Vom lachenden Krokodil und Bananenhütten in Belize

Das Örtchen Livingston ist klein. Aber malerisch. Es liegt am Golf von Honduras. Und man isst Bananen. Viele Bananen. Es gibt zwei, drei Hotels. 16'000 Einwohner. Das sind vorwiegend Garifuna, die einzige afrokaribische Volksgruppe in Guatemala. Anders gesagt: Die Menschen hier haben diese wunderbar schwarze Hautfarbe wie poliertes Ebenholz und das Lachen der ewig scheinenden Sonne. Und sie haben Rum. Und Pina Colada. Bei Letzterem handelt es sich um eine Köstlichkeit, bei der Kokosmilch gefroren und dann durch den elektrischen Fleischwolf gedreht wird. Süsser Rum darüber. UND SCHÜTTELN. Nach dem dritten Gläslein tanzen auch die Sterne.
Da keine Autos, sondern nur Boote nach Livingston führen, suchen wir in den Beizlein nach einem beherzten Fischer, der uns übers Meer nach Punta Gorda fahren könnte, zum südlichsten Hafenort von Belize. Dort warten nämlich Reni und Franz-Josi, die uns ihr Krokodil zeigen wollen.
Es ist sehr, sehr schwierig, jemanden zu finden, der Lust hat, diese beiden überfetteten Gringos mit den sechs Koffern und sieben Reisetaschen übers Meer zu brettern. Dann stossen wir auf Miguel. Die Barke muss noch vor der Zeit des Weltumseglers stammen. Und: «LIEBER SCHWIMME ICH!» Innocent seelenruhig: «Natürlich kannst du SCHWIMMEN. Das Wasser ist badewannenwarm. Und Fett geht nie unter. Aber es sind 30 Kilometer bis nach Belize. Die Seekühe unterwegs sind harmlos. ABER ES HAT WASSERSCHLANGEN, UND DIESE LIEBEN BASLER SCHWARTEN...» Ich wünschte mich ins Land der Autobahnvignetten zurück. Und weine ein bisschen. Miguel hält mir seinen Flachmann mit dem Rum hin: «Gringo, das ist das beste Mittel gegen heulendes Elend... Wir wissen hier, wovon wir reden!» Dann fingerte Innocent auf dem Handy rum: «Liebe Reni? sattelt schon mal das Krokodil. WIR KOMMEN!» Nach zwei Stunden war Land in Sicht. Das Zollhaus von Punta Gorda funkelte weiss wie eine gestrandete Teekanne. Ein Fischer badete seinen Wurm im spiegelglatten Wasser. Es stellte sich heraus, dass der Angler der Onkel des Zöllners war. Der Zöllner selber war an einem Salsakurs und musste mit einem Velo geholt werden. Es wurde eine grosse Geschichte, weil da viel Gepäck herumstand. Aber da rief jemand «Da sind wir!» Es war Reni in Shorts. Und Franz-Josi in Kniesocken. Ich hatte das Krokodil an einer Hundeleine erwartet, aber sie hatten nur eine Flasche kochende Cola dabei. Reni lächelte den Zöllner auf dem Fahrrad an: «Hello Sweety? das sind unsere Freunde aus dem Land der Käse...» Dann lachten beide herzlich, weil Miguel meinen Seesack mit den 25 handgestickten Ponchos beim Ausladen ins Wasser fallen liess. ICH LACHTE NICHT. Und Franz-Josi zog sich die Kniesocken hoch: «Hier improvisiert man... Du musst die Schicksalsschläge einfach mit einem fröhlichen Halleluja übertönen. Magst du Cola?» Drei Sekunden später explodierte die kochende Jause über meine weisse Leinenhose. HALLELUJA!
Belize ist nach El Salvador der zweitkleinste Staat des amerikanischen Kontinents. Franz-Josis Jeep rattert über traumschöne hügelige Landschaften? vorbei an Zitrusplantagen und Flüssen. Reni fütterte uns mit Wissen: «Vor 30 Jahren war das eine britische Kolonie. Nun sind sie unabhängig. Aber Elizabeth ist auch heute ihre Queen... SCHAUT, DORT HATS PELIKANE!» Wie gefüllte Papierkörbe schweben die grauen Vögel in der Luft. Innocent knipst drei Chips durch. «Wo ist das Krokodil?», will ich wissen. «Robi erwartet euch», strahlt Franz-Josi. «Heute Morgen hat er in der Sonne gelegen... dann geht er ab in den Dschungel und kommt abends wieder! Robi ist zuverlässig. Man darf ihn nur nicht ärgern. Wenn er jemanden auf dem Kicker hat, kann er mies reagieren...» Reni kichert: «Ja? fragt mal Louis.»
Es ist dann auch Louis, der uns im Kanantik-Resort als Erster begegnet. Louis hat nur ein Bein. Ich wage nicht zu fragen, ob Robi da miese Laune hatte... Louis heisst uns willkommen und demonstriert die Bananendach-Hütten: «DA KOMMT KEIN TROPFEN REGEN DURCH! Unsere Leute verstehen ihre Arbeit...» Wieder kicherte Reni. «Regen nicht. Aber hin und wieder hats mal eine fette Boa, die sich durchs Bananendach auf die Balken schlängelt. Doch die Schlangen sind ungiftig. Sie machen nur ein bisschen Druck...» HALLELUJA! Vor den Hütten breitet sich ein elfenbeinfarbiger Sandstrand aus. Hinter den Hütten schwitzender Dschungel. CD-grosse Schmetterlinge gaukeln zwischen Orchideen und Farn. «Es hat Jaguare», orientiert uns Reni: «Die sind von den Mayas verehrt worden. Und natürlich sind sie geschützt? passt auf die Affen auf. Die lieben Sonnenbrillen und Handys...»
«Und wo ist Robi?», erkundigt sich nun Innocent ganz heiss auf ein Krokodilfoto. Er hat seinen Kleinapparat mit neuen Chips gefüttert. Und geht nun auf Bildsafari zum Flüsschen, das kaum 100 Meter vor meiner Hütte aus dem Dschungel ins Meer fliesst. Aber natürlich ist da weit und breit kein Krokodil. Etwas genervt legt Innocent seine Coop-Tasche mit der Sonnencreme, der Kamera und den beiden Hörapparaten in den Sand. Keuchend pirscht er sich in den Dschungel davon. «INNOCENT!!»? manchmal nervt er wirklich. Da jagt er mit seinen 76 Lenzen einfach mitten in die Pampas mit all den Giftspinnen und den züngelnden Schlangen. Und dann sehe ich es: Ein Riesenapparat von einem Krokodil schleppt sich träge an den Strand. Und begräbt mit seinem fetten Schwanz die Coop-Tasche mit den Hörapparaten und der Kamera drin. Reni kommt herbeigeeilt. «Ach, Robi macht nichts... er will nur spielen!» Da sperrt das Krokodil seinen Rachen auf.
Zehn Stunden lang wurde nicht mehr fotografiert. Und mit Innocent haben wir uns per Handzeichen unterhalten. Dann endlich zog Robi sich zurück. Und gab die Tasche frei. Natürlich hat Innocent später das Krokodil doch noch knipsen können. Im «Braunen Mutz» hat er stundenlang mit dieser Geschichte angegeben. Es ist tatsächlich ein freundliches Krokodil? auf dem Bild lächelt es herzlich. DAS DURFTE ES AUCH, NACHDEM DIE HÖRAPPARATE NUR NOCH PULVER WAREN.

Samstag, 30. April 2011