Vom Röhren verlegen und Chaos auf der Insel...

Montag - Das Schicksal holt dich immer wieder ein. IMMER!
Also: seit Monaten graben sie unser Quartier aus. WUNDERBAR. Sie graben jedoch nicht nur in Basel. Sie graben nun auch in Italien. Genauer: auf meiner Insel. Noch genauer: direkt um mein Haus herum. ICH BIN VON LÖCHERN UMGEBEN. Und dies ist keinenfalls politisch gemeint. ES IST DIE REAL-KOMIK, WELCHE DER GLÄUBIGE SCHICKSAL NENNT.

Begonnen hat alles an jenem unheilvollen Tag, als das Geschirrwasser von drei Espresso-Tassen und zwei Spaghetti-Tellern nicht mehr ablaufen wollte.
Ich rührte mit der Kelle wild ums Ablaufrohr. Ich stichelte mit der Stricknadel durchs Trübe. Ich warf von dieser Flüssigkeit ein, auf deren Flasche der Totenkopf wie auf einer Zigarettenschachtel Unheil ankündet. Aber stiller kann auch das Tote Meer nicht sein - kein Gurgeln. Kein Blubbern. Einfach Trübe-Tassen-Stimmung. UND NICHTS GING MEHR.
Deshalb: «GIANNI! - TUTTO KAPUTTI?» Es war ein Kapitalfehler, in der ersten Panik Gianni in seiner heiligen Mittagsruhe zu stören. Vermutlich habe ich ihn mit meinem Handy-Notruf aus dem Bett jener vermaledeiten Amerikanerin gepiepst - eine Amerikanerin, die keine Grenzen kennt und Gianni hinterherhechelt wie eine läufige Hündin einem spitzen Spitz.
NATÜRLICH LÄSST SICH DIESER MIESE KNOBLAUCHKAUER NICHT ZWEIMAL BITTEN - UND AB IN DIE HEIA!
Am Samstag beichtet er dann wieder beim tauben Padre Adolfo alles Wüste aus dem Bauch, brettert drei Rosenkränze runter und schwänzelt so geläutert in die nächste Runde!

Wenn die alten Weiber im Dorf auch nach unserm Gärtner ausspucken, als wären sie frei auf dem Fussballfeld, so lässt dies den Hallodri einfach kalt. Selbst die Tränen seiner liebenden Gattin Graziella können ihn nicht erweichen. Auf einer Insel von 2000 Einwohnern ist das Liebesleben so lustig wie in einer Leichenkammer. Und wenn da schon mal eine Amerikanerin los ist, dann muss die Gelegenheit beim Schopf ergriffen werden. (Das mit dem Schopf ist natürlich sprichwörtlich gemeint - Gianni greift anderswo.)

Nun habe ich ihn also mitten im heissen Griff in die eiskalte Wirklichkeit von tropfenden Wasserhähnen zurückgeholt. In seiner Stinkwut hat er mir erklärt, da könne man gar nichts machen. Alle Leitungen rund um das Haus seien verstopft wie die alte Cartucci nach drei Stück Schokotorte. Die Palmenwurzeln würden sich wie Würmer in die Röhren einfressen. Und ich müsste halt künftig Kartonbecher nehmen - oder die Röhren neu verlegen lassen.
Nun bin ich kein Freund von Karton. Schon zur frohen Kinderzeit, als die Familie an einem Sonntag noch zum Picknick auf die Wiesen auszog und die Klöpfer am Holzstängel über dem Feuer die Beine spreizten wie diese vermaledeite Amerikanerin (siehe oben) bei SIE WISSEN SCHON! - da hat sich die Kembserweg-Omi und ihre ganze Brut wohl mit Papierservietten und Kartonplatten begnügt. NICHT SO ICH. DAS SELTSAME KIND SCHLEPPTE SCHON DAMALS DAMAST AN UND DECKTE FÜR SICH DAS SCHÖNE MEISSEN AUF!
Deshalb war von Anfang an klar: «Gianni - verleg das Rohr!» «Va bene», grunzte der. Und verlegte erstmals wieder den Standort in Richtung Amerikanerin.

Dann bestellte er ein Kran-Aufgebot der Kraftklasse A, sieben schwenkbare Lastwagen und so viele grosse Röhren, dass man damit das italienische Parlament hätte auffüllen können.
Das Resultat ist ein ausgebombter Krater, wo einst mein Häuschen stand. Und Gianni, der grinsend davor steht: «Das Wasser im Spülbecken läuft jetzt wieder ab, Signore?» Merke: man sollte röhrende Hirsche keine Röhren verlegen lassen.

Mittwoch - Mein fitter Vetter sieht das Bauchaos als Überlebensübung.
JETZT IST ER IN SEINEM ELEMENT!
Schon früh morgens hetzt er über und unter den Röhren durch, setzt zu Stretchübungen an und jagt mich über Bretter, die verdächtig fragil sind.

UNTER MIR DER ABGRUND!

«Sei kein Warmduscher - nimm es als Wink des Schicksals, etwas für deine Fitness zu tun!», versucht er mich aufzumuntern.
Ich aber liege bereits keuchend am Boden. Mein Stirnband ist verrutscht. Die engen Adidas-Jogginghosen sehen aus, als sei eine Riesenleberwurst voll ins Messer gelaufen. Und mein Puls pulst auf WAHNSINN!

«Genug», keuche ich. «Wir fahren in ein Hotel, bis dieser Alptraum vorbei ist!» «Nein» - drückt mein Vetter leicht gegen meinen Bauch. «Wir nehmen die Herausforderung an. Schau dort Gianni - wie der für seine 65 noch fit ist!» Statt meine Baulöcher zu stopfen, stopft der seit Wochen anderswo.

Jetzt steht er strahlend vor dem Riesendolendeckel, unter dem alle Röhren dieser Welt zusammenkommen: «Domani kehrt die Missis nach Manhattan zurück... dann schliessen wir das Warmwasser an und alles Elend dieser Welt hat ein Ende, Signore!» Das sagt der Rechte.

Als ob unsereins ein Warmduscher wäre?

Dienstag, 12. April 2005