Klar. Ich bin nur wegen Roger gegangen. Roger war ich Max schuldig. Max geht mit Roger ins Bett. Und wacht mit Roger auf. Er kennt seinen aktuellen Pulsschlag. Und auch die Marke des Deosticks, den sich das Tennis-Ass unter den Arm rubbelt. MAX IST DER ABSOLUTE FEDERER-FAN! Sein Arbeitszimmer, wo er nachts wie beim billigen Magiertrick ein schäbiges Klappbett aus einem Kasten runterzieht, ist überpflastert mit Roger-Bildern. Roger-Artikeln. Roger-Fan-Shirts. Natürlich gehört Max dem Roger-Federer-Club Lazio an. Und hat auch ein Kaffeetässchen mit dem Namenszug des Schweizer Tennisstars. Dabei trinkt Max nur japanischen Grüntee. Max ist ein Gesundheitsjunkie. Und unter uns gesagt: Mit seiner «aufbauenden» Green-Tea-Brühe könnte er jeden Federer-Gegner schon vor dem ersten Aufschlag lahmlegen? UNGENIESSBAR! ABER: «gut für die psychische Mitte!» Im Zimmer von Max kugeln überall die gewickelten Schokobällchen von Lindt herum? dies nur weil sie der Tennisstar in seinem Werbeköfferchen mitträgt. Max kann mit Schokolade nichts anfangen. Dennoch lässt er die Lindt-Kugeln rollen. Es ist das Rollen-Verhalten eines ergebenen Fans. So konnte ich nun wirklich nicht Nein sagen, als sich die Chance für Max in Form eines knackigen CEOs der alternativen Energieversorgung darbot: «Du kommst doch an den Final, wenn Roger spielt... nach dem Sieg schaut er kurz in unserer Lounge herein. Wir sind Sponsoren.» JA HALLO? DA TELEFONIERTE ICH ABER SOFORT MIT ROM UND FRAGTE, WAS MAX SICH VERBAL DENN SO AUF EINER ROGER-AUTOGRAMMKARTE WÜNSCHE. Zuerst weinte der Gute erschüttert von so viel Glück. Endlich schnüffelte er «Ach, nur?FÜR DEN RÖMER MAX VON ROGER?.» Und dann etwas undeutlich, weil das Handy nur noch einen Strich auf der Empfangsstärke anzeigte: «... wenn du DAS auf die Reihe bekommst, hast du bei mir sieben Wünsche gut.» «Ist gebongt»? gab ich die frohe Kunde durch. Und schrieb CEO Maurizio, ich sei gerne beim Final dabei, auch wenn ich mein Badewasser nicht mit Solarenergie, sondern aus der Dose heizen würde. Und natürlich würde ich dann gleich mal ein 12-teiliges Kugelschreiberset für Roger mitbringen.
Innocent regte sich schrecklich auf, weil ich wegen «Max aus Rom» so ein Affentheater veranstaltete. Ich borgte mir nämlich sein iPhone mit der eingebauten Kamera aus. Und wollte Max mit einem lässig durchgesendeten MMS-pic «ROGER (links) UND ICH» überraschen.
«Der arme Federer wird doch auf der ganzen Welt von seinen Fans belagert», redete Innocent jetzt auf mich ein. «Der Gute kann nur als Wäschepaket getarnt durch den Lieferanteneingang ein Hotel betreten. Und du willst ihn wegen dieses Verrückten aus Rom mit Autogrammwünschen anmachen? LASS UNSERN FEDERER EINFACH IN RUHE.» UNSER Federer? hat er gesagt. Roger ist geschütztes schweizerisches Allgemeingut wie das Rütli oder ein Enzian. Dabei hätten wir doch noch den Almi oder die Frau Widmer-Schlumpf. Und keiner gründet da einen Fan-Club in Lazio. Na ja? jedenfalls hat mich der CEO in seinen Armen ausgerungen und gestrahlt, es sei meganett, dass ich komme, und ich solle mir jetzt mal den KÄFER reinziehen. Denn von diesem war das Catering. Dann sass ich drei Stunden lang an diesem Spiel, das von links nach rechts und von rechts nach links ging und von dem der Moderator später sagte, es sei der wohl wahnsinnigste Match in der Geschichte des Basler Tennis gewesen.
Das muss wohl stimmen. Aber wer nichts von Tennis kapiert, lässt die Blicke wandern. Und diese Blicke blieben auf meinem Nachbarn haften. Das war ein etwa 10-jähriger Junge, mit rötlichem Gummiarmband, auf dem in Grossschrift «ROGER» stand. Der Kleine schaute so gebannt aufs Spiel wie einst die Kembserweg-Omi auf die Leinwand, wenn Humphrey Bogart zum Küssen ansetzte. Dabei kaute er sich sämtliche Fingerkuppen wund, sodass ich es mir nicht verkneifen konnte: «Wenn du dir so die Nägel beisst, bringt das Christkindlein nur Unterhosen!» Darauf ein wütender Blick auf mich: «HALT DEN RAND, DU ARSCH!»? Denn Roger lag leider ein paar Punkte hinten. UND DAS WAR, ALS HÄTTE BLOCHER EINE WAHL GEWONNEN! Ich habe dann nur so viel kapiert: knapp, aber fair verloren. Der andere spielende Herr aus Argentinien schluchzte total ausgepowert ins Mikrofon: «Das ist mein grösster Tag? aber Roger ist der Grösste. Er ist DAS Tennis!» Nun galt es den Auftrag zu erfüllen. Ich beutelte meinen Packen Autogrammkarten sowie das Kugelschreiberset. Und ging zurück in die Lounge. «Er kommt nur, wenn er gewinnt!», stöhnte der Energy-CEO auf meine Frage, wo der Champion bleibe. «Das ist so im Vertrag...»
Da stand ich dann mit meinen Kugelschreibern sowie einem Foto mit dem winkenden Max vor der Fontana di Trevi. «Roger lässt dich grüssen!», schickte ich ein SMS nach Rom.
Max konterte sofort: «DIESE PFEIFE HAT VERLOREN. ICH GRÜNDE JETZT EINEN VETTEL-CLUB? ER IST DER GRAND PRIX.» Von meinen sieben Freiwünschen war nicht mehr die Rede. Ja, was hält man davon? Das Leben ist undankbar. Und man muss sich an das halten, was es bieten kann? in diesem Falle sind es noch 350 Lindt-Kugeln neben dem Klappbett vom neuen Römer Vettel-Fan. Ist ja auch etwas.
Von der Bitte um ein Federer-Autogramm und dem absoluten Fan
Sonntag, 11. November 2012