Von britischen Mietern auf der Insel und einem zerstörten Haus

«KATASTROFA... KATASTROFA... NIE MEHR!», brüllte Gianni, als wir mit Sack UND Pack auf der Insel vorfuhren.
«DAS ALLERLETZTE!», weinte unsere Zugehfrau Lida. «Lieber gehe ich für euch Tomaten verkaufen. ABER SO ETWAS: NIE MEHR!»
Also «so etwas» war eine nette englische Familie. Wie direkt aus der Fernsehserie «Little Britain» entstiegen. Sie haben für die Sommersaison unsere Hütte am Meer gemietet.
Als diese Tusse vom Maklerbüro damals im Mai auftauchte, war Innocent sofort fix und foxi. Mit Stielaugen schleppte er vom Lemoncello an. ­Speichelte augenrollend halb italienische Brocken wie «Bella Signora... BELLO BUSO.»
Als die dann noch vorschlug, man könne mit ­Sommervermietungen aus unserem Loch irre viel Geld herauspauken, musste er sich zwei Valium reinwerfen, um nicht direkt durchzuflattern. «VIEL GELD?!? HAST DU DAS GEHÖRT?! WIR WERDEN VERMIETEN!»
Da war ich aber straff dagegen: JA GEHTS NOCH?!» Es ging.
Die Tusse packte dann den Vorbau ein und die Papiere aus: «Hier unterschreiben! Die Mieter kommen aus Hastings, Sussex. Es sind vier Kinder und eine Grossmutter sowie das junge Elternpaar.»
«Wir haben nur zwei durchgehangene Betten», gab ich gleich mal den Ist-Modus durch.
«SCHWEIG!», zischte Innocent. «Wir sind im ­Sommer eh nie hier. Ich kaufe einen Satz Luft­matratzen. Kinder lieben das! Und unter die Durchgehangenen legen wir Bretter!»
Es waren dann sieben Kleinkinder, drei Gross­mütter und viele Onkels, die sich zwei Bretter­betten und drei aufblasbare Gummiliegen teilten.
Zu den weiteren Mitbewohnern gehörten drei Dobermänner, die sich einen Sport daraus machten, meine Wildkatzen zu jagen. Schon am ersten Tag haben sie beim lustigen Hund-holt-sich-Mieze-Spiel meinen schönen Tonhafen, den mir Alberto als «echt etruskische Trouvaille» für teures Geld untergejubelt hatte, umgeworfen. SCHERBENHAUFEN!
Der hingekritzelte Abschiedszettel mit «Everything ok? we shall buy a new pot!» war nur ein bedingtes Trösterchen! Das Schlimmste: Sie haben auch meinen Hansi durchgebissen. Hansi, meinen Schmusebären aus Kinderzeit. Nun schaut er mich mit einem einzigen Glasauge vorwurfsvoll an. Hansis linker Plüscharm blutet Sägemehl. Und das rechte Bein ist bis heute unauffindbar. «MEIN HANSI!», jaulte ich. «MEIN WEINKELLER!», japste Innocent. Und rieb sich entsetzt die Augen. Was er sah, ernüchterte ihn auf der Stelle. Es waren bestimmt nicht die Dobermänner, sondern höchstwahrscheinlich die Grossmütter, die sich durch den Chianti gewütet hatten. Seit der gütigen Queen Mum wissen wir ja, wo es bei den alten Engländerinnen hochprozentig geschlagen hat. DA WAR DANN DER ZAPFEN AB! «Selber schuld, wenn man nicht genug in den Hals kriegt!», meinte unsere Freundin Rosie süffisant am Telefon. ZUM LEID NOCH DER SPOTT! Natürlich funktionierte auch unsere luxuriöse CD-Anlage, die wir gegen 5000 Coop-Cumulus-Punkte und 127.50 Franken eingetauscht hatten, nicht mehr. «Die Leute hatten hier keine Zerstreuung. Da haben sie die Musik zum Strand mitgenommen», verteidigte die Tusse ihre Mieter. Und haute noch einen drauf: «Den Luftmatratzen ging schon beim ersten Mal die Luft aus. Sie mussten auf eurem Spannteppich nächtigen.» DAS HATTE ICH GESEHEN: GELBLICHE RAUCHLÖCHER IN MEINEN ZARTROSIGEN MASCHINENPERSERN!
«Das müssen die bezahlen!», tobte Innocent. «Wir haben einen Schaden, der etwa das 120-Fache des Vermietpreises ausmacht...»
«Das kommt davon,wenn man nicht genug in den Hals kriegt», plagiierte ich Rosies Worte. Wir leben schliesslich in einer Zeit der Plagiate.
Wir brauchten drei Septemberwochen, ja die erste kühle Herbstbrise wehte schon vom Meer her übers Land, als die Hütte wieder einigermassen gerade stand. Die Frauen des Hafenortes putzten täglich acht Stunden und schrieben zwölf auf.
Wir mussten dann Lida in die Hand ­versprechen, NIE MEHR zu vermieten. Ansonsten würde sie anderswo den Sklaven machen, wo man eine gute Besenhand zu respektieren wisse. Und nicht eine Horde Briten auf sie loslassen würde...
Seit die Königin von Holland ihr Gut verkauft hat und dort Russen ihre Partys feiern, droht sie immer wieder mit Abgang: «Die Russen haben Euro-Pakete wie unsereins Telefonbücher. Und sie wedeln sich mit den Scheinen Wind zu...»
DA KANN HERR MONTI LANGE VON EINEM NEUEN ITALIEN TRÄUMEN, SOLANGE DER RUSSISCHE WIND WEHT!
Das Haus ist also wieder auf Vordermann, die abgebrochenen Rosen sind neu aufgebunden und die Betten auf ihre alte, gemütliche Art durchhängend wie ein SF-Unterhaltungsabend an einem Samstag? schon steht dieses Maklerweib wieder auf der Matte: «Tataaaa!», sie streckt die ­Zeige- und Mittelfinger wie Churchill zum V-Zeichen.
«Die Engländer haben geschrieben? sie wollen nächstes Jahr wieder mieten...» Ich strecke auch den Finger, aber nur den mittleren. Und im Chor sind Innocent und ich uns einig: «NIE MEHR!»
Sie lässt einen Topf herbeischleppen. Er ist nagelneu: «Alberto sagt, er sei aus der etruskischen Frühperiode... ich habe ihn den Briten auf die Rechnung gesetzt...»? «NIE MEHR!»
Nun tut sie sehr bekümmert. Zuckt die Schultern. Und sagt beim Gehen: «Ein Ehepaar aus Moskau hat sich auch nach eurem Haus erkundigt und...»
«Ohhh... sehr interessant», höre ich da die Stimme der Gier. «NIE MEHR!», brülle ich. Innocent tritt mir ans Schienbein und flüstert: «Hast du nicht gehört, was Lida von den Russen gesagt hat?»
«Es ist ein aufgestelltes Ehepärchen mit zwei lustigen Babuschkas und einer Siamkatze», gibt die Tusse Gas. «Liebe, schöne Signora...», flötet Innocent. Und holt den Lemoncello.

Sonntag, 7. Oktober 2012