Vom Inselkoller und den Glühwürmchen

Inselkoller ist schrecklich. Und ich habe ihn.
Wenn die Vipern das Einzige sind, das dir entgegenzügelt, brauchst du andere Gesellschaft.
Hornissenschwärme kreisen wie brummende Kampfflugzeuge über dir. Und Innocent macht beim kleinsten Brummer gleich in grösster Panik:
«Schlag sie tot. Ich bin allergisch. Sieben können ein Pferd töten...» Ist er ein Gaul?
Ich beruhige ihn mit Kamille und wünschte mir Ferien auf dem sterilen Mars. Da hält dich auch das vielbesungene Röslein am Wegerand nicht auf Erden zurück. Oder das Balllettcorps der Lichtkäfer, die hier wie ein Transvestitenauftritt Glimmerschwänzchen und den Namen «Luciole» tragen.
Über die Glühwürmchen könnte ich ja stundenlang ein Liedlein singen. Tante Irmchen, die mit der Nasenwarze und den stets etwas verklebten Pfefferminz-Bonbons im Gummitäschchen, das gute Irmchen also hat in seiner besten Zeit stets das Lied vom «Glühwürmchen... Glühwürmchen glimmre...» hingefiepst.
Um ehrlich zu sein? es hat damit sämtliche Hochzeitsgesellschaften und Trauergäste mit seinem «glimmre... glimmre... schimmre... schimmre» zum Wahnsinn getrieben. Und nachdem Irmchen von einem besoffenen Lastwagenfahrer plattgefahren war und links und rechts wie ein Pizzateig von der Krankenbarre lampte, als sie ihr diese Reanimationskiste ansetzten und Vollgas gaben, da kam sie nochmals hoch, verbeugte sich kurz und krächzte:
«Schimmre... flimmre». DAS WARS DANN AUCH. ENDE VOM LIED. ENDE DER KATASTROPHE. ENDE DES GLIMMERFIMMERWAHNSINNS.
Ja Pimmeldreck! Hier machen mich nun die Gäste mit ihrem Glimmerwahn wahnsinnig.
Schon nach der Mittags-Pizza gucken sie alle halbe Stunde auf die Uhr und quengeln: «Wann kommen sie... wann kommen sie?»
DABEI WEISS DOCH JEDER, DASS ES ERSTMALS ZAPPENDUSTER WERDEN MUSS, BIS DAS HELLE DES LICHTWURMS ZUR ENTFALTUNG KOMMEN KANN. Für solche Erkenntnis braucht einer nicht lichtkäferschwanzhelle zu sein. Oder?
Ist es endlich Nacht geworden und tanzt die erste Glimmer-Trine mit dem Blink-blink-Kleidchen an, na also, da solltet ihr mal dabei sein, wie da die Post abgeht... als hätte die Menschheit nicht auch die Glühbirne erfunden! Ja, die Leutchen kriegen sich gar nicht mehr ein. Wollen wissen, wie die Viecher das mit dem Licht machen (na wie wohl? Schalter ein. Schalter aus. Schalter ein. Schalter aus!) Und natürlich stellen Sie sich weiss der Himmel was unter dem magischen Flügeltier vor: ELFEN IN WEIHNACHTSGIRLANDEN GEHÜLLT IST DAS MINDESTE.
Meine Gäste jagen nun mit Konfitürengläsern den Lichtern nach. Sie pflügen mir mit ihren hohen Hacken oder diesen pfannkuchenbreiten Hush-Puppies-Schwarten alle frisch angesäten Rasenstellen durch. Man darf ruhig sagen: Die Wildschweine haben sich verabschiedet? die Gäste haben die Vakanz nahtlos aufgefüllt.
AM ANDERN TAG SIND SIE DANN SO VON DER ROLLE WIE FRAU MERKEL NACH DEN LETZTEN LANDESWAHLEN. Sie schauen entsetzt ins Glas. Und keuchen: «Verdammt. Das kann doch nicht sein...»
IST ABER SO. DIE REALITÄT IST IMMER UNSPEKTAKULÄR.
Statt der eingefangenen Lichterelfe hockt da eine recht miese Fliege im Glas und hämmert hysterisch an die Wand, weil sie endlich raus will.
JA MEINE LIEBEN? DA HAT DAS GLÜHWÜRMCHENIDYLL ABER AUSGEFLIMMERT!
Und die Gäste tun frustriert, wie damals Cousine Helene, als ihr Bräutigam nicht am Altar erschien...
Aber natürlich wollte ich euch nicht die Geschichte von den Glühwürmern vorjammern.
SONDERN EINFACH NUR SO DAHINSAGEN, DASS EINEM MENSCHEN MANCHMAL TIERISCH UND TIERE MENSCHLICH AUF DIE EIER GEHEN KÖNNEN.
Deshalb müssen andere Kulissen her. Und ich mache aus Innocent den Grund des Ortswechsels.
Wir sollten nämlich an eine italienische Hochzeit. Und italienische Hochzeiten sind wie österreichische Operetten in einer Silvestersendung: ein bunter Reigen von Kostümen.
ALSO IHR WERDET MIR ALLE ZUSTIMMEN, DASS DA HERR INNOCENT NICHT IM GRAUBLASSEN SACKANZUG ANTANZEN KANN.
Folgender Diskurs:
Ich: «Du brauchst ein neues Kleid für die Hochzeit...»
Stille.
Wieder ich: «Dein alter Anzug stammt noch aus der Zeit, als du zur Konfirmation die Bibel in die Hände gedrückt bekamst...»
Stille.
Ich (nun einige Dezibel lauter): «Er hat jetzt das traurige Braun einer sibirischen Kolchose. Und selbst im Stall würden die Kühe dort bei so einem Anstrich geschockt die Nahrung verweigern...»
Stille.
Ich brüllend: «DU BIST ES DER BRAUT SCHULDIG!»
Endlich räuspert sich Christoph: «Hast du etwas gesagt? Ich habe die Ohren abgestellt...»
WESHALB HÖRT ER DIE HORNISSEN?

Samstag, 12. Juni 2010