Vom ersten Drehtag mit Pfeifferschem Fieber

Ja, klar! MUSSTE DOCH SO KOMMEN!
Erster Drehtag. Und in meinem Kopf bummerts wie im Zentrum eines Hornbacher Schlagbohrerwettbewerbs.
Jupieiei, fidifidiei!
IHR WISST, WAS ICH MEINE.
Innocent verdreht die Augen dorthin, wo er die barmherzige Mutter Gottes vermutet: «Jetzt fängt das wieder an. Du hast weder Fieber, noch Kopfschmerzen. VERSCHON UNS VOR DEN PRIMADONNELAUNEN DIESER AUSGEDIENTEN NERVENZICKE.» Natürlich merkt er, wenn er einen Schritt zu weit geht. Für so etwas hat er die gute Spürnase. UND HIER IST ER DREI SCHRITTE ZU WEIT GEGANGEN!
Als Hund würde er nun den Schwanz in Demutsstellung vor dem Alphatier einziehen? der Homo sapiens Innocent jedoch grinst nur. Dann macht er auf Friede, knuddelt meine vier Kinns durch? und schreit auf, als sei er in die brodelnde Frittenpfanne eingetaucht: «Ja, leck mich!? DU GLÜHST JA!»
Fiebermessen. Alarmruf bei Doktor Zarti, meinem kleinen weissen Riesen, der sogar unsere FCBler flach legt? schon sind wir dort. Maul auf. Zarti quirlt mit einem Glasröhrchen in meinem Rachen herum, als sei dort irgendwo ein Cocktailglas.
Dann: «MANDELN?»
«Nein danke? aber wenn Sie etwas Süsses hätten...»
«OB DIE MANDELN SCHON DRAUSSEN SIND, SIE HIRNI!»
Mein Gott, und so etwas Ruppiges geht dann unserer zarten rotblauen Gruppe an die Schenkel!: «Da müssen Sie meine liebe Mutter fragen? Hörnli, dritte Reihe, Feld 2.»
Der Doktor fands nicht lustig. Fand aber des Fiebers Lösung: «Kann ein Pfeiffersches Drüsenfieber sein? oder eine Streptokokken-Angina!»
Ich finde es immer schön, wenn man bei einer Diagnose ein bisschen Auswahl hat. Aber leider war nicht genug Zeit, das Angebot auszunutzen, weil das Telebasel-Auto mit Frau Juliane und Herrn Nico samt zwei Kameras wartete: «SOLLTEN WIR NICHT UM HALB ZWEI UHR BEI DIESEN KNALLERN SEIN?»
Klar doch. Ein Beitrag zum Monat Dezember beleuchtet das Barbara-Schiessen. Viele humorige Männer an Bierrunden meinen ja stets, das sei der Tag, wo die Heisswürste der City auf jungfräuliche Barbaras losschiessen würden. Also, das ist totaler Quark! Vielmehr gehts darum, dass für die Schutzpatronin der Kanoniere am 4. Dezember jeweils das Rohr geputzt und mit 23 Munitionshülsen, so dick wie Metzgerarme, gestopft wird.
JEDER KANTON IST EIN KNALLER. Die Kanone ist aus dem letzten Jahrhundert und hat in etwa so viele Schüsse drauf, wie Luder-Betty, das berühmteste Anschaffweib vom Hamburger Hafen, das noch mit 87 sein Korsett für junge Matrosen schnürte.
Nico schaut mich mit zugekniffenen Äuglein an: «Das ist die erste Sendung nach einem Jahr. So kommst du mir nicht vor die Röhre... sooo nicht!»
DAS SCHÖNE AN NICO: JEDES WORT EINE AUFMUNTERUNG!
Am Rheinbord steht die Kanone. Vor der Kanone stehen reglos die Artilleristen. Sie salutieren an ihre roten Käppi mit dem Insignum «Artillerie-Verein Basel-Stadt»? dann zückt Juliane den Puder und deckt meine Flächen ab, wie der Bäckermeister die Berliner mit Puderzucker. NATÜRLICH KEIN PUDERZUCKER. Sondern «Karibische Sonne» von L?Oréal. Ganz einfach, weil ich für das alte Mädchen, das den Laden schmeisst und sich mit der vielen Knete einen wunderbaren Galan hält, tiefe Sympathien hege. SOLLTE UNS MAL EINER SO EINEN KONZERN IN DIE HÄNDE REIBEN? DA WÜRDE DIE FAMILIE AUCH UM DAS ERHOFFTE ERBE ZITTERN!
Zurück zur Kanone, der frisch geschmierten. Deren ungeschmierte Artilleristen halten sich noch immer unbeweglich an ihren Mützen fest? sie tun dies übrigens freiwillig. Und weil der Artillerie-Verein Basel-Stadt der älteste Schweizer Verein dieser Art ist. Und so besonders wertvoll.
Ich mache also zuerst einmal eine nette Begrüssung in die Kamera, aber Nico winkt energisch ab: «Dein Gesicht sieht aus wie ein aufgebrochenes Kartoffelfeld... Juliane, bitte kleistere ihn nochmals zu!»
ER HAT HEUTE WIRKLICH SEINEN CHARMANTESTEN TAG!
Und in diesem Moment spüre ich eine Fieberwallung wie einen Tsunami in mir hochsteigen? sehr schwer zu beschreiben: Es ist, als würde in dir die Milch vom Bauch her aufwärts überwallen. Ich sehe noch, wie sie eine Hülse ins Rohr eingeben. Irgendeiner schreit etwas wie: «Schuss ab!» Und dann gehe ich zu Boden, obwohl die Kanone nur fiktiv geladen und nicht auf mich gerichtet war.
Der über SOS herbeigerufene Doktor Zarti schüttelte die schlohweisse Mähne und wackelte tadelnd mit seinem Zeigefinger: «Ich habe doch gesagt? AB INS BETT. SIE STEHEN UNTER SCHWEREN MITTELN... DROGEN, MIT DENEN NICHT ZU SPASSEN IST... UND NUN FINDE ICH SIE BEI NULL GRAD AM RHEINBORD UND MUSS ZUSEHEN, WIE SIE EINE EISIGE URALTE KANONE UMARMEN... WAS DENKEN SIE SICH EIGENTLICH?»
Ich fahre ihm durch diese Mähne in der Farbe eines leicht gebläuten Islandponys: «Beim Fernsehen denkt man nicht...» Dann werfe ich noch einmal drei von seinen herrlichen Pillen ein, die so skurril-abstrakte Gedanken machen. Und setze mich an den Computer, um endlich diese vermaledeite Geschichte zu schreiben.

Samstag, 10. Dezember 2011