Vom Schreiben, Fernsehen und dem geilen Osterhasen

Fernsehen ist o.k.
UND geil.
Ich meine: die Kassiererin im Supercenter nimmt deine Eier. Schaut dir ins Gesicht. Und bleibt in Panik auf dem Scanner hängen: «Ja sind Sie nicht diese TV-Tucke mit den schrecklichen Büchsenrezepten?»
Dann schüttelt sie den Kopf. Lässt die Eier fallen. Und greift zum Salat.
Später hast du den Salat: Von sechs sind drei Eier kaputt. Und sieben Mal auf der gescannten Rechnung. Natürlich reklamierst du nicht. Sonst wirst du als büchsenkochende Zicke verschrien. Also machst du Omelettes, statt Spiegeleier auf Fleischkäse. Und grübelst noch immer, ob die gute Frau mit TV Fernsehen oder Travestie im Kopf hatte.
Mit dem Schreiben ist es einfacher. Hockst dich hin. Wirfst Gedanken in den Computer. Und machst deinen Blog. Fertig.
DAS KANN HEUTE JEDER.
Früher schrieb die Menschheit noch ein anständiges Tagebuch. Heute bringts ein unanständiger Blog. Früher schrien wir auf, wenn irgendjemand das Album mit den rosigen Gedanken öffnen wollte: «DAS IST PRIVAT. DAS DARF KEINER LESEN!»
Heute ist das Privateste die Sockengrös­se. Wir ­zeigen uns mit Gel im Haar und sonst gar nichts im Internet.
HALLO: VERSTEH MAL EINER DIE WELT!
Natürlich muss man immer VERRÜCKTERES schreiben. AFFENGEILERES. TOTAL VER­FICKTES! Nur so hat man in diesem Buchstabenmeer eine Überlebungschance. Ansonsten: die Überlesungschance.
Wir brauchen GRÖSSERE BUCHSTABEN. Diese vollfett. Und die Schlagzeilen müssen lauter schreien als die Muttenzer Kurve.
Jeder von uns steht unter dem Quotendruck. Journalist. Bloggist. SO EIN MIST!
Und wie schön haben es unsere Omis, die bei dem fröhlichen Werbeaufruf. «Schauen Sie im Internet unter wewewe...» nur Bahnhof verstehen und seufzen. «Jaaa. Wir werden immer älter und haben Wehwehweh...»
Kleines Spässchen!
Schreiben wird einem also leicht gemacht. Natürlich schreibt keiner mehr. Sondern fragmentiert. Anständige Sätze wie. «Bitte, das ist gerne geschehen» gibts schon gar nicht mehr. Einfach nur noch: «Gerne!»
Da eh keiner mehr über drei Worte liest, spielt es auch keine Rolle. Wir verschicken das Lachen digital mit Smiley-Köpfen. DAS WORT HAT SICH DAVONGESCHLICHEN? die Sprache ist ein Bilderbuch von explodierenden Torten geworden.
Dennoch ist Schreiben etwas Wunderbares. Man ist für sich alleine? und auch alleine dafür ­verantwortlich. Du bist bei deinen Zeilen eigener Regisseur, Dichter? oft auch einziger Leser. Mit andern Worten: Du bist ganz alleine für den Mist verantwortlich, den du rauslässt.
ANDERS IM FERNSEHEN: dort ist immer eine Crew. Und wenn die Tonfrau mies drauf ist, weil ihre Beziehungskiste in die Schieflage gerät... wenn der Kameramann schlechte Laune zeigt, weil seine Tusse die Koffer gepackt hat... bref: wenn da im Team einer schräg hängt, kannst du noch so einen wunderbaren Text vorbereitet haben. Er kommt unterbelichtet. Überbetont. Oder überhaupt nicht, weil die Tonfrau bei der dritten Wiederholung eingeschlafen ist. Und den «Sound» auf «OUT» hatte.
Während SCHREIBEN also ein Solo ist, wird FERNSEHEN zum TEAMWORK. Die Sendung wird so gut wie die Crew heiss drauf ist.
Und das Heisseste war kürzlich der Hase. OSTERHASE? muss ich ­präzisieren. Nico brachte das Kostüm aus dem Kinderzirkus-­Fundus seiner Kleinen: ein Bunny- Anzüglein mit Bummelschwänzchen (Plüschkugel). Dazu: ein gummihafter Hasenkopf, mit zwei Kautschukzähnen, die wie Waschbretter vorstanden.
«Wird das ein Horrorfilm?», fragte ich süffisant, «und wer soll das anwerfen?»
«DU!» freute sich Nico sonnig. «UND WAS HAT EIN OSTERHASE MIT BÜCHSEN-RAVIOLI ZU TUN?»
Nun wurden seine Äuglein klein. Und kröten­giftig. «FRAG NICHT! ÜBERLASSE DAS DENKEN UNS. UND MACH DEN HASEN!» Schon stülpte er mir das Hasendress über. Der Anblick, der sich da bot hatte mit Ostern nichts mehr gemein. Eher mit einer Wahnsinnsreklame für BLUT­WURST­.
Da krachten auch schon die Nähte.
«Hast du kein Nilpferdkostüm gefunden?», machte Kamera 1 auf Humor.
DA FÜHLST DU DICH SO EINSAM WIE DER SANDFLOH IN DER WÜSTE.
O.k. Wir haben mit Klebeband den Hasen geflickt. Und die Szene abgedreht.
Dann verschwand das Team sofort? und ich stand als zweizahniger Osterhase vor dem eigenen, ­verschlossenen Haus. Dummerweise hatte ich die Schlüssel nicht im Hasenhosensack. Sondern in den Jeans. Doch diese lagen in der Stube.
«JA HALLO!», hüstelte Frau Hanne-Trudy Mettler. Sie ist meine Nachbarin. Und schickt mir jedes Mal einen bissigen Brief, wenn die Gäste sich um Mitternacht bei der Verabschiedung laut ­kreischend vor ihrem Schlafzimmerfenster um den Hals falllen.
Nun ist sie totaler Sarkasmus. «MACHEN WIR HEUTE AUF STUMMELSCHWANZ?!»
«Ich bin der eile-geile Osterhase!», versuchte ich die Situation auszudeuten. Da hatte sie schon ihren Kleinstapparat in den Händen. Drückte ihn durch. Und vier Minuten später kam die Polizei. Dann der Krankenwagen. Und als ich auf der Psychiatrie alles erklärt hatte, kam auch die ­Feuerwehr. Und öffnete mir die Türe wieder.
Am Abend las ich im Blog von Hanne-Trudy ­Mettler: «IHR GLAUBT JA NICHT, WAS MIR HEUTE PASSIERT IST? MEIN NACHBAR HÄLT SICH FÜR EINEN GEILEN OSTERHASEN UND...»
SIE HAT NICHT AN GROSSBUCHSTABEN GESPART.
Man ist den Schreibern von heute hoffnungslos ausgeliefert.

Sonntag, 24. Februar 2013