Donnerstag Als es gestern schellte, dachte ich: DAS IST JETZT ENDLICH DIESE ERBSCHAFT, DIE DICH UNABHÄNGIG UND GLÜCKLICH MACHT. Es war aber nicht die Erbschaft. Es war die Buttenmost-Frau.
Anna Winkler Frei (ohne Bindestrich, da die Emanzipation auch vor der Butte nicht halt macht). Anna also karrt das Mus seit Generationen durchs Quartier. Sie erzählt mir immer mit tränenden Augen, wie ihre liebe Urgrossmutter noch zu Fuss den Leiterwagen von Hochwald in die Stadt gezogen habe. Bei Sonnenaufgang sei die Ahne jeweils aus den Federn. Im Areal des Dreispitz habe sie ihren ersten Milchkaffee aus der Thermoskanne reingezogen. Dazu altes Bauernbrot. O.K. Damals ist das Rohmus punkto Preis auch nicht mit dem Benzindeziliter gleichgezogen. Anna Winkler jedenfalls kommt heute nicht mehr mit dem Leiterwagen. Ihre Uri hat dem Nachwuchs einen schönen Erbbatzen sowie einen Toyota- Kastenwagen hinterlassen. Und das bringt mich auf den Anfang der Geschichte: WO BLEIBT DIE ERBSCHAFT?!
Ich musste schon bei Onkel Otto verzichten? DA IST ES NUR RECHT UND BILLIG, DASS ES JETZT COLAFRÖSCHE REGNEN SOLL!
Andere Menschen haben diesbezüglich Affenschwein. Da flattert ihnen ein Schreiben aus irgendeinem Kaff neben Las Vegas ins Haus. «Also ich habe nicht einmal gewusst, dass es dieses Golden Village überhaupt gibt. Geschweige denn Grossonkel Alwin, den Guten?»? so meine Freundin Ilschen. Im Jubel. Und im neuem Nerz. DIES ENDE AUGUST! Ach ja, der gute Onkel Alwin. Er hat der unbekannten Grossnichte zwei Hotels, eine kleine Spielbank und eine Cadillac-Sammlung hinterlassen. Ilschen ist daraufhin zu ihrem Chef. Der soll? glaubt man ihren fulminanten Schilderungen? ein wahres Ekel von Bürovorsteher gewesen sein. Ilschen also im neuen Nerz nichts wie hin. Sie hat ihm den Kleincomputer vor die Füsse und Wahrheiten an den Grind geknallt: Er habe Fussschweiss? mit 3s? und stinke aus dem Mund wie eine abgehangene Sau. Überdies sei er der mieseste Schleimer, den sie in ihrem langen Leben getroffen habe.
DANN HAT SIE GEKÜNDIGT.
Solchen Tagträumen gebe ich mich ebenfalls gerne hin? UND DANN IST ES DIE BUTTENMOSTFRAU, DIE KLINGELT!
Innocent ahnt von all diesen Träumen nichts. Er denkt, die Welt sei in Ordnung.
Nichts ist!
Seit die UBS unser aller Leben verändert hat und wir statt frischer Gipfelchen das Brot, welches die Nachbarn für die Vögel herausstellen, in den Milchkaffee eintauchen, seither bete ich jeden Tag zum lieben Gott, er möge doch einen New Yorker Oberanwalt inspirieren und ihn ausrufen lassen: «Die Schweizer Banken sind ganz liebe? sie tun nur ihre Pflicht. Und von irgendetwas muss Zürich ja leben?»
ABER NEIN. NICHTS ALS SCHELTE VOM BIG BROTHER. Und die Häme der anderen Brüder. Innocent also: «Im Hof steht ein Zuber mit roter Farbe? was soll das?»
«Es ist Buttenmost!»
«Ohhh? haben wir Geld für solchen Luxus?!»
Ich schaue gereizt von meinem Mucheli hoch, wo die Brotbrocken wie Flüchtlingsboote rumschaukeln: «Ich habe meine Kaffeerahmdeckeli-Sammlung verkauft!»
Innocent schüttelt missbilligend sein graugewelltes Haar: «Zzzzz? man sollte gerade jetzt die sichersten Werte nicht veräussern!»
Später ruft er: «Igittt? da hast Du Dir aber schön etwas andrehen lassen!»
In seinen Fingern tropft ein Stück Schwarzbrot, das er mit dem Buttenmost bekleistert hat, «der ist ja sauer!».
Ich bin es auch.
«? der Buttenmost muss zuerst noch 1:1 mit Zucker aufgekocht werden!»
Innocent schaut nun traurig ins Weite: «Wir haben keinen Zucker mehr? nur noch diese Kurpackung Assugrin aus deiner Diät-Epoche?»
Ich werde wohl auch noch die Gartenzwerg-Sammlung veräussern müssen!
Freitag Frau Schnebli, meine treusorgende Nachbarin, schiebt mir ohne grosse Worte einen Packen mit altem Weissbrot zu.
Die Schneblis habens. Jeden Tag einen frischen Konsum-Zopf. Und dann noch Butter drauf. Überdies ein Milchlein mit diesen Bakterien drin, die den Magen froh machen.
MAN HÄTTE AUCH ABWART BEI SANDOZ WERDEN SOLLEN?
Frau Schnebli also: «Ist doch seltsam? Buttenmus gabs früher erst im Oktober.»
«Das liegt an der Klimaveränderung»? mache ich die Sachlage Frau Schnebli grün. Doch wer jeden Tag grosszügig Butter auf den Zopf streicht und sich Joghurtbakterien für die Darmflora leistet, hat von so etwas null Ahnung.
Frau Schnebli tut meine Klimaveränderung mit einer einzigen Handbewegung ab: «Ach was? an allem ist plötzlich das Klima schuld! Oder die UBS? !»
Dann legt sie mir 250 Gramm Kochbutter zu den Brotresten: «Da. Nehmen Sies. Das Datum ist abgelaufen?»
Na ja? es ist keine Erbschaft aus den USA. Aber immerhin.