an den Steuern vorbei.
KENNENWIRJA! Dazu kommt dann das Gejammer, die Gesellschaft habe «rückwärts» gemacht. Und keine Boni für die Arbeiter.
ICH MEINE, DA MUSS MAN NICHT DAS SCHÖNSTE KIND EINES GEWERKSCHAFTERS SEIN, UM SO ETWAS ZU VERURTEILEN.
Nachdem ich naserümpfend die soziale Welt in Ordnung und Herbi meine Meinung gehustet habe, ergebe ich mich dem Protz. UND GENIESSE DAS UNGERECHTE DIESER WELT!
Ich drapiere mich genüsslich im Fond, der nach frisch poliertem Leder duftet. Als Gipfel des Glücks hat Liesel uns alle noch mit lauwarmen «Heidelbeer-Küächerln» versorgt. Und wenn ihre Erscheinung auch immer wieder nach einem Giftschein schreit, so muss doch jeder neidlos gestehen: KEINE KANN ZUPACKEN UND ZUBACKEN WIE SIE! Ich lümmle also kauend in den eierschalenfarbigen Ledersitzen und ziehe mir das Parfum von Luxus und Liesels «Opium» ein. MAN DARF MIR ABER NICHT UNGESTRAFT IN EINEM NEUEN PORSCHE HEIDELBEERKÜCHLEIN IN DIE FETTEN FINGER DRÜCKEN. Schon verschmiert der versaute Kleckerer das kostbare Leder mit den «Beeren-Schmankerln», sodass ein Teil der Edelkutsche bereits bei seinen ersten 20 Kilometern gesprenkelt ist, als wäre ein Miststock drin explodiert... Innocent versucht mit Feuchttüchlein die hässlichen Flecken wegzuwischen. Aber auf wunderbare Weise färben die Heidelbeeren das eierschalige ins aubergin-rötliche, sodass unser Teil des Autos bald einmal wie ein drohendes Gewitter aussieht. Spätestens jetzt merkt Herbi, dass das mit der Wachau und den Datscherl-Weibern doch keine so bombige Idee war.
«Des mocht doch gar nex», trällert Liesel nach hinten, «der Herbi kauft sich morgen a neus Wagerl... und do well y denn su purpurige Polster, wu zem Lippenstift possen tuen... wozu hobe mer denn mei Lipperl so scheen aufsprützen lossen?»
WO SIE RECHT HAT, HAT SIE RECHT.
Herbi ist auf dem Rest der Fahrt eher schweigsam.
Nachdem ich in sechs Klöstern für alles auf dieser Welt Busse getan habe, taut auch Herbi wieder auf. Und bringt uns zum «Wachau-Loisel», der für seine preiswerten Weine berühmt ist.
Innocent darf probeschlückeln.
ICH HASSE SOLCHE WEINPROBEN. DA TUN ALLE SO WICHTIG. SIE GURGELN MIT DEM ZEUG, ALS WÄRE ES ODOL. DANN PALAVERN SIE VON ABGANG. UND ZUGANG. UND HINGANG. Verzückt schmecken sie «verdörrte Kamelien» und «Rauch vom Zandernholz».
DABEI: WENN ICH DAHEIM EINE PAFFE, BAUT INNOCENT DIE TOTALE KRISE.
Hier aber: «Herrlich dieser neblige Ton nach alter Eiche... davon nehmen wir vier Kisten!» Und dies wo unsereins schon für die Anschaffung eines Maggifläschleins vor ihm auf die Knie gehen muss.
Mit den zwetschgigen Datscherl-Weibern wurde abends dann nichts. GAR NICHTS. Die Weinprobe war weniger zur Probe als zum Ernstfall ausgeufert. «So billig kommen wir nie mehr zu einem Vollsuff!», hatte Innocent unserm Porschefahrer zugeraunt. Und dann schluckten sie sich durchs Programm. Obwohl die Wachau-Loisel sie mit einem Eimer verfolgte, sie möchten doch die Sache «raussispucken», machten sie das Gegenteil. ALLES INTUS. Die Köpfe der beiden hatten erst das Rot, das sich Liesel für die neuen Porsche-Polster wünschte? dann das Violette von verschmierten Heidelbeeren...
Natürlich weigerte sich Herbi, mir die Schlüssel zum Wagen anzuvertrauen? «wenn du schu kaa Beerenschnitterl essen konscht, wie wiusch denn autofohrn?»? lallte er. Und die beiden Männer konnten sich über diesen miesen Angriff auf eine unschuldig verfressene Kreatur vor Lachen kaum einkriegen. Doch dann kam die Garagenabfahrt zum Hotel. Und eine Rechtskurve...
Es donnerte. Knallte. Dann explodierte die Frontscheibe in hunderttausend Splitter. Innocent schrie nach seinen vier Kisten grünem Veltliner. Und Liesel war total von der Rolle? sie schaute fasziniert auf die zertrümmerte Scheibe:
«Dös isch wie baam Swarovski... mer haan e nechter Swarovski-Scheiben... dös isch Prunk... dös isch schick!» Als sie die defekten Eingeweide des Porsches abführten, schaute der Pannendienst-Mann ins Innere der Karre. Er nickte anerkennend zu Herbi: «Oh, ein viola Innendekor, das ist aber selten... ausgesprochen elegant!»
Na bitte? wer sagts denn!
Von der Fahrt im Porsche und einer Swarovski-Windschutzscheibe
Samstag, 1. Oktober 2011