Vom Besuch bei den Hemingways und kubanischem Rauchverbot

Wer Hemingway sagt, sagt auch Kuba.
«Ich möchte seine Spuren sehen», erklärte ich beim Frühstück.
«Dann lass uns in seine Bars gehen!», klatschte Innocent sich fröhlich in die Hände. Aber Hemingway ist nicht nur bare Freude.
Eine Stunde später fuhr uns Jorge an den südöstlichen Stadtrand Kubas. Bei San Francisco de Paula biegen wir ab. Und rattern bei der Finca La Vigia vor. Es ist der Wallfahrtsort aller jener, denen die Stunde schlägt.
Jorge doziert: «Martha Gellhorn, Hemingways dritte Frau, hat ihn hierhergebracht... sie wollte ihn von den Bars der Stadt weglotsen. Damit er weniger säuft. Und mehr schreibt. Na ja? Frauen eben!»
Kubaner sind Machos. Jorge ihr Sprachrohr. Ich konnte Frau Hemingway gut verstehen.
Die Casa liegt in einem tropischen Garten? das Haus selber ist sauber geputzt. Nett und bescheiden. Aber man verwehrt den Gästen den Eintritt mittels gespannter Seile. Wir treffen auf Gruppen knipsender Japaner, die sich auf Zehen stellen, die Köpfe wie S-Kurven verrenken und von aussen durch die Fenster die 9000 Bücher und den Keramik-Picasso digital festhalten.
Auch Innocent äugt herum: «BITTE!», strahlt er, «In jedem Zimmer gibts eine Bar. Sogar auf der Toilette!»
DA SCHEINT ABER DIE KEIN-TROPFEN-AM-TAG-RECHNUNG DER GUTEN FRAU GELLHORN NICHT GANZ AUFGEGANGEN ZU SEIN.
Die vierte Frau, Mary Welsh, hat ihrem Gatten gar einen Aussichtsturm errichten lassen. Hier, hoch oben sollte er weg von Flasche und störender Umgebung seine Bücher schreiben.
Jorge grinst. Und zeigt uns das Schlafzimmer: «Sie haben dann getrennt gepennt. Und nicht etwa, weil er schnarchte... jeden Morgen ist er früh aufgestanden. Hat den ersten Daiquiri gekippt. Und 1000 Worte geschrieben? dort sind die Flaschen. Hier die Maschine.» Es ist eine alte Remington. Und Hemingway soll im Stehen getippt haben.
Jorge weiss noch viel mehr: «Mit Fidel hat er ein Wettfischen veranstaltet. Der Comandante hat dieses prompt gewonnen. Er zeigt auf ein Bild, das die beiden mit einem mannshohen Merlin zeigt. «Und am Hafen hat er sich Matrosen geangelt, die mit ihm boxen mussten...»
Jorge ist nicht nur ein Macho. Er ist auch eine Klatschtante. UND TUT NUN, ALS HÄTTE ER MIT DEM ALTEN PERSÖNLICH SEINE RUNDEN GEBOXT. Das Plappermaul ist kaum zu stoppen: «Die Dietrich war bei ihm geladen? und mit der Bergman hat er Schach gespielt. Als Sartre auf Ernestos Finca war, füllten sich die beiden so breit mit Mojitos ab, dass sie einen Streit hatten, den man bis in die Stadt hören konnte? sie waren danach auf immer verfeindet...»
Wir spazieren durch den Garten mit den wunderschönen tropischen Blumen und turmhohen Palmen. «Wir haben alles gelassen, wie es war», zeigt Jorge um sich. Mitten im Dschungel steht auch die Pilar, das alte Fischerboot des Schriftstellers. Ein paar Schritte weiter sind zwei Grabsteine? «Seine beiden Frauen?», erkundigt sich Innocent interessiert.
«Nein. Seine beiden Katzen.»
Zwanzig Jahre lang hat Hemingway hier also seine Cocktails gemixt. Und Weltliteratur geschrieben. Jorge bringt uns zum nahen Fischerort Cojimar. Es ist ein malerisches Dorf, das seinen Charakter trotz des Hemingway-Rummels bewahren konnte. Ein Beinamputierter zeigt uns eine Foto von einem alten Mann: «Das war Hemingways Bootsmann? Gregorio Fuentes. Er lebte noch bis 2004. 103 Jahre alt ist er geworden. Und wusste die wunderbarsten Geschichten über den Meister zu erzählen.»
Der Invalide lächelt. «Die Fischer hier haben Hemingway geliebt? nicht nur, weil er ihnen mit dem Buch?Der alte Mann und das Meer? ein Denkmal gesetzt hatte. Als er sich 1960 das Leben nahm, zogen hier alle die Fischernetze ein. Sie haben gesammelt. Und ihrem alten Mann ein Denkmal machen lassen.» Das Denkmal ist Hemingways Kopf in Eisen. Die Büste soll aus alten, geschmolzenen Schiffsketten und Ankern der Boote von Cojimar gegossen worden sein. Jorge hat Tränen in den Augen: «Er hat den Kubanern sein Haus vermacht? und wir lassen darin die Erinnerungen an ihn weiterleben.»
«UND WAS IST MIT DEN EHEFRAUEN PASSIERT?»? Jorge schaut entgeistert. Ich hätte genauso gut fragen können, wie viel Seifenpulver man für einen Daiquiri braucht. Später fahren wir westwärts. Die Autobahn ist holprig. Wir überholen Ochsenkarren und Pferdefuhrwerke? überall stehen Menschen in der brütenden Sonne. Und warten auf einen Autostopper, der sie mitnimmt. «Einst gabs regelmässige Busverbindungen. Doch seit der Sozialismus zusammengebrochen ist, liefern die Bruderstaaten keine Ersatzteile mehr. Die alten Fabriken in Russland sind verschwunden? und die alten Arbeiter, die noch so einen alten Karren zusammenflicken konnten, sind heute Kaviarverkäufer in Moskau», sagt Jorge.
Eine traumschöne Landschaft mit weissen Kalkbergen erwartet uns. «Elefantenrücken» nennen die Kubaner diese bizarre Idylle in Vinales. Links und rechts sind Tabakfelder. Schön. Grün. Und fett. Wir schauen zu, wie eine Tabakbäuerin die Blätter in einer der Scheunen aufnadelt. Und dann an einer Stange an die Decke hievt: «Die schönsten geben das Deckblatt unserer Havannas.» Ihre Augen blicken stolz: «Für unsere Zigarren sind wir in der ganzen Welt berühmt.»
Am andern Tag warte ich im Flughafen von Havanna auf das Flugzeug nach Mexiko. Ich habe mich mit den herrlichen Puros eingedeckt und möchte die Wartezeit mit einer Zigarre verkürzen.
«Non fumar», winkt eine Polizistin ab. «Nimm einen Mojito», tröstet Innocent. Ich ziehe das T-Shirt mit dem rauchenden Fidel aus. Und streife mir das Hemd mit der Mickey Mouse über.

Samstag, 5. März 2011