Wir schauen uns Synchronschwimmen und Sissi an. Dann schauen wir die Lindenstrasse rauf und runter. Und natürlich auch den Grand Prix Eurovision. Das ist für Menschen, die Gartenzwerge zu den Geranien stellen und einen rosa Weichspüler benutzen, ein «must».
Im Zeitalter der Strümpfe mit Naht haben wir Lys Assia erleben dürfen. Eigentlich heisst die gute Lieschen Müller. Aber als sie dann «oh mein Papa» und «elahoppelahoppelahopp» sang, wars aus mit Lieschen. Und her mit «Lys». Na ja: Jedenfalls gewann sie damals für die Schweiz. Doch das war noch zu einer Zeit, als keiner einen Drittfernseher im Badezimmer hatte und die Jury ihre Punkte per Brieftauben abgab.
Ich brings nicht mehr zusammen, was Lys damals sang. Vermutlich einen Schlager über die Liebe. In den 50ern haben alle von der Liebe gesungen. Nur mein Vater sang Schweres. Er hatte eine goldene Stimme. Und wenn er im Tramwagen seine Arien schmetterte, da haben die Leute oft das Aussteigen vergessen und sind eine Runde weiter gefahren.
Vaters Repertoire war das Land des Lächelns («Dein ist das ganze Herz») und die Volksweise «Hoch auf dem gelben Wagen». Letzteres war eigentlich eine musikalische Falschmeldung. Immerhin war sein Tramwagen grün. Aber auch dies hat Herrn Bundespräsident Scheel nicht daran gehindert, Vaters Schlager zu adaptieren. Er (Scheel) holte sich damit zwölf Goldene. Vater aber bekam einen Anpfiff vom Kontrolleur: «Hans - du bist schon wieder 43 Sekunden zu spät!» (Was wollte er machen? Damals hatten sich die aussteigenden Passagiere noch mit Händedruck beim singenden Fahrer bedankt).
In den Teenie-Jahren haben dann Peter Krauss und Conny meine Noten gemacht. Wenn die beiden im Samstagabend-Programm bei Frankenfeld als Show-Einlage angesagt waren, liessen wir alle Latein sausen. Und genossen «Sugar, sugar Baby». Später auch Heino mit «Mamma» und natürlich den guten alten Freddy Quinn mit «Ich bin ein Mädchen von Pyräus». (Oder war das bereits diese langhaarige Schwarze mit der Brille?).
Natürlich gabs auch die Beatles, die Stones und Zarah Leander auf der «unwiderruflichen Abschiedstournee». Aber mein Herz schlug für den Schlager - der blumige Samen war in frühster Kindheit von Mutter beim gemeinsamen Abwaschen gesetzt worden: «Stägeli uff, Stägeli ab - jucheee...», trällerte sie fröhlich und liess die Seifenblasen tanzen. Gemeinsam sangen wir dann «Kann denn Liebe Sünde sein?». Na ja, heute muss sich ja keiner mehr wundern...
Jawohl. Ich eurovisioniere immer noch, wenn das Chanson kommt. Sie haben das Ganze allerdings in «Song Contest» umkomponiert. Und das tönt genau so unfein wie alle diese Paukenhauer-Songs, die mir Heidi Brühl und «Mit 17 hat man noch Träume» ersetzen sollen. Die Namen der Interpreten sind so schillernd wie zu Lys Assias Zeiten. Gracia - so heisst die Frau für Deutschland. Grächzia wäre passender gewesen. Mit dieser Stimme gewinnt sie höchstens den Staubsauger-Contest. Und à propos Stimmen: Ausser dieser netten, dicken Frau aus Malta, die ein wunderbares selbstgemachtes Liedlein zum Besten gab, hatte doch keine(r) auch nur im entferntesten die grossartige Vokalfähigkeit meines lieben Vaters mit «Hoch auf dem gelben Wagen».
Von Lys Assia und «elahoppelahoppelahopp» ganz zu schweigen?