Von den letzten Fünferräpplern und Weicheiern auf Brettern

Innocent knallt mir bebend vor Wut die Zeitung aufs Bett: «DA - WAS SAGST DU NUN?» Mit seinem hysterischen Theater fegt er mir das Espresso-Tässchen aufs Duvet. Und nun sieht es aus, als wäre ich nachts nicht dicht gewesen. «Pass doch auf, du Rindvieh!», tose ich.
«DAS RINDVIEH HAT EINEN ANDERN NAMEN!», tost er zurück, «DA, LIES!»
Ich schäle die Tasse aus der Bettdecke, versuche mit dem Kleenex zu retten, was zu retten ist, und nun sieht auch das Kleenex aus, als ob...
«HIER!», pocht Innocent mit dem Finger auf die Wirtschaftsseite.
Ich lese: «Drittzähne werden billiger.» «Na ja», freue ich mich für ihn, «nun brauchst du nicht extra nach Ungarn zu reisen!»
Mein Freund zieht das T-Shirt über den Bauch und wirft mir einen Blick zu, der selbst den heissesten Tango einfrieren lässt. «NICHT DAS, DU DOOFI! HIER
Sein Zeigefinger pocht wie ein wildgewordener Specht auf Couchepins Birne ein. «Ist das nicht eine Affenschande?!»
Na ja. Politiker sind Politiker.
«SIE WOLLEN DIE FÜNFRÄPPLER ABSCHAFFEN!», kriegt sich Innocent nun gar nicht mehr ein. Er fiept in höchster Aufregung: «Sie haben uns schon die Einräppler genommen. Dann die Zweiräppler. UND JETZT SIND WIR BEI DEN FÜNFRÄPPLERN ANGELANGT! - WEISST DU, WAS DAS HEISST? DAS IST INFLATION HOCH ZEHN. SO WARS SCHON MIT DEM EURO. DIE CENTS HABEN SICH HIER AUCH EINFACH IN LUFT AUFGELÖST...»
Ich kugle mich aus dem Bett und suche die Beta-Blocker. Sonst macht er mir noch den Gaul.

Linda kommt bei so viel Oper hereingewatschelt. Sie trägt wieder den durchlöcherten «Schaut-mal-wie-die-mich-herumlaufen-lassen-Morgenrock», mit dem sie mitunter ins Konsum schlurpft. Dort fischt sie unter Gemurmel und «Ach meines armes Rückiges!»-Seufzern Zigaretten-Kippen aus dem Abfallkorb, bis sich so ein Dummi erbarmt : «Ja arme Frau - haben Sie denn nichts anzuziehen? Darf ich Ihnen ein Päckchen Zigaretten kaufen?»
Mit Verlaub: Sie hat 25 Dior-Kostüme im Kasten herumhängen und raucht nur Vogue mit Goldfilter.
«... Ich werde aus diesem Morgenrock Putzlumpen machen», zische ich der wackligen Mutter Courage zu. «Dann ist fertig mit deinem Affentheater!»
Sie kreischt hysterisch auf: «Nicht mein schönes Morgenrockig, wo bekommen von erstes Lover mit Namig Blue Bell Johnny...» Blue Bell Johnny? - Das muss wohl ihr Chicago-Macker in den 20ern gewesen sein.
Nun lüpft Linda das Bettduvet, sieht die Espresso-Flecken und grinst süffisant durchs Zahnlose: «Ich sofort in Konsum und suchig Pämperig...» Innocent hat den Blocker drin und ist noch kein Phon sanfter: «WEISST DU, WAS DIE ABSCHAFFUNG DES FÜNFERRÄPPLERS MIT SICH BRINGT?», brüllt er.
Ich weiss es. Er wird den Taxichauffeuren künftig 10 Centimes Trinkgeld geben müssen.

Sonntag - Mein Gott. Die Welt steht still: CHRIS VON ROHR HAT DAS KOPFTUCH GEWORFEN.
Ohne Tuch am Ohr ists nur ein gewöhnliches Rohr.
Die Medien kriegen sich nicht mehr ein. Sie machen aus dem Rohr-Bruch ein Tagesthema, einen hysterischen Volksauflauf. Kommentatoren spekulieren, wie die Schweiz ohne Tuch am Kopf weiterleben kann. Der «Blick» bläst rührend ins selbe Rohr. Ja, es ist, als machten wir alle die rohring Sixties noch einmal durch.
HAT DIESES LAND DENN KEINE ANDEREN PROBLEME ALS DIE KOPFTÜCHER RÖHRENDER HIRSCHE?
Wie können wir uns über die Hüte der Queen mokieren, wenn ein einziges Kopftuch eines alternden Immer-Teenies uns so viel Aufregung bringt wie die aufgehängten Hühner der Witwe Bolte?

Dienstag - Was ist eigentlich mit unser kämpferischen Ski-Nation los. Ich meine: WEICHEIER RUNDUM!
O. k.
Nicht jeder kann gewinnen. Und nicht jeder holt sich das Gold dieser Skiwelt, wenn der Miller über die Piste trillert. ABER SIND WIR SO WEIT, DASS WIR SCHON FROH SIND, WENN EIN SCHWEIZER SKI-NATIONALER OHNE BLASEN AN DEN FÜSSEN INS ZIEL KOMMT?!
Ich höre immer nur: «Ja, ich bin zufrieden... Ja, ich habe mein Bestes gegeben... ja, es ging nicht anders!»
ICH BIN ABER MITNICHTEN ZUFRIEDEN. Es muss doch anders gehen. Ich finde, dieses Team hat so viel Ehrgeiz wie die Queen Staub unterm Bett. Sie sind lahmarschig von der Binde bis zum Stock - und sich selbst genug. Ein exklusives Völkchen, das sich selber feiert - aber schöne Worte, ein Stirnband und die Porsche-Sonnenbrillen machen noch keinen Podestplatz. Sondern Protestplatz.
In den Boulevardblättern dieser kleinen Schweizer Welt wurden die Ski-Asse der Nation hochgewicht und glanzpoliert. Nur haben sich die Asse als Nell und Null herausgestellt.
Das Fernsehen versucht krampfhaft, das Interesse der Zuschauer mit alten Trostbildchen von Michela Figini auf dem Siegerpodest bei der Stange zu halten. Zm x-ten Mal kommentiert uns Bernhard Russi, was man besser machen muss. UND ICH KANN DIESE LAUWARMEN ENTSCHULDIGUNGEN VON MENTALEN BLOCKADEN UND FALSCHEM WICHSWACHS GANZ EINFACH NICHT MEHR HÖREN.
Da lobe ich mir die Synchronschwimmer. Sie sind von der Welt unbeachtet - und geben unter Wasser auch keine dummen Kommentare ab...

Dienstag, 22. Februar 2005