Vom Ärger mit Billettautomaten und Skirennfahrern

Donnerstag Ich ärgere mich grün. TRAMGRÜN.
Und das ist auch das Thema! Seit wir diese Touch-Automaten aufgestellt haben, stehe ich wie ein Dotsch vor dem Touch. Und da kann das Liedlein noch lange «touch me... feel me» hauchen? die ganze Berührungsseligkeit vergeht dir, wenn die Kiste bei minus acht Grad aussteigt.
Oder wenn die liebe Frau aus Waldenburg sich umsonst nach einem Ticket für Waldenburg-City antastet.
ICH KANN IHR AUCH NICHT HELFEN.
Geht in etwa so: Wir stehen seit 30 Minuten vor dem Automaten Schlange. Nicht nur Waldenburg hat Mühe. Ein junger, genervter Mann haut auf die Kiste rein, weil die sein Geld bereits das dritte Mal schluckt. Er aber für die guten Franken nichts rausbekommt. Kein Papier mehr im Apparat?
Oder ganz einfach die Trägheit des Staatsapparates?
Endlich ist die Frau aus Waldenburg dran? meine 6er zum Brausebad sind bereits dreimal abgefahren.
Die vierte Gelegenheit lasse ich mir nicht mehr vermiesen. Waldenburg: «Wissen Sie, wie das funktioniert?» Ich (etwas unsicher): «Sie müssen mit Feingefühl die nötigen Schritte einberühren...»
«Aha!» Es wuselt ein Handschuhfinger über die Scheibe. NICHTS PASSIERT. «Was nun?» Ich zucke die Achseln. «Man kann auch am Schalter ein Ticket holen.» Am Schalter stehen die Leute jedoch ebenfalls Schlange. «Vergessen Sies», knurrt Waldenburg. Und haut nun ihrerseits den Apparat ins Koma.
MANCHMAL VERSTEHE ICH DIE WELT NICHT MEHR: Alles will, dass man auf ÖVAU umsteigt.
Weshalb bestrafen sie uns denn, wenn wir dafür bereit sind? Und wo bleiben die guten alten Billeteure, die noch mit dem Gumminoppendaumen das gelbe, lila oder grüne Billett vom Blöcklein gerissen haben? Und so eine wunderbare Staatsstelle hatten. Heute, zur Zeit der Arbeitslosigkeit, stellen wir Automaten auf, die automatisch nicht gehen.
Verlangen gesicherte Feiertage.
Und eine fünfte Ferienwoche.
HALLELUJA.
Frau Waldenburg wird nun echt miesig:
«Also in dieser Stadt funktioniert ja gar nichts... Da rollt es bei uns im Waldenburgerli aber ganz anders...»
ICH VERBEISSE MIR JEDEN CHAUVINISTISCHEN KOMMENTAR UND NEHME SOFORT WIEDER DAS DRÄMMLI IN SCHUTZ: «Alle diese neuen Regelungen werden eben von Menschen herausgetüftelt, die auf der Landschaft wohnen, mit dem Auto in die Stadt zur Arbeit fahren und das Leben für die andern vom Schreibtisch aus organisieren!» Ich weiss natürlich nicht, ob dem so ist. Aber Innocent sagt es. Und er weiss immer alles.
«Aha», sagt nun auch die Frau. «Früher hatten wir wunderbare Billettautomaten? effizient. Und schnell. Einfach und klug. Aber so etwas setzt sich heute beim Staat nicht durch.»
«Aha.»
«Ja? es ist dasselbe wie mit der Tramfarbe. Einst hatten die Drämmli ein wunderbares GRÜN mit einem Basilisken, der das Stadtwappen hielt. Und schauen Sie sich die Wagen heute an!»
Da rattert eben das Fasnachts-Geniale-Drämmli vorbei. «Aha», sagt Waldenburg. Und mein vierter Sechser ist dann auch schon weg...

Freitag In Adelboden hat der Skizirkus begonnen.
Das Dorf präsentiert sich wie eine Modelleisenbahn-Landschaft: verträumt... verschneit... verflixt geschäftstüchtig. Überall werden Ständlein aufgestellt. Die Käsebauern hobeln ihre Drei-Jahres-Produktionen, was das Zeug hält.
Und genussvoll beissen VIP, Skiverrückte und ein ganzer Riesenslalomzirkus in diese Adelbodner Käseröllchen, die wie Hobelspäne auf der Zunge liegen und nach Alphorn, Sonne und Bergblumen duften.
Innocent hat Max zum berühmtesten Riesenslalomrennen der Welt eingeladen. Max kommt aus Rom. Eigentlich heisst er Massimiliano. Aber er nennt sich Max? eine Macke. So wie andere sich die Nasenlöcher mit Kugeln durchschiessen oder grüne Strähnen in die Friese basteln. Innocent liegt flach. Also muss ich mit Max ans Rennen.
AUSGERECHNET!
Natürlich will Max die Italiener sehen. Und ich klopfe in deren Hotel an: «Dove sono i ragazzi dello ski?»
Der Portier, ein fröhlicher Oberländer, schaut auf uns. Was er sieht, lässt ihn erzittern: Max in einem lindengrünen Skianzug. Ich im goldenen Overall.
«Sie sind auf der Piste!» Das ist gelogen. Denn die Piste haben wir abgeklappert. Und Freddy, mein sportverrückter Schulkamerad aus einer Zeit, wo wir noch die Skilagerbetten teilten, hat uns beim Ällig-Steilhang gesagt: «Die Italiener hocken im Hotel und werden dort massiert...» Freddy weiss Bescheid. Er gehört zur Pistentretmannschaft.
Und für einen Basler ist das eine ausserordentliche Aufgabe wie Ehre. Denn in Adelboden haben fremde Fötzel sonst nichts zu suchen? und schon gar nicht zu treten. «Wir wissen, dass die Herren bei Ihnen rumliegen», sage ich dem Portier und nehme ihn scharf ins Visier: «Der Herr hier», ich zeige auf den lindengrünen Overall, «ist ein Freund von Herrn Tomba und...»
Der Overall zischt: «CHE CAZZO DICI?! Tomba wiegt 120 Kilo und arbeitet als Zollbeamter, ich will zu Blardone.»
«Er will zu Herrn Blardone», sage ich.
Wie durch ein Wunder öffnet sich die Lifttüre. Und Blardone kommt weichgeknetet heraus. Wir winken beide dem Skimann zu. «Hallo, Auguri...»
UND DANN GEHT DER LATTENGOTT EINFACH AN UNS VORBEI. DENN DRAUSSEN STEHT EIN WUNDERBARES WESEN? LANGHAARBLONDINE. MIT GESPRITZTEN SCHMOLLLIPPEN. UND EINER BUCKELPISTE IM HAUTENGANZUG, DIE JEDES SKIFAHRER-TESTOSTERON AUF HUNDERT TREIBT. Der Portier lächelt spöttisch: «Die Herren am Adelbodner-Kuonisbergli wissen genau, was sie wollen...» Das wussten wir nun auch. Und bestellten an der Bar zwei Skiwasser: «Aber bitte mit Grenadinesirup rosa eingefärbt... Grazie!»

Samstag, 30. Januar 2010