Donnerstag «INTERLAKEN!»? Innocent reagierte so säuerlich, als hätte man seinen Weisswein verdünnt.
«UND WESHALB NACH INTERLAKEN?! DU WILLST DOCH NUR WIEDER GELD AUSGEBEN? ODER STECKT DA EIN MANNSBILD DAHINTER?»
Ach Gottchen. Er kann mit 75 noch so richtig hitzig eifersüchteln und muss dann wieder drei Betablocker einwerfen, um die Pumpe zu regulieren.
Dabei steckt nichts. Weniger als nichts.
Ausser natürlich Ursula. Sie will eine kleine Städtereportage.
Und da schien mir Interlaken günstig. Schon wegen der Jungfrau? ICH MEINE: WO GIBTS SCHON SO ETWAS IM BAHNPREIS INBEGRIFFEN? Und wer mit der Jungfrau nichts anfangen kann, dem steht der Mönch zur Verfügung.
JA, WAS SAGT IHR JETZT?!
Da können die Streicher rund ums Salzburgerland gerne mit nabeltiefem Dirndlausschnitt und diesen süssklebrigen Honigtönen die Touristen anlocken? DIE JUNGFRAU SUCHST DU DORT VERGEBENS.
Und die Mönche geben sich in Österreich auch nur bedeckt.
«Es gibt Kutschen, Roulette und den?Schuh?...», kläre ich meinen mir gesetzlich anvertrauten Lebenspartner auf.
«Was ist der?Schuh?»?
«Es handelt sich um ein uraltes Café, wo ich schon mit der Kembserweg-Omi die Torten reingeschletzt habe und...»
«DENKE AN DEINE LINIE!»
Er kann einem das Süsse wirklich versalzen!
In Interlaken entdeckte ich als Erstes ein Plakat, auf dem zwei Männer eng zusammenkleben, die Beine strecken und fröhlich winken. Es war eine dieser Stellungen, welche den italienischen Pornostar Rocco Siffredi, besser bekannt als «der feurige Hengst» in die Hitlisten katapultierte.
Als ich näher an das Plakat ranpirschte, entdeckte ich, dass der Vordermann japanisch und heiter, der Hintermann aber der Pilot und gutaussehend war. Ich will damit nicht sagen, dass das japanische Vordermännchen schlecht aussah.
Irgendwie ist ein Japaner immer ein Japaner.
Es fehlt das Individuelle? zumindest für uns kuhäugige Banausen. Denn natürlich sehen Japaner nicht alle gleich aus, obwohl man auch einen Toyota nicht von einem andern Toyota unterscheiden kann.
Aber wir fliegen vom Thema weg? und um ein fliegendes Thema gings nämlich bei diesem Mann-auf-Mann-Bild: TANDEM-FLIGHTS.
Ein riesiges Luftkissen trägt die beiden selig Schwebenden dank physikalischer Gesetze, die wir hier nicht genauer aufzeichnen wollen, durch die Lüfte direkt auf die Höhematte vor das Café Schuh.
JA HALLO! SO HEISS SIND WIR NOCH NIE ZUM KUCHEN GEFLOGEN WORDEN!
Die sportliche Verkäuferin mit dem fitnessgestählten Lachen taxiert uns wie ein Schlachtschwein:
«Was wollen Sie?»
«Vorne sitzen!»
Sie schaut zum Himmel, der sich mit Dutzenden von gleitenden Japanern bedeckt: «Ist es Ihr erstes Mal...?»
Ich erröte: «Also ich bitte Sie!»
Das Fitnessfräulein wird ungehalten:
«Ich meine? haben Sie Erfahrung?»
Ich sage nichts. Poche aber mit meinen kleinen, fetten Fingern auf die Versprechungen im Prospekt: FLIEGEN SIE MIT UNS? SIE BRAUCHEN KEINE VORKENNTNISSE!
Das bissige Persönchen ruft ins Hinterzimmer:
«Albert, komm? da ist einer für dich...»
LEIDER HAT ALBERT NICHT DIE MINDESTE ÄHNLICHKEIT MIT DEM HINTERMANN AUF DEM PLAKAT.
Bei Albert wäre auch dem freundlichsten japanischen Vordermann das Lächeln vergangen. Nein. Albert sieht aus wie ein Mittelding zwischen Boxprogramm und fleischgewordenem Gruselkabinett.
Für sein Schielen kann er nichts. Aber ich stelle mir schaudernd seine Vorstehhauer an meinem Rücken vor? DAS DANN DOCH NICHT!
«Ich werde es mir überlegen...», erkläre ich hastig zur Gleitflugverkäuferin.
So kam es, dass ich zu Fuss bei «Schuh» landete.
Als sich dort endlich ein Kellner bemerkbar machte, bestellte ich drei Cremeschnittchen sowie ein Stück von dieser Erdbeertorte mit dem Schnee drauf, der so glücklich macht? dem Rahmschnee von fetten Alpenkühen.
Am Abend rief ich Innocent in Adelboden an:
«Ich wäre schier in die Luft gegangen...»
«Ach was?»
«Ja? an einem Gleitschirm als Vordermann und am Rücken ein wunderbarer Pilot. Aber er hatte Hasenzähne...»
«Ach so.»
Dann Pause. Und schliesslich Innocent: «Ich bin sehr froh, dass du das nicht gemacht hast. Das ist in unserm Alter vorbei. Zu gefährlich. Was würde ich ohne dich machen, wenn...»
Innocent schluckte. Sicher hatte er wieder Rollmöpse zum Abendessen. Die machen ihn immer so seltsam melancholisch.
Ich war nun doch etwas besorgt.
«Gehts dir gut?? Ich war bei?Schuh? und habe Törtchen gegessen und...»
«ISTJATYYYYYYYPISCH! KANN DIE DIVA NICHT INS COOP-CAFE?! NEIN. BEIM?SCHUH?! DAS KOSTET DOCH EIN VERMÖGEN UND...»
Gottlob dauert die Rollmopsmelancholie nie allzu lange.
