Es war nach der italienischen Grenze.
Innocent wurde still. Und stiller.
UND SO ETWAS KENNT KEINER AN IHM.
Ansonsten ist er als Beifahrer das, was man am liebsten narkotisieren würde. Immer ein paar unnötige Ratschläge drauf: «ACHTUNG... Du bist zu schnell... FAHR NICHT SO WEIT RECHTS... ja kannst du diese Kurve nicht enger nehmen... HAAAALT, DER KOMMT RAUS? OHNE ZU BLINKEN!»
(Innocent kurbelt das Fenster runter... zeigt Stinkefinger... brüllt: «Vermaledeite Pfeife!»)
Hinter mir hupts jetzt wild. Aber Innocent hört ja nichts. Seine Ohren sind im Necessaire. Doch heute: STILLE. RUHE.
Endlich gackst ers raus: «STOOOOPP! Wir müssen zurück... ich habe das Couvert mit all meinem Geld im Hotelsafe liegen gelassen!»
NA BINGO!
Seit einer Stunde jage ich bei 30 Grad und einer Klimaanlage, die statt zu kühlen die Sitze heizt, durch den Sonntagsverkehr!
UND NUN MUSS ICH ZURÜCK!
Innocent (weinerlich): «... das kommt nur davon, weil du immer so rumhetzt...»
JA KLAR. Alles meine Schuld. Das alte Geschlecht der Innocents hat die Gnade der schuldlosen Geburt. Letztes Jahr hatte der Herr seinen Apnoe-Rüssel in einem türkischen Dampfbad liegen lassen. Und schuld hatte ich, «weil du stets so schusselig und abrupt abreisen willst».
Was bleibt mir anderes übrig, als bei der nächsten Ausfahrt zu kehren. ICH WACHSE ÜBER MICH SELBER HINAUS. ICH SAGE NICHTS. Kein Geschrei. Keine Vorwürfe.
Da ich übermorgen Geburtstag habe, schlucke ich edel alle Explosionen runter. Die kommen zwar innerlich hoch wie die Blasen in der Cola. Aber wenn ich vornehm vor mich hin schweige, STEHT INNOCENT IN DOPPELTER SCHULD DA.
Überdies: Wie soll er mir diese Uhr mit dem Krönchen kaufen können, wenn das ganze Geld im Safe von Cannes steckt?!
Endlich sind wir dort, wo wir vor drei Stunden abgereist sind. Innocent jagt ins Hotel. Kommt nach einer halben Stunde kreideweiss zurück: «Der Safe war offen... das Geld ist weg!»
DAMIT AUCH MEINE HOFFNUNG AUF DIE UHR MIT DEM KRÖNCHEN!
Es fängt nun ein Riesentheater an. Innocent besteht auf der Polizei? der Hoteldirektor wiederum darauf, dass er für sein Personal die Hände ins Feuer lege. Innocent pfeift auf die Hände des Direktors.
Und erklärt den fünf mit Sirenengejaule angebrausten Polizisten die Sachlage. Er erklärt ihnen auch gleich, wie sie die Untersuchung zu führen hätten... der Concièrge sei ihm von Anfang an verdächtig vorgekommen und...
NUN IST ER WIEDER IM SCHUSS!
Nach zwei Stunden finden sie das Couvert.
Die Polizei hat am Schluss auf eine Durchsuchung unseres Gepäcks bestanden.
Der weisse Umschlag mit der handgeschriebenen Aufschrift «ACHTUNG BARGELD» fand sich in Innocents Gebrauchtwäsche.
ES WAR EIN SCHÖNER MOMENT, DENN INNOCENT SCHWIEG NUN WIEDER.
Wortlos unterschrieb er einen Check über 500 Euros an die Policiers. Randnotiz: «für besonderen Aufwand».
Nach acht Stunden waren wir wieder dort, wo wir umkehren mussten. Bis dahin habe ich alles wortlos «runtergeschluckt» (Grund: siehe oben).
Innocent öffnete nun das Couvert, fingerte im Geld und nickte: «Alles da? sieben mal zehn Euros in Noten!»
NA DANN WAR ABER ETWAS LOS IM WAGEN!
Innocent schüttelte missbilligend den Kopf: «70 Euro sind über 100 Franken!... im Übrigen kommt alles nur daher, weil du stets so rumstürmst... PASS AUF, DIESES RINDVIEH FÄHRT RAUS, OHNE ZU BLINKEN...»
Und Stinkefinger!
Stinkefinger
Montag, 22. Juni 2009