Vom Trockenduschen und dem gerissenen Band?

Montag - Als Innocent die Badekacheln aussuchte, wusste ich: das bringt nur Bruch und Leid.

SO IST ES.

Er wählte die Farbe von frisch geschneitem Schnee und eine Oberfläche, so glatt wie ein kleiner Aal, der dem Fischer immer durch die Finger glubscht.

KURZ: EIN DESASTER.

Denn natürlich sieht das Frischgeschneite immer aus, als sei eine Herde Wildsäue darübergaloppiert: «MUSST DU EIGENTLICH IM BADEZIMMER PAFFEN? DIE GANZE WELT HAT RAUCHVERBOT - UND SO ETWAS GILT AUCH IN UNSERER DUSCHKABINE!»

O.k. Wenn mir mal die Asche runterfällt, ist das Gekachelte gesprenkelt, wie wenn Öschters Göpfi mit dem alten Jaucheverteiler übers verschneite Kuonisbergli spritzt. ABER ICH HÄTTE EH DIE PLÄTTCHEN MIT DEN LACHENDEN SONNEN UND DEN GAUKELNDEN FALTERN GEWÄHLT. Innocent jedoch eisig: «Wir sind hier nicht in Disneyworld!» Das Schlimmste ist die Glätte der weissen Pracht. Schon Gianni hat uns gewarnt: «Im beachtlichen Alter der beiden Signori würde ich gleitsichere Platten wählen?»

Leider entsprach der Gleitschutz nicht den hohen ästhetischen Ansichten unseres Freundes: «Die sehen doch aus wie schlecht rasierte Eisheilige!», brummelte er, als Gianni die Probeplättchen mit der Suva-geprüften, poppeligen Oberfläche vor ihm ausbreitete. Der Gärtner schaute dann auf die verlotterten Jockey-Unterhosen des Nörgelnden - eine Unterhose, die sowohl das Schneeweiss der Plättchen wie auch den Gleitschutz längst hinter sich gelassen hat. NUR SO VIEL ZUM THEMA INNOCENT?SCHE ÄSTHETIK .

Kurz - unser Freund entschied sich für die keuschweissen Aalglatten. Wochenlang haben eine Herde von schwitzenden Arbeitern die alten Plättchen weggetrümmert - dann blendete unser neues Bad wie die Zähne einer Bridge-Runde in Miami Beach: alles frisch gekachelt. Und alles von dieser glatten Oberflächlichkeit, welche diese Welt zum Stürzen bringt.

Dienstag - PASSIERT ISTS DANN AUSGERECHNET AM MORGEN VON SANTA LUCIA, dem Tag der Schutzheiligen des Lichtes und der Gefallenen. Innocent war längst schon über alle Berge in Schweizer Gefilden - ich aber hatte die Hütte zu verrammeln, Gianni zu entlöhnen, die Hühner einzuschliessen und den mauzenden Wildkatzen gut zuzujammern: «Ihr brecht mir mit eurem Gewimmer das Herz - an Weihnachten komme ich mit einem Trucker voller Kitekat zurück! Mittlerweile empfehle ich das feinifeini Mäuseragout?»

Endlich war alles unter Hut und Fach. EINE LETZTE DUSCHE! Ich seifte mich in Vorfreude auf Basels Herbstmesseorgeln, auf Buttenmoscht-Schnitten und hagelverzuckerten Grättimännerbäuche vermutlich etwas zu üppig mit diesem Flüssigsappone voll, den sie auf dem Stiefel «Sogno di Leda» - Ledas Traum - nennen. Jedenfalls schäumte ich über wie eine Geschirrwaschmaschine, die man mit Seifenflocken gefüttert hat? ja, ich war nur noch eine einzige Blasenwolke in Weiss, als es passierte: WIE FRAU BIELLMANN ZU IHREN BESTEN TAGEN, ALS SIE IHREN CHIGNON NOCH MIT DER EIGENEN FERSE KÄMMTE, KREISELTE ICH ZU EINER PIROUETTE AN. Mit rasanter Geschwindigkeit kam der Duschkopf näher, dann - PENG! Es wurde Nacht vor den blütenweissen Kacheln. Und als ich wieder zu mir kam, lag ich eingeseift am Boden - die lädierte Leda quasi.

Zuerst blieb ich lange, lange liegen. Meine Knochen schmerzten, meine Füsse lahmten, mein Hinterteil: zertrümmerte Resten wie im Schrottlager. Dank meiner muskulösen Arme konnte ich mich am Handtuchständer hochziehen. Dann ab ans Telefon: «HILFE!? HIIILFE!? ICH BIN GEFALLEN!»

Das Erste, womit Innocent mich jenseits der Leitung aus Basel tröstete: «UM HIMMELS WILLEN - du hast doch nicht etwa eines der neuen Plättli beschädigt?!» Dann: «Ich sags ja immer - du geudest mit der Seife!»

Das kann nur ein Trockenduscher behaupten, der sich pudert statt wäscht.

Mittwoch - Ich lahme wie ein alter Gaul. Mein Fuss schmerzt. Und unter der Haut flattert irgendein Band. Es ist gerissen, wie meine Nerven auch: «VON ANFANG AN HABE ICH GESAGT, WIR BRAUCHEN DIE RUTSCHSICHERN PLÄTTCHEN MIT DER SONNE DRAUF!»

Innocent tätschelt mir väterlich den Arm. ICH HASSE ES, WENN ER SEINE AKADEMISCHE ÜBERLASS-DAS-DENKEN-MENSCHEN-MIT-HIRN-NUMMER ABZIEHT!

«Du wirst immer wieder auf den Boden kreiseln - weil das erstens das Gesetz deiner Schwerkraft ist und zweitens deine schusslige Art!»

So humple ich durch die grauen Novembertage. Und hin und wieder steckt mir ein Passant mitleidig 20 Centimes zu.

PS. Einen kleinen Trost hielt die Sportredaktion in der Zehn-Uhr-Sitzung für mich bereit: «Stell dir vor - Roger Federer hat dasselbe Band gerissen wie Du». Ob er sich auch zu stark einseift?

Offen bleiben Fragen wie:

WER WIRD NUN DEN SCHWANENSEE TANZEN?

Und:

LEBEN TROCKENDUSCHER SICHERER?

Dienstag, 8. November 2005