Wie gesagt: Der Big Apple war SEINE Idee.
Ich bin da weniger der Kaffee-im-Pappbecher-Typ.
Er schon. Er hat hier gelebt. Gearbeitet. Seine ersten Anwaltssporen abverdient.
UND DA WOLLTE ER DIES ALLES NOCHMALS DURCHNOSTALGIEREN.
Ich war von Anfang an dagegen. Denn man kann die Vergangenheit nicht durch den Apnoe-Schlauch zurückatmen...
Natürlich ging es um Donald. Der ist Künstler.
Daneben war er Innocents Lover in der Manhattan-Epoche. DAMALS SOLL JA NOCH ZÜNFTIG DIE POST ABGEGANGEN SEIN.
«Wir besuchen ihn in seiner Künstlerwohnung», schwärmte mir Innocent immer wieder vor. «Die Wohnung liegt direkt am Hudson River. Eigentlich ist alles ein Museum? vollgestopft mit Sammlungen. Und Donalds Werken. Larry Hagman hat die Bleibe samt dem chinesischen Opium-Bett für einige Millionen Dollar vor-aufgekauft, um es nach Donalds Tod einem Museum zu vermachen. So wird Donald stets weiter leben. Wie in meinem Herzen...»
HÖRT!HÖRT!
Innocents Beaujolais-Backen glühen wie das Abendrot: «Kennst du Larry Hagman? das ist doch der Fiesling aus dem Denver Clan.»
NIE BEGEGNET. MIR GENÜGEN DIE FIESLINGE DES BASLER CLANS.
Bevor wir die museale Gruft von Donald aufsuchen und ihm eine Schachtel Whisky-Trüffel sowie die Grüsse seiner grossen Schweizer Sammlerkultur- und Kunstgemeinde überbringen, schleppt mich Innocent durch all diese Strassen, wo er vor einem halben Jahrhundert im 17. Stock gehaust hat.
«Es war eine möblierte Einzimmerwohnung», schwärmt er mir vor. «Und als 1966 der Strom ausfiel, musste ich alle Stockwerke hochlaufen...»
MÖBLIERTE EINZIMMERWOHNUNG? STROMAUSFALL?? Also, da wäre aus UNS beiden nie etwas geworden.
Natürlich suchen wir jetzt alle diese Coffee-Buden auf, wo er sich jeden Morgen ein «poached egg» auf wattige Brötchen eiern liess. Mein Zuckerspiegel liegt bereits unter dem Hudson, bis er endlich vor einer Bude stehen bleibt, die «Devon and Blakely» heisst: «Also früher war das da nur so ein Stand...»
FRÜHER VIELLEICHT.
Aber jetzt ist es ein trendy Müsli-Palast, wo sie handverlesenes Korn unter den Joghurt mischen und bei jedem Kaffee nach deinem Namen und der Röstungsnummer fragen. Das Resultat tönt dann in etwa: «HI MINU... YOUR COFFEE NUMBER THREE... HAVE A GOOD DAY.»
Der Kaffee ist allerdings nicht dazu auserlesen, einem den Tag gutzumachen. Trotz Nummer «3».
Bei Omi wäre er unter «Muckefuck» eingestuft worden. Aber ich war um den Beagle froh, den sie mir dazulegten. Dieser war nämlich heiss geröstet. Mit Butter durchtränkt. Und mit vollfettem Cottage Cheese verbuttert.
ALSO, DAS LIESS ICH MIR GERNE GEFALLEN.
Nun muss ich euch sagen, dass der New Yorker Winter wirklich kalt ist. Ich meine: SO ETWAS VON GEFROREN, DASS DU NICHT NUR IM ROCKEFELLER CENTER AUFS EIS GEHST!
Weisse Dampfwölkchen aus Millionen von Mündern ersetzen den Zigarettenrauch von einst. Und du frierst dir derart den Arsch ab, dass einem jede Strawberry-Icecream in diesem Zustand wie ein Glühwein vorkommt.
UND NATÜRLICH ALLE TAXIS BESETZT!
Es gibt ja nirgendwo auf der Welt so viele Taxis wie in New York. Doch in jedem hockt schon immer einer drin. UND DANN SPULST DU MIT DEINEN WUNDEN ZEHEN EINEN BLOCK NACH DEM ANDERN AB, NUR UM PÜNKTLICH ZU MARY POPPINS ZU KOMMEN.
Die hats natürlich gut. Schirm auf. Und ab! Wir aber winken uns die Arme aus den Gelenken und Innocent jammert daneben: «Früher haben sie immer gehalten... früher haben sie immer gehalten!»
ABER JETZT IST AUS MIT FRÜHER!
So kommen wir total geschlaucht und vom Winde verweht in dieser Kaserne an, wo die Künstler von New York daheim sind.
Und auch Innocents Jugendliebe Donald.
«Wie sehe ich aus?», flüstert der alte Romantiker mir zu, derweil der Portier die beiden Gentlemen über das Telefon ankündigt.
«Hi Mister Donald... two Guys from Switzerland...»
ER SAGTE GAAAAYYYYS? so geziert ausgedehnt, als hätte er das Wort zusammen mit einem Kaugummi langgezogen. Dann: «OOOKKKYDOOOGGGY»? Mister Donald is waiting for you!»
«BESCHISSEN», fauche ich.
«Was beschissen?», faucht Innocent zurück.
«Du siehst beschissen aus? man müsste dich nochmals umspritzen und frisch dauerwellen», gab ich noch giftig einen drauf, «so jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass die Post wieder heiss abgeht!» Da wurden wir auch schon von einem Jüngling in blütenweissem Anzug empfangen: «Hiii Guys? I'm Jack!»
Die weisse Pracht entpuppte sich als Pflegeuniform und Jack als diese für NY typisches Völkermischungsexemplar: Mutti Mexikanerin, Papa von Bombay? Resultat: UMWERFEND!
Ich schaute auf Innocents verwehte Haare und die tränenden Augen? da wusste ich, dass er es neben dem Pfleger schwer haben würde.
Donald empfing uns im Rollstuhl. In seiner Nase steckten Sauerstoffschläuchlein. Und bekleidet war er mit einem japanischen Kimono, der nicht so ganz zum chinesischen Opium-Bett passen wollte. «Innosssssent!»? er breitete die dünnen Ärmchen aus, sodass die weiten Kimonoärmel wie aufgeregte Falter flatterten. «Doooonald»? Innocents Schnurrbart zitterte. Dann umarmten sie einander. Und beide heulten wie Schlosshunde.
«Do you like some coffee...», flüsterte der Pfleger zu mir. Und wandte sich geniert wieder ab.
Er sah, dass auch ich um die Zeit der beiden Freunde weinte...
Von der Begegnung zweier alter Lover und Coffee Number 3
Samstag, 18. Februar 2012