Vom Wildsau-Ball und dem roten Ausschlag

Als Innocent mit diesem Kopf wie die Riesenerdbeere aus Alice im Wunderland erwachte, gabs gleich ein Drama: «WIE KANN ICH SO AN DEN WILDSAU-BALL?! DIE SCHIESSEN MICH GLEICH AB!»
Oh Jammertal!
Zugegeben? mit diesen ­wuchtigen Borbeln am Kopf ist kein Schönheits­wett­bewerb zu gewinnen. Irgendwie hat alles über ­seinem Hals die Dimension verloren. Die niedliche, kleine Spitznase, die Innocent so gerne in anderer Leute Dinge (VOR ALLEM ABER ZWISCHEN LIESELS HOCHGESTEMMTE KNÖDEL STECKT), also diese Nase sieht jetzt aus wie eine explodierte Dampfnudel.
Präzision: Dampfnudeln sind milchig-gelb. HIER ABER GEHT DIE FARBE INS UNAUSSPRECH­LICHE. Das Ganze hat die Palette vom Blau eines zerschlagenen Boxerauges bis hin zum blutigen Rot der zerquetschten Hagenbutte erreicht.
«Das kommt von deinen Tomaten!»? jault der Jammerlappen.
DA LACHEN DOCH DIE HÜHNER! Meine Tomaten haben noch keinem Menschen geschadet. Und schon gar nicht, wenn sie zu diesem herrlichen Sugo mit Salbei vermixt worden sind.
«Ich möchte ja nicht nachfragen, was Liesel ­zwischen die Donnerknödel gepudert hat», gehe ich gleich auf Angriff.
Dann liegen wir uns in den Haaren.
Der Apotheker am Hafenort ist ein raffiniertes, kleines Luder. So hat er Innocent bereits eine kostspielige Zahnkorrektur mittels seltsamer chine­sischer Drahtspangen aufgeschwatzt. JA HALLO? BEI EINEM RENTNER, DER SICH EH FAST NUR FLÜSSIG ERNÄHRT, BRAUCHT ES KEINE KORRIGIERTEN CHINAZÄHNE!
Auch ich bin dem kleinwüchsigen Pharmazisten auf den Leim gegangen. Als ich den «dottore» das letzte Mal aufsuchte, um den Blutdruck messen zu lassen, war dieser total in Ordnung. Aber dieses fiese Chemikalien-Männchen wuselte doch tatsächlich mit seinem Drückerinstrument sowie jammerndem Wehklagen um mich herum. Seine Schluchzer verkündeten, dass eines meiner Beine bereits über dem Grabelöchlein schweben würde.
Dann zog mich dieser Mini-Dottore mit verschwörerischem Wispern in sein Hinterzimmer? ein miefig stinkendes Kabäuschen, wo seine giftige Alte eine derart miese Brühe von Kaffee aufbraut, dass sich keiner wundern muss, dass die beiden nie mehr gewachsen sind.
«Signore Svizzero», flüsterte mir der Pillendreher nun zu. Er stellte sich hurtig auf eine Trittleiter, und da waren wir immer noch nicht auf gleicher Augenhöhe, «Signore Svizzero? deve dimagrire!»
ACH HERRJEEH? ABMAGERN! Das ist ja mal was ganz Neues. Zumindest hätte ich diesem Kräuterwurz ein bisschen mehr Fantasie zugetraut. Doch die lieferte er nun gleich nach: «Meine Assunta hat ein Kräutermittelchen zusammengemischt, das bei starker Fettleibigkeit Wunder wirkt. Vergessen Sie alle bisherigen Pillen, Tinkturen und Kuren. Schlucken sie alle zwei Stunden 20 Tröpfchen von Assuntas «Aqua di Mezzaluna». Und sie können zuschauen, wie Ihr Fett wegtropft. Es wird sein, als würden sie ein Stück vom Schweinespeck über das Höllenfeuer halten. Und die Schwarte schmilzt ? und schmilzt ? und schmilzt.
Nun gut? der kleine Scheisser hat mich an meiner empfindlichsten Stelle gepackt. Und die hat eindeutig ein paar Pfunde zu viel. Also habe ich beim Bancomaten einen ganzen Monatslohn abgehoben und Assuntas Halbmondgesöff gekauft.
Die Wirkung war phänomenal. Ich delirierte. Und fühlte mich tatsächlich sofort schwebend leicht? bis unsere treue Lida den Besen auf die Seite stellte. Und mich anbellte: «Sie sind ja sturzbesoffen!»
Dann hat sie das Abmagerungsmittel als 90 Prozent Alkohol und 10 Prozent Hühnerdreck definiert. Die Flasche wurde brummend zum Grappa gestellt. Und die ansonsten so sonnig fröhliche Putzerin knurrte giftig etwas von der Dummheit, die auch vor dem ältesten Esel nicht haltmache.
Nun gut? auf die Wirkung mit dem tropfenden Speck über der Flamme warte ich immer noch.
Natürlich wimmerte Innocent dem Zwergen-­Dottore sein Dornenleid: «Schauen Sie mich an, Dottore ? und dabei sollte ich doch an der Wildsau-Gala den Jägerball eröffnen ? so tanzt keine Sau mit mir!»
«Signore Svizzero», tröstete da der Quacksalber das Landei aus Helvetien, «meine liebe Assunta hat für solche Fälle eine Heilseife, die man nur kurz auf die prekären Stellen aufschäumen lassen muss; die kostbarsten Kräuter aus der Maremma, Umbrien und gar aus Lettland sind da reingeseift.»
Er stellte sich theatralisch auf seine Zehenspitze: «Ich garantiere Ihnen, Sie werden unter all den Schweinen der Schönste sein.»
Worauf der bravo Svizzero zwei ­Nestlé-Aktien loseiste, um einen lausigen Ball mit Jägern zu eröffnen. JAGEHTSDENNNOCH?!
Natürlich hat Lida zu Hause die Seife sofort untersucht und losgemeckert, ob es uns ins Hirn geschissen hätte. Sie müsse jeden Cent fürs Haushaltgeld umdrehen und dürfe nur verbilligtes Vorgestern-Brot einkaufen? «und die Herrschaften jagen die Euros mit Raketenschub zum Fenster hinaus!» DAS HIER SEI NICHTS ANDERES ALS EIN STÜCK KERNSEIFE, MIT DER SCHON IHRE GROSSMUTTER DIE VERWÜSTETEN WINDELN DER ENKEL GESCHRUBBT HABE.
«Es wäre vielleicht gescheiter, nach der Ursache deiner roten Seuche zu forschen», versuchte ich abends beim Sternenhimmel die Schiene der Vernunft zu fahren.
«ICH HABE EINE TOMATENALLERGIE!»? beharrte Innocent.
«Ich weiss, dass Liesel ägyptischen Moschus zwischen ihre Brüste sprüht», warf ich ein.
«ICH WAR NOCH NIE ZWISCHEN LIESELS BRÜSTEN!», brüllte der Gute, dass die Sterne zitterten.
Dann schenkte er sich in der Aufregung erneut vom Schnaps nach. Und jetzt sah ich es: Er schüttete von meiner Abmagerungstinktur ins Glas.
Eine Feriengeschichte hört gemeinhin auf mit «Wir haben selten so gelacht!»
HABEN WIR NICHT!

Dienstag, 8. Oktober 2013