Von Cliché-Bildern bei Rigoletto, grünen Männchen und Fonduefressern

Montag - Erkundige mich bei Sigfried, dem legendären Opernkritiker mit den B-Dur-Ohrenläppchen, nach «Rigoletto».
Rigoletto ist kein neuer Schokoriegel. Es ist eine Oper von Herrn Verdi, in welcher der bucklige Vater die eigene (makel- und buckellose) Tochter im Sack ersticht.
Natürlich weiss er nicht, dass die Tochter drin steckt - nicht Herr Schibli. Sondern der Vater.
Letzterer vermutet den Liebhaber seiner heissgeliebten Gilda (eben der Tochter) in dieser Jute verpackt. UND STICHT ZU. Dann kommt es ans Licht und bei Rigoletto das nackte Grausen: Er sieht, was seine blutigen Hände angerichtet haben:
JA HAST DU NOCH TÖNE?

Der Vater hat. Und die Sterbende auch. Selbst der Liebhaber (nicht vom Vater, sondern von der Tochter) kann zum Schluss gar nicht genug Töne bekommen. Er singt sich klagend ins Finale. Das ist nicht etwa TATORT. Sondern «Rigoletto». Und: «WIE WARS» - erkundige ich mich also beim Kritiker.
Der: «Also dir wirds nicht gefallen - es hat keine Tütüs!»
PAUSE. UND FRAGE:
Weshalb glauben die Menschen eigentlich, dass einer, der auf SISSI-FILME abfährt, auch Tütüs wunderbar findet?

Anderes Beispiel: Seit meine Linda einmal 2000 Treue-COOP-Punkte gegen einen goldenen Engel eintauschte und diesen über unserm Esszimmer aufknüpfte (so dass auf der Suppenschüssel nun immer ein überirdischer Schatten liegt), meinen die Menschen ich würde Engel sammeln. UND BUTTERN MICH VOLL MIT DEN GEFIEDERTEN FREUNDEN!
Ja heisse ich Yvan Grill?
Oder bin ich das Himmelreich hienieden?

Ähnliches ist auch meinem Freund, dem weltberühmten Fotografen von Sommersprossen-Motiven und Wiesenblumenbildern Peter Armbruster passiert: In einer Doppelpackung Müesliflocken steckte als Supplement eine Kunststoffente als Eierbecher.
Armbruster kann nichts wegwerfen. Schon gar keine Eierbecherenten. Er stellte sie auf den Fenstersims zwischen Primeln und Hyazinthen. Eine Woche später überraschten ihn die Nachbarn mit einer Frühstückstasse, auf der ziemlich unbegabte Künstlerhände eine besoffene Ente vor einer Whiskyflasche geschaffen hatten.

Nachdem Armbrusters Tochter ihren Vater besuchte und sich etwas erstaunt («Ja machst du jetzt auf Enten?») im Haus umgesehen hatte, schickte sie ihm zum Geburtstag Donald Duck als Nachttischlampe - damit war Grünlicht für eine ganze Entenfarm gegeben. Armbruster sah sich gezwungen, ein eigenes Entenzimmer einzurichten. 2897 Entenarten stehen heute darin - aus Makrame, Plastik, Porzellan oder auch schon mal in Zinn.
UND BEI MIR ALSO DAS TÜTÜ!

Um die Sache auf den Punkt zu bringen: Rigoletto tötet seine Tochter Gilda in der wunderbaren Basler Inszenierung ohne Tati und Tata. AUCH NICHT SO VERZWICKT UND VERZWACKT WIE BEI TATORT. Nein. Alles klar und nüchtern. Und kein Hauch von SISSI.
TROTZDEM HATS MIR GEFALLEN.
Was wieder mal beweist, dass Kritiker nicht unbedingt immer richtig liegen müssen.
Innocent aber kam mit gemischten Gefühlen aus der Vorstellung: «Nicht mal einen Buckel hat Rigoletto gehabt?» Na ja - Innocent sammelt Teddybären.

Mittwoch - Franco, mein römischer Portiere ruft an: «Hallo Formaggino - taucht ihr wieder in eurer Käsesuppe ein!»
Irgend ein italienischer Schmierekanal aus Berlusconi-Land hat ihm einen Film vorgegaukelt, wo die Schweiz im Januar nur aus Flüssigkäse besteht. O.k. Ich weiss nicht, ob das auf unsere Ski-Nationalmannschaft bezogen war, jedenfalls ist Franco, seit er einmal auf dem schneebedeckten Adelbodner Hahnenmoos inmitten von Fonduegabeln schwingenden Touris auch drei Portionen dieser «Fonduta» reingekleistert hat, der irrigen Meinung, die Schweiz bestehe nur aus gekochtem Emmentaler. Und die Fonduegabel sei die Heereswaffe des Alpenvolks.
Es sind solche verblödeten Cliché-Bilder, welche TV-Crews, Reiseführer und Tante Irmi verbreiten. Und damit die Welt zutapezieren.

«Hallo Spaghettifresser!», gebe ich die Käsesuppe bissig zurück. Und dieser «Spaghettifresser» liegt Franco so schwer im Magen wie das dritte Fondue auf dem Hahnenmoos: «Weshalb meint ihr Kuhschweizer eigentlich immer, wir Italiener würden nur Spaghetti kochen?»
WO ER RECHT HAT, HAT ER RECHT. Sie essen auch Makkaroni. Und alles andere ist Cliché.

Wir sollten uns von diesen Weltbildern verabschieden, die kreischende Schwule in Rosa, Schotten in Jupes und Geiz und übergewichtige Yankees mit fettigen Trippel-King-Burgers zwischen den Porzellan-Zähnen zeigen.
Und wer sagt uns eigentlich, dass die grünen Männchen von Galaxis 5 wirklich grün sind?
CLICHE! Nichts als Cliché.
Wer könnte sich nicht auch kreischende Galaxisschwulis in rosa Tütüs vorstellen?? - Natürlich alles Engelsammler.

Donnerstag, 26. Januar 2006