Donnerstag Der Apotheker schob mir unaufgefordert eine Packung mit diesen Aufbautabletten hin, die in einer einzigen Pille mehr Eisenelemente aufweisen können als eine ganze Luginbühl-Plastik oder ein Lidl-Regal voller Spinatdosen.
Den Pillen war ein heimischer Dialog beim Frühstück vorangegangen:
Ich: «Findest du nicht, dass ich blass aussehe?»
Innocent: «Ja, ja...»
Ich: «Vermutlich bin ich einfach nur erschöpft.»
Innocent: «Ja, ja...»
Ich: «Es könnte sehr gut sein, dass ich plötzlich umkippe und mause bin... 62 ist ein gefährliches Alter und...»
Innocent: «Ja, ja...»
«JETZT HÖR ENDLICH AUF MIT JAJA!!!»
Innocent: «Ja, ja...»
Dann schaut er von seinem Sudoku (mittelschwer) auf: «Wenn du weiter so schreist, hast du demnächst einen Schlaganfall und das hast du dann davon.»
ES IST SINNLOS, MIT JEMANDEM, DER VOR EINEM DREIMINUTEN-EI ZAHLEN VON 1 bis 9 EINSETZT UND SIE DANN WIEDER AUSRADIERT, INTELLEKTUELL ZU DISKUTIEREN.
Deshalb gehe ich jetzt in die Apotheke. Und sage zu Herrn Müller: «Schauen Sie mich genau an...»
Er schaut. Und schiebt mir die Kurpackung mit den Eisentabletten hin? siehe oben.
Da man ja stets den Apotheker oder die Packungsbeilage fragen soll, frage ich. «Herr Müller? woher kommt es, dass ich so blass bin?» Dazu weinerlich. «Man könnte mich für ein Werbeplakat der kommenden Käse-Olympiade im Jura halten.» Herr Müller zählt meine Nötchen und zwinkert dann durch die Brillengläser. «Gehen Sie doch einfach mehr an die Sonne!»
BINGO.
Mein Hautarzt hat mir gesagt, ich würde zu viel an der Sonne liegen. Das schade der Haut. Und ob ich im Alter wie ein ausgerittener Hermès-Sattel aussehen wolle.
Natürlich hat er mir auch Hautkrebs, Zahnausfall und dünne Haare durch UHV-Strahlen prophezeit, ja er hat mir die ganze düstere Sonnenpalette an die Wand gemalt. Also kaufte ich in Italien als Erstes einen Sonnenhut. Zweitens: sechs Schirme, welche im Garten Schatten spenden sollten. Und drittens eine Tonne von dieser Sonnencreme mit dem Schutzfaktor 36.
Der liebe Gott, diese gute Seele, schickte dann noch das Seinige dazu und liess es fünf Wochen lang regnen.
«Ich darf nicht mehr an die Sonne», erkläre ich meinem Freund und Apotheker. «Aber dennoch will ich nicht wie mein eigenes Sterbetuch aussehen. WAS KÖNNEN WIR TUN?»
Nun schiebt er zu den Eisentabletten noch eine Tube mit dem Namen «SUNSHINE TWO»: «Das ist neu. Man streicht es einfach ein. Und eine chemische Wirkung bringt den Sonnenschein? Sie werden braun sein wie eine deutsche Vergangenheit, ohne dass Ihr Gesicht auch nur einmal die Sonne gesehen hat.»
«Aha. Und was bedeutet das TWO?»
Apotheker Müller schaut mich strafend an: «Das ist doch Shakespeare TWO BE or not TWO BE... wussten Sie, dass Shakespeare seinen Tee nur mit Tubenmilch süsste?»
«DAS WUSSTE ICH ECHT NICHT!»
«Ist doch ein Witz, Sie Dummi...» kicherte Herr Müller. Und ich spürte, wie mein Gesicht ganz langsam wieder an Farbe gewann? dies noch, bevor SUNSHINE TWO aufgepflastert war.
Schon im Tram habe ich mir aufgeregt meine Birne eingerieben. Eine dieser notorischen Nörglerinnen rümpfte prompt die Nase. «Man darf sich während der Fahrt keine Butterbrote streichen.»
Ich zeigte ihr den Finger, der mit SUNSHINE TWO glänzende...
Beim Nachtessen, einem Rührei mit Schnittlauch, löste Innocent das Preiskreuzworträtsel, bei dem ein Goldvreneli zu gewinnen ist. Er kreuzt schon seit Jahren um Gold, hat aber erst einmal eine gestickte Urkunde mit Kreuzstich «SIE HABEN ES GELÖST» gewonnen.
«Ich war heute in der Apotheke...»
«Ja, ja...»
«Ich habe Eisenmangel...»
«Ja, ja...»
«Gegen meine Blässe hat Müller mir eine Tube «SUNSHINE TWO» verkauft, die schon Shakespeare in seinen Tee gedrückt hat.»
«Ja, ja...»
«Sie kostete 325 Franken sechzig.»
«...???...»
Innocent schaut abrupt vom Radiergummi hoch: «WAS? WIE VIEL?». Dann schreit er auf: «Ja wer sind denn Sie, gute Frau?!»
Schon meine Finger liessen Schreckliches ahnen. Sie hatten den Braunton gut grillierter Wiener Würste.
Mein am Morgen noch farbloses Gesicht sah nun aus wie Picassos Mischpalette, auf welcher er von Senfgelb bis Pippi-Langstrumpf-Rot alle Farbtöne ausprobiert hat.
Innocent, diese Kuh, konnte sich gar nicht mehr einkriegen. Er lachte Tränen, japste nach Luft und verstummte erst wieder, als ich ihm eisig erklärte, ich hätte die Creme mit seiner Kreditkarte bezahlt.
Nun warte ich ab, bis die Farben abklingen. Mein Gesicht erneut käsebleich ist. Und der Tag so farblos beginnt wie immer: «Ich fühle mich kotzelend...»
«Ja, ja...»
Von «Sunshine Two» und Eisenmangel
Donnerstag, 23. Juli 2009