Wollt ihr Zahlen hören? KULTUR?
Also mein Ding ist das nicht. Aber Innocent ging schon früh auf alles los, was Geschichte macht und Kopfschmerzen verursacht.
«GOTT BIST DU EINE KULTURSAU!»? pfeift er mich an. Und alles nur, weil ich beim Eingang von Copàn Ruinas nicht Herrn Meier lauschte, der uns das Weltkulturerbe herunterbetet und von diesem vulkanischen Andesitstein schwärmt, aus dem Stelen und Glyphen geschnitzt worden sind.
Ich meine: WAS SIND SCHON GLYPHEN OHNE? HIERO? «Das heisst hier so», sagt Meier eisig.
«HIERO ist Griechisch. Und hier sind wir bei den Mayas.» Danke. Beide schauen mich mit diesem Blick an, den schon meine Lehrer immer drauf hatten. Auch Meiers Augen sind jetzt eine Mischung aus Hass und Verzweiflung: «KEIN ANDERER ORT AUF DIESER WELT HAT SO VIEL GESCHICHTE ZU ERZÄHLEN WIE COPAN!»
Geschichte? Mir sind Geschichten lieber. Kultursau hin oder her. Mich interessiert beispielshalber, weshalb der nette, kleine Mann mir immer so lustig zuzwinkert. JA KLAR? WIR WISSEN WARUM! Aber weiss er es auch?
Ich schleiche mich also von all den vielen Jahreszahlen weg und hin zum kühnen Zwinkerer? ABER HALLO! WAS HÄLT ER MIR HIN? EINEN FROSCH! Da staunt ihr aber echt, was?!
Ich meine: Wir wissen ja alle, was das wird, wenn man so einen Frosch küsst. Doch mit Prinzen habe ich nichts mehr am Hut, seit ich weiss, dass sie zum Abhängen an ihren Joint-Partys SS-Mützen tragen oder die Königinomi öffentlich als altes Gin-Fass bezeichnen. NICHT MIT MIR!
Und doch: Hat der Meier nicht eben gesagt, dass dieser Andesitstein ganz speziell sei? DIESER FROSCH IST AUS ANDESIT! Dazu: handgeschnitzt, wie mir das Männchen mit unschuldigen Äuglein versichert. Und zugleich ein Zertifikat ausstellt: «ECHTER ANDESIT-FROSCH!»
«Er hat nur fünf Dollar gekostet», rufe ich Innocent beschwichtigend zu, der sofort in Panik alle Jahreszahlen von Copan sausen lässt und händeringend auf das Männchen zuhumpelt, um den Wucherkauf rückgängig zu machen.
Zur Strafe muss ich dann auf die grosse Ausgrabungsstätte mit. Dies mit einer drei Kilogramm schweren Kröte im Hosensack. ES GIBT FRÖHLICHERES.
Auf dem grossen Feld, das einst das Reich des Herrschers «Rauchender Jaguar» war und wo dieser jetzt nicht mehr raucht, obwohl Honduras für seine Zigarren ja berühmt ist... also, auf dem grossen Platz des rauchenden Jaguars höre ich mir alle diese Jahreszahlen an, die Innocent so gierig aufsaugt, als seien es kleine Klare.
Der Jaguar-Herrscher soll ja eine echte Nummer gewesen sei. Er präsentierte sich dem Volk 628 nach Christus, indem er aus dem riesigen Steingebiss einer Andesit-Schlange erschien und dort rumrockte, wie die Stones in ihren besten Jahren.
Der Jaguar verehrte die Sonne. Das Resultat: AFFENHITZE! Dies die ganze Jaguar-Periode bis 695. Natürlich hätte es der herrschende Meister Jaguar heute schwerer, da ja nicht mehr geraucht werden darf. Selbst in Honduras kicken sie einen sofort aus dem Hotel, wenn du eine ihrer vom Touristenverein propagierten Zigarren schmauchst.
Erlaubt ist nur die Affenhitze. Und die herrscht auch jetzt.
Über mich kommt diese bleierne Müdigkeit, die mir vergangene Kultur und Jahreszahlen vermischt mit 38 Grad Aussentemperatur immer einbrummen. Ich merke, wie der grosse BALLSPIELPLATZ der Mayas zu drehen anfängt. Und dann ist da Finsternis sowie das kleine Männchen, das mir mit einem Palmfächer Kühlung zuwedelt.
Der Palmfächer kostet übrigens drei Dollar? er ist allerdings aus Kunststoff. Und MADE IN INDIA.
Nach diesen drei Dollar fürchtete Innocent die absolute Pleite in der Reisetasche und fragte Herrn Meier, ob es da nicht irgendwo ein nettes Bierlokal gebe. DA HABE ICH MICH ABER FAST NICHT EINGEKRIEGT: EIN BIERSCHUPPEN AM ARSCH VON HONDURAS. Der hat doch nicht alle... Doch siehe da? Herr Meier führte uns in diese wunderschöne Stadt, die sie Copan nennen und die aus einem Gemeindehaus, einem öffentlichen Spielplatz mit Schaukel und einer freundlichen Postbeamtin besteht? also in diesem Copan, das wirklich eine Reise lohnt, ist auch Thomas. Da hat dieser Hallodri aus Südbayern mit dem Schwabendialekt doch tatsächlich eine Bierstube aufgemacht und braut kunstgerecht sein eigenes Gebräu. ABER VOM BESTEN? sage ich euch. Dazu hausgemachte Spätzle und Selbstgewursteltes.
JA BINGO! Thomas hat hier die einzige, erste und wohl auch letzte bayerische Kleinstbierbrauerei in Mittel- und Südamerika aufgebaut. Die Sache funktioniert. Der Hotelier vom Ort, der Bürgermeister und die Posthalterin haben bereits ihre eigenen Humpen!
Wir essen also KÄSESPÄTZLE und stossen mit schäumendem Weissbier auf das Wunder an? ja, es fehlt nicht viel und Innocent hätte das Lied vom «Tag, so wunderschön wie heute» angestimmt.
Aber da ist mir der Drei-Kilo-Frosch aus dem Hosensack gehüpft. Und am Boden in tausend Stücke zerbrochen.
«Das ist billigster Kunststoff», rümpfte Thomas der Bierbrauer die Nase.
«Ein Pressfrosch. Keine zehn Pfennig wert...» Seine Frau schepperte das, was von meinem geplatzten Prinzen übrig blieb, auf einer blechernen Schaufel zusammen.
«Apropos Pressfrosch», strahlte Thomas, «ich mache auch PRESSKOPF. Altbadisches Hausrezept meiner Oma. Hat jemand Lust?» Ich hatte.
Immerhin lag der dann nicht so schwer auf, wie mein Steinfrosch mit Zertifikat.
Von der bayerischen Brauerei auf Honduras und Fröschen
Samstag, 17. März 2012