Wenn Alberto lächelt, geht die Sonne auf. Alberto hat keine Zähne. Kaum Haare. Er hängt an der Flasche. Und pisst zünftig die Pampers voll. Doch der kleine Wonnebrocken ist ein Insel-Wunder. UND UNSER ALLER FREUDE. Seine Eltern leben in wilder Ehe zusammen. (DAS ist kein Insel-Wunder. Das ist heute die Norm. Auch im Lande des Papstes.) Immer haben sie gesagt: «Wir heiraten, wenn der Nachwuchs kommt.» KAM ABER NICHT. Die Jahre liessen die Quellen versiegen (kann man so sagen). Und dann haben Ermanno und Nella sich etwas ganz Grosses geleistet: eine Reise nach Thailand. Sie haben die Tempel des Landes besucht. Sind mit Zentnern von Räucherstäbchen heimgekommen. Und haben zur heiligen Mutter Gottes einen goldglänzenden, überfetteten Buddha gestellt. Daneben diese seltsam überdrehte Katze, die unaufhörlich mit ihrer Pfote winkt. UND JETZT WERWEISSEN ALLE, OB DIE WINKE-KATZE, HERR BUDDHA ODER MARIA DAS WUNDER VOLLBRACHT HABEN: Denn Nella kam schwanger von Bangkok zurück. Und natürlich war das die Insel-Story des letzten Jahres. Nella hat nämlich immerhin 44 Lenze auf dem Tacho. Aber die alte Cartucci, die hier seit nun bald 70 Jahren am Hafen für Enzo die Fische putzt, wusste von einer gewissen Nicoletta zu erzählen, die noch mit 49 Jahren und einem schrägen Buckel gesunde Zwillinge auf die Welt geworfen habe. UND SO WAREN WIR ALLE GUTER HOFFNUNG. Es war dann an einem dieser heissen Spätoktobertage, als Ermanno auf dem Feld die ersten Oliven ablas (er tut dies von Hand, weil er sagt, dass das Öl nur so wirklich erstklassig werde)? Ermanno also war am Pflücken. Ich schaute ihm bei seinem fruchtbaren Ernten gerne zu, weil Ermanno mit seinen 48 Lenzen noch immer ein stattliches Mannsbild ist? da jagte Silva, die immer leicht hysterische Schwiegermutter, keuchend übers Feld: «Sta arrivando!» WIR NIX WIE LOS IN DIE GUTE STUBE. Und dort lächelte uns Alberto bereits entgegen.
WIR SCHMOLZEN WIE GIOLITTI-GELATO IN DER SONNE. Der Vater weinte vor Glück. Und die thailändische Katze winkte ganz wild. Ich kann Babys eigentlich nicht viel Schönes abgewinnen. Ich meine: Kacke, Bäuerchen und Geschrei. JAWASSOLLDENNDAS? Von den Verwandten wird ja immer viel Theater um so einen Kleinmann gemacht: «Dussidussiduu... schau mal, er hat die Augen vom Opi... dussidussiduu...» BEI MIR KEIN DUSSIDUSSIDUU. Ich fand den Frischling auch nicht besonders schön, sondern eher auf der runzligen Seite? und der kahle Eierkopf mit der etwas platten Nase kam einer Mischung aus einem ohrenbeissenden Boxer und einem Laubfrosch nahe. ABER ZUGEGEBEN: ALBERTOS LÄCHELN WARF JEDEN UM. Sein Strahlen liess Glatze, Rotze und den etwas milchsäuerlichen Geruch um ihn vergessen. Na ja? jedenfalls trat auch Innocent total über die Ufer. Er kaufte Tonnen von schrecklichen Plüschtieren, zartblaue Babylätzchen und ferngesteuerte Flugzeuge ein, bis ich energisch eingreifen musste: «Mach ihm einen Scheck? davon hat Alberto mehr!» ABER NATÜRLICH STELLTE INNOCENT TOTAL AUF STUR: «Bis er diesen einlösen kann, arbeiten sämtliche Banken dieser Welt nur noch mit Tauschhandel... so ein Milchpfännchen oder Plüschhäschen kann Albertli jedoch immer mal verhöckern!» So viel zum Vertrauen der alten Schweizer in ihre einstigen Nationssäulen. Alberto gedeiht prächtig. Jedenfalls wächst er ins Dreifache seines Alters. Und dies, obwohl beide Elternteile eher kleinwüchsig sind. Die Taufe wurde bereits geplant, noch bevor der Braten aus dem Ofen war (wenn das gewagte Bild für einmal gestattet ist)? jedenfalls verlegten wir unsere Abreise auf die Insel vor. Liessen einen Silberbecher mit ALBERTO gravieren? und wurden von Ermanno und Nella etwas verlegen empfangen: «Wir haben eigentlich fragen wollen, ob ihr die Patenschaft für Alberto übernehmen würdet...» Innocent schaute mich entsetzt an. Ich dito zurück.
Immerhin sind wir beide auf der allerletzten Wegkurve. Und wenn Alberto die erste Kommunion feiert, würden wir an Rollatoren zur Fete kurven? sabbernd. Und wie er heute: die Pampers voll. JA, HIMMEL? DAS WÄRE KEIN FROHES SCHAUEN FÜR DEN JUNGEN MANN!
Noch bevor ich «Nein!» sagen konnte, hüstelte Ermanno: «Aber leider ist der Prete dagegen. Er sagt, ihr wäret ungeeignet, da zwei Männer miteinander... ähemmm...also im christlichen Sinne seid ihr Heiden... und... und...»
NUN WUSSTE ER NICHT WEITER. Ich aber wusste alles. Natürlich habe ich mich für die Taufe dann besonders schön aufgerüscht: Ich warf den lindengrünen Plüschanzug an, gab dem Haar etwas Silberglanz und drückte meine Flossen in die engen Stiefel mit den Absätzen, die mir die Höhe eines Versace-Models verleihen.
Innocent: traditionell im Konfirmationsanzug von 1951. Als der Prete uns beide so sah, schlug er das Kreuz. Und beim Segenswunsch: «Alberto soll von allem Übel dieser Welt verschont bleiben», hob er nicht die Augen himmelwärts, sondern warf einen bissig-bösen Blick auf meinen lindigen Plüsch. Natürlich hockte sich das schwarz berockte Pfäffchen dann beim Mittagessen ausgerechnet neben mich.
SO ETWAS DARF MAN UNSEREINEM NICHT UNGESTRAFT ANTUN! Ich saugte geniesserisch am Scampikopf und liess diesen auf seinen unbefleckten Schoss fallen.
DA HÄTTET IHR DEN PRETE ABER KREISCHEN HÖREN SOLLEN! Die Maria beim kleinen Hausaltar schaute mich leicht vorwurfsvoll an? aber die thailändische Katze daneben winkte wilder denn je.
Von Alberto und den Heiden-Männern
Sonntag, 6. Januar 2013