Vom Wunsch nach einem Atomkraftwerk und Kabeljau

Es schüttet. UND WENNS AUF DER INSEL SCHÜTTET, DANN PISST ES QUERWEG.
Der Barometer steht seit Tagen auf schön. Er zeigt eine kleine lachende Sonne. LEIDER IST ES DIE EINZIGE SONNE, DIE WIR ZURZEIT ZU SEHEN BEKOMMEN. Draussen: Schiff à gogo.
Barometer sind heute wie Politiker, sie machen gerne auf gut Wetter. Man kann aber nicht mehr auf sie zählen. UND DAMIT HÄTTEN WIR DAS POLITISCHE WORT ZUM TAG SOWIE DIE WETTERFEEMELDUNGEN ABGEHAKT.
Danke fürs Zulesen.
Eigentlich hat der Tag ganz ordentlich begonnen. Innocent feiert Geburtstag. Aus seinem Zimmer tönen noch sehr unfestlich die Schnorchellaute der Apnoe-Maschine. Also bereitet der Sklave das Festtagstablett vor: ein Weissbrötchen, zum dritten Mal aufgebacken. Ich ramme eine halbe Haushaltskerze rein. Und entflamme das Ganze.
Drumherum: Rosmarinzweiglein mit Petunienblüten aufgemotzt!
JA HALLO, SELBST IST DER KLEINE HAUSMANN!
Schliesslich tröpfelt meine Espressomaschine vom Violetten ins Tässchen. Bis das letzte Gütschlein endlich im Tässchen ist, ist die Brühe kalt.
Dennoch: TÜRE AUF UND: «HAPPY BÖÖÖRTSDEI TUUU JUUU...»
Schnorchelschnorchel. Gurgelgurgel.
Der Apnoe-Apparat wird abgehängt.
Innocent schiebt sich eine Ricola-Perle ein. Spitzt den Mund. Und will sein Geburtstagsküsschen.
Das Dreifachaufgebackene würdigt er mit keinem Blick. Er wischt sich den Mund ab, saugt an der weltberühmten Laufentaler Gummiperle und gibt so frisch geölt die Order vom Tag durch:
«Fisch für alle. Und davor Scampi. FÜR EINMAL LASSEN WIRS KRACHEN!»
Dann wird das «Krachen» relativiert: «50 Gramm Kabeljau pro Kopf. Die Scampi kannst du halbieren. Setze sie auf eine Gartentomate und alles sieht sehr fürstlich aus.» 14 Gäste wollen mitfeiern. Wir schleppen die Tische nach draussen. Holen das Linnen hervor. Und verteilen das Blechsilber, das Hugo Mozzarella stets als «Galeerenbesteck» bezeichnet.
Dann werden goldene Kerzenschweinchen verteilt. Pfingstrosenblüten verstreut. Und die Servietten zu fürstlichen Kronen gefaltet, weils ja ein fürstliches Gelage werden soll.
Als der letzte Weinkelch poliert ist und Spalier steht, krachts. Ein Blitz fährt in die Strandpalme. Und spaltet sie wie der Metzger die Sau.
Meine wunderbaren Muranogläser, das Blechbesteck und die Pfingstrosenblätter vermischen sich in Sekundenschnelle zu etwas, das wie moderne Kunst aussieht, aber eine Katastrophe ist: ICH HABE NUR EIN WEISSES TISCHTUCH! Im Haus ist es seltsam ruhig. Man hört kein gemütliches Summen des Eiskastens. Der Geschirrspüler wurde in seinem heissen Finale unterbrochen. Und die roten, blauen und grünen Lichtlein all meiner Computer- und Fernsehverbindungen in die Aussenwelt sind erloschen wie die Hoffnung in meinem Herzlein, dass der grosse Fisch im Ofen doch noch ein bisschen warm werden könnte.
In Sekundenschnelle haben sie rund ums All das Blau des Himmels rausgewaschen und teerdreckiges Schwarz reingezwungen. Das Meer tobt in der Farbe von starkem Viola? wie auch Innocent: «RETTET DIE SCAMPI? WENN DIE NICHT EISIG GEKÜHLT SIND, STINKEN SIE WIE... IHR WISST SCHON!» Sie werden warm. Da ist nichts zu machen. Denn der Eiskasten taut ohne Strom immer schneller tropfend vor sich hin, bis er heult wie Frau Merkel, wenn sie den politischen Stimmungsbarometer betrachtet. Auch mit Wasser geht nichts! Die Wasserzufuhr funktioniert nur über Pumpen. Die sind am Elektrischen angeschlossen? die Hahnen sind so trocken wie Onkel Alphonse nach seiner letzten Entziehungskur. JA HERRGOTT? ohne Wasser keine Pasta. Keine Toilettenspülung. Kein Zähneputzen, kein Händewaschen (UND WIR WISSEN DOCH, WIE WICHTIG DAS IST!). Auch das elektrische Tor bleibt zugesperrt. DAS SCHLÜSSELCHEN, MIT DEM ES MANUELL GEÖFFNET WERDEN KÖNNTE, IST UNAUFFINDBAR. Und die Gäste müssen im peitschenden Regen über den Stacheldraht. JA, DA KOMMT FREUDE AUF! DAS MACHT STIMMUNG!
Ich zünde hurtig ein paar von den Tischdekorations-Kerzenschweinchen an und organisiere Taschen- wie Petrollampen.
Dann falte ich die Hände und wünsche mir von IHM ein Atomkraftwerk. Okay. Das ist zu diesem Zeitpunkt politisch unsauber. Aber dann halt ein Kohlekraftwerk. Ein Wasserkraftwerk. EGAL. EINFACH ETWAS, DAS MIR WIEDER FEUER UNTER DIE PFANNE BRINGT, DIE TOILETTE SPÜLEN UND DIE NESPRESSO-MASCHINE DAMPFEN LÄSST (Ich möchte Clooney mal mit seinem Tässchen bei Stromausfall sehen). Natürlich kann man Scampi mit Zitronensaft chemisch durchgaren. Da braucht es kein Elektrisch. Und die Japaner essen den Kabeljau schliesslich auch roh. Doch leider war der Fisch nicht mehr so taufrisch gewesen. UND WAS NUN MIT DER TOILETTE OHNE WASSERPUME UND SPÜLUNG?
Es wäre schön zu schreiben: Wir haben alle herzlich gelacht. HAT ABER KEINER!
Erst als alle Lämplein an TV, CD-Player, Eiskasten und Computer wie in einer kleinen Jahrmarkt-Zauberwelt wieder zu funkeln anfingen... als sich Elektromixer und drahtlose Telefone mit verschiedenen Dingdongs ins Leben zurückmeldeten... da kam kurz Stimmung auf. Für die Magenverkrachten konnte ich nun den Tee aufsetzen? doch die meisten brachen abrupt auf. Und machten sich hastig auf den Heimweg. Nun, wo das Elektrotor wieder offen stand!

Samstag, 2. Juli 2011