Von der einseitigen Aufwertung einer Gasse oder Die Pein hat sich gelohnt

Freitag - Die Gasse sah am letzten Tag ihrer Teerung aus wie in einem dieser Filme, wo das Übel über die Menschen und das Elend in die Strassen gekommen ist.

Alles leer gefegt.
Keine Menschenseele weit und breit.
Nur ein Köter, der mit eingezogenem Schwanz den Häusern entlang jault.

SO ZEIGT SICH DIE BIRMANNSGASSE NACH EINER ZWEIJÄHRIGEN ZERRISSENEN LEIDENSZEIT.

Sie haben sie aufgerissen.
Sie haben sie zugeteert.
Sie haben sie aufgerissen.
Sie haben sie zugeteert.
Sie haben sie aufgerissen.
Sie haben sie zugeteert.

In einer Broschüre hat uns das Baudepartement vor vielen, vielen Monaten einmal erklärt, dass unsere miese Gasse nun aufgewertet würde.

DAS IST NICHT NICHTS!

Wir freuten uns riesig. Denn: eine Broschüre zeigte unsere Strasse mit Bäumen und viel Schönem in Hochglanz. Es müsste wunderbar sein, in so einer hochglänzigen Strasse leben zu dürfen.
Auf der Broschüre waren keine Schmierereien an den Wänden.

Auf der Broschüre gabs auch keinen Verkehr. Nur ein Velo stand einsam im eigens dafür hinkomponierten Ständer. Dieser schöne Ständer war einem Beamtenhirn am Schreibtisch entsprungen. Vermutlich pendelt der Beamte jeden Tag mit seinem Auto von Aesch bigott direkt auf den Münsterplatz in den Park-Hof des Baudepartements. Und dort ist ihm dann die Idee mit dem Veloständer und der schönen geteerten Birmannsgasse eingefallen.

Beamtenhirne hirnen selten - doch wenn sie hirnen, hirnen sie das Schöne auf diese trübe Welt.

Samstag - DER STAAT HAT MIR ALSO EINE SCHÖNE BIRMANNSGASSE HINGEHIRNT. Dafür bin ich ihm dankbar.

Zwei lange Jahre meines Lebens haben die Beamten an meinem Nerv und im Asphalt gebohrt. Vier Meissen-Tellerchen sind von der Wand gehüpft und Lindas Porzellan-Elefant besteht nur noch aus Scherben. Egal. Wir wissen: ES IST FÜR DIE GUTE SACHE.
Dann endlich, endlich, rief das Baudepartement auf dem neu geschaffenen Platz zur Pressekonferenz bei Espresso und Gipfel, um der Welt kundzutun, dass die Birmannsgässler nun aufgewertet und die Sache schön geworden sei.
Gottlob haben sie es kundgetan. Ganz von selber hätten wirs nämlich nicht gemerkt. Wir haben jetzt wohl ein nettes Plätzchen in der Strasse. Und ein paar Rabatten, in denen das Unkraut wuchert und die Hunde, na ja, Sie wissen schon? doch ansonsten ist es: der alte Gassenhauer von einst.

Als Sahnehäubchen haben sie dann aber noch einmal alles abgesperrt. Die Strasse wurde zum 29. Mal frisch geteert. Kein Auto durfte fahren. Kein Velo stehen. Zwei Beamte haben rund um die Uhr 48 Stunden die Birmannsgasse bewacht, damit keiner auf dem frisch gelegten Asphalt irgendwelche Spuren hinterlässt. Es war dieses Wochenende, als ich zwölf Harassen Mineralwasser einzeln aus der Socinstrasse in den Keller buckelte, weil der Lieferwagen nicht vorfahren durfte (s. oben).

ABER DIE PEIN HAT SICH GELOHNT. Mein Trottoir ist nun rabenschwarz wie die Seele des Teufels.
Die Strasse ist es auch.
Auf der andern Seite, wo die Nummern ungerade sind, ist das Trottoir allerdings die alte, vergammelte Sache von einst geblieben: Schrott mit Flicken.

«Wann kommt das dran?» - frage ich den Vorarbeiter, einen sonnigen Menschen, der mittlerweile die Familiengeschichten der ganzen Strasse kennt. Ich erwarte die 30. Teerung.

ABER TRUGSCHLUSS.
«Da kommt gar nichts mehr?», sagt der Mann fröhlich.

Ich schlucke. Und stelle den Kamm: «Aber ihr wolltet uns doch aufwerten. Ihr habt jetzt zwei Jahre lang geteert, gedampfwalzt, gelöchert und gepresslufthämmert. Die eine Trottoirseite ist endlich frisch aufgemotzt. UND WAS IST MIT DIESEM ALTEN TROTTOIR HIER?»

Der Mann im Überkleid mit der Farbe einer apulischen Orangenplantage ist untröstlich: «Wir hätten das gerne auch noch gemacht - aber der Staat hat kein Geld mehr. Es reicht eben nur für ein neues Trottoir auf der geraden Seite?» Dann zwinkert er mir zu: «Das bezahlt überdies die IWB, weil die hier aufreissen mussten?» Ich hadre nicht, ich frage nur?

Ich will auch nicht undankbar sein: besser ein neues Trottoir als gar keines. Und besser leere Rabatten als volle Staatskassen. Irgendwo muss das Geld ja verhämmert werden.

Aber ich kann nun doch die «paar wenigen Leute» (so lese ichs in meinem Lieblingsblatt) verstehen, denen beim Aufruf: «Lasst uns den Rütimeyerplatz aufwerten», die Haare zu Berge stehen.

HALLO IHR RÜTIMEYER! Freut euch auf eine bohrende, hämmernde Zeit.
Und erkundigt euch vorher genau, ob noch genügend Geld in der Kasse für beide Trottoirseiten vorhanden ist?

Dienstag, 9. August 2005