JA, HALLO! Das mit den Kerzen war Mist.
FEHLENTSCHEID? ABER GANZ KRASS!
Dabei gehören Kerzen zu den Düstermonaten des Jahres. Sie gehören immer dazu. Da bin ich eigen. Und von meiner Familie geprägt.
Vater war ein Kerzler. Mutter kerzelte auch: Kein Essen, ohne dass da nicht mindestens fünf Bienenwächserne im krummbeinigen Zinnständer heruntergetröpfelt hätten. Kein Advent, wo nicht auf jeder noch freien Ecke ein Geäst vor sich hin trocknete. Mittendrin: Kerzenlicht. Dies bereits morgens für den Briefträger.
UND WAREN DANN NOCH NOVEMBER, EIN GEBURTSTAG ODER GÄSTE ANGESAGT, JA DA WAREN WIR MUTTERS UREIGENES WACHSKERZENKABINETT. Ihr Credo: « Kerzen sind stets ein leiser Wunsch, der vor sich hin flackert.»
WIR HATTEN VIELE WÜNSCHE.
Bin also total verkehrt und verkerzt aufgewachsen. Selbst im Turnen war die einzige Übung, die ich mühelos auf die Matte legte: Hände in die Hüften und Beine hoch? DIE KERZE!
Später kamen dann noch diese hellgleissenden Elektrolichter im Advent dazu. ISTNUNABERWIRKLICHNICHTDASSELBE! Diese Elektrolichter können noch so wild herumtanzen, als würden sie eine Disco und nicht die Geburt von IHM ankündigen? es ist ein toter Schein. Ein totes Licht. Apropos: Totenlicht. Unseres war lebendig. Das Kerzenpotpourri meiner lieben Mutter wurde auf den Gräbern am Tag von Allerheiligen eröffnet. «Damit wir unserer Lieben gedenken»? so faltete sie die Hände am Grabstein. Ging in die Knie. Und entfachte flatternde Lichter in Glaslaternchen, die besser zu einem Châlet-Gartenzwerg als zur goldenen Inschrift im schwarzen Stein? «DENN LICHT IST LEBEN!»? gepasst hätten.
Ich weiss nicht, wer bei unserer Familiengruft auf diese helle Idee mit dem Lichterspruch kam. EIN GROSSES LICHT KANN ES NICHT GEWESEN SEIN. Nun, es war zu einer Zeit, als Glühbirnen noch Glühbirnen waren und nicht diese Totenhallen-Lichter, die einen Teint auf die Birne zaubern, als wäre man bereits im Jenseits.
Damals hat uns auch keiner das Lamento des Stromsparens vorgeklönt. WIR HATTEN EINFACH EINE SCHUBLADE VOLL MIT GLÜHBIRNEN IN DER RESERVE? kerzenförmige, birnenförmige, runde.
Mit der Zeit hat man uns dann wirklich jedes Lämpchen, das am Wegerand des Lebens glüht, vermiest. Und den Zeigefinger gezuckelt: «Zzzzzz? jetzt denkt mal an die Zukunft und an die Kinder. WAS HINTERLASSEN WIR DENEN DOCH NUR FÜR EINE MIESE WELT!»
Mit 65 denkt man nicht mehr gross an die Zukunft, besonders wenn das Kinderglück ein versagtes war. MIR SCHEINT DIE HEUTIGE JUNGGENERATION EH SCHON ZIEMLICH ENERGIELOS. Ja, wollen wir so etwas noch mit einem Sparflammenplan unterstützen? SO VIEL ZUM THEMA: SPARLAMPE.
Zurück zur Kerze. Im November befällt mich also die Lust, die Kleinsträume unserer Bude mit Adventskränzen, Lamettageflitter, Tee- und anderen wächsernen Lichtern aufzurüschen. Ich meine: das Interieur ähnelt dann weniger der stimmungsvollen «Weihnachtsstube» als vielmehr der zweiten «Grotte von Lourdes». Und wenn Innocent auch immer wieder meckert: «BEI UNS DAHEIM GABS EIN EINZIGES KERZLEIN IM ADVENT, UND WIR WAREN EINE GLÜCKLICHE FAMILIE»? so pfeife ich drauf! Denn ich habe selber miterlebt, wie sie an Weihnachten die Kerzlein am Baum (zwölf Stück, gut gelagert, damit sie länger brennen) angezündet und dann die Eieruhr angestellt haben? nach acht Minuten war fertig mit Kerzenschein. Die Stümpfe wurden wieder eingewickelt und für die nächste Weihnacht zusammen mit der alten Bibel sowie dem Krippenspiel (Jesuskind, Esel, Maria und Josef? Letzerer mit abgeschlagenem Kopf) in einer Schuhschachtel aufbewahrt.
ICH WILL NICHT MECKERN? ABER SIEHT SO EINE GLÜCKLICHE FAMILIE AUS?! Nun gut, vielleicht wurde bei meiner lieben Mutter etwas zu arg übertrieben? jedenfalls erreichte die Wohnung an den Adventsabenden jeweils einen Wärmegrad wie die finnische Sauna beim hundertsten Aufguss. Unsere Onkel und Tanten erschienen entsprechend stets mit wedelnden Fächern und zumeist in Khaki-Shorts oder Strandkleidchen zum Lichterfest. Nur die Kembserweg-Omi wollte auch bei 98 Grad Innentemperatur nicht auf ihr Korsett verzichten und tropfte mehr als alle Kerzen zusammen.
Ich nun also ab in das Supercenter. Dort gabs Kerzen zum Aktionspreis. Aber die müssen irgendwo in chinesischen Berggegenden entstanden sein. Jedenfalls schmolzen sie so abrupt wie der Frankenwert meines Aktienpaketes. UND DAS IST KEIN LUSTIGER AUFTAKT ZU EINER FROHEN FESTTAGSZEIT.
Daraufhin habe ich beschlossen, die Kerzen selber zu ziehen. DAS WAR EIN RIESIGER FEHLER. Ich sage nur: zehn Pfannen zum Teufel. Die Küche muss neu gestrichen werden. UND ALLE KERZEN KRUMM WIE BANANEN. SIE FLAMMEN NACH UNTEN. So kam es auch, dass so eine Bananenkerze eines der Ästchen zart küsste. UND DANN KAM DIE FEUERWEHR! Nun muss auch noch die Stube neu gestrichen werden.
Doch bevor ich Sie alle mit dieser kerzenstumpfsinnigen Geschichte langweile, hier mein Adventstipp: Kritzelt schon mal die Notnummer 118 neben das Telefon. Und für die Küchenmaler: 1818.
Von den Kerzen und andern Lichtern
Samstag, 26. November 2011