Polterabend

Cédric hangelte nach dem nackten Busen.
«Nicht berühren!», zischte das Mädchen auf dem Tisch.
«Duuu... duuu... dumme Sau!», lallte Cédric.
«Wichser», gab die Blondine zurück. Alles war falsch an ihr. Grundfalsch. Das Blond. Die Brüste. Das schrille Lachen.
Cédric sah nun rot. «Du Schlampe!», grölte er.
Dann versuchte er, sich auf das Tischblatt zu stemmen. Die Gläser zerbarsten am Boden.
Krachend donnerte er hinterher.
«CEDRIC!!!», schrien seine Begleiter.
Da lag er schon in all den Splittern, die wie gecrashtes Eis herumlagen. Er spürte warmes Blut auf der Stirne. Da blitzte der Fotograf.
Am andern Tag schrie das Aushängeplakat des Stadtblatts: «POLTERABEND? TV-MODERATOR STOCKBESOFFEN IM PUFF».
Marc hatte den Polterabend organisiert: «Wenn du mir schon die Braut wegnimmst, will ich zumindest deinen letzten Junggesellenabend ein bisschen aufmotzen», hatte er zu Cédric grinsend gesagt. Lena war nämlich Marcs Freundin.
GEWESEN? muss man sagen.
Als Marc sie Cédric vorstellte, zog der alle Register.
Cédric war mit solchen Registern geboren? nicht umsonst wurde er als heissester Showman und Moderator in der «WER WILL MICH?»-Show von der Presse hochgestemmt.
Cédric also schickte Lena einen Strauss schwefelgelber Orchideen: «Rosen sind kommun und wirken unkreativ!», hatte er ihr bei einem Sushi-Essen am Abend darauf ins Ohr geflüstert? und «Kreativität ist alles!»
Marc hatte noch drei Tage vorher Lena ein Caroll-Sträusschen am Supercenter-Blumenstand gekauft. «Schwefelgelbe Orchideen... so ein Schleimer», regte er sich nun auf. «Und was läuft hier eigentlich...?»
«Nichts läuft...», sagte Lena.
Vier Monate später lief wirklich nichts mehr. Marc fand eine halbleere Wohnung und einen Brief vor: «BIN ZU CEDRIC GEZOGEN... ER HAT DIE HEISSERE KREATIVITÄT.»
Lange war Funkstille. Dann trafen sich alle drei zu einer Aussprache. Am Schluss fiel jeder jedem um den Hals: FRIEDE, FREUDE, EIERKUCHEN. Und das Hochzeitsdatum stand auch schon fest? die Presse jubelte: «LENA WILL CEDRIC!»
Eine Woche vor dem Altar-Halleluja trafen sich die Kumpels zum Polterabend. Zuerst Sauftour. Dann Strip-Tour. Dann die lustigen Härteproben: «Cédric muss diese drei sibirischen Cocktails ex schmettern... Cédric muss die Kleine im Schritt grabschen... Cédric muss mit mindestens drei Table-Tänzerinnen abziehen...
MARC HATTE GUT VORBEREITET.
Beim afrikanischen Cocktail «Blue Elefant» würzte er mit einem Pülverchen nach. Cédric war danach nicht mehr er selber. Oder eben ganz genau das.
Jedenfalls ging er jetzt auf die Girls los wie Lumpi auf Schappi.
Drei Monate später sollte er dem Gericht mit weinerlicher Stimme erklären: «Das Ganze war ein Blackout... Ich weiss nicht, was über mich gekommen ist!»
NUR MARC WUSSTE ES.
«Dass ausgerechnet so ein Scheissknipser im Lokal war!», jaulte Cédric bei seinem Kumpel.
«Das Leben ist immer Zufall», kalauerte Marc. Und überwies dem Fotografen die abgemachten 200 Franken aufs Postscheckkonto.
Natürlich platzte die Hochzeit. «LENA KEHRT ZU IHRER ALTEN LIEBE ZURÜCK!»? wussten die Zeitungen jetzt.
Eine junge Journalistin interviewte Marc: «Was ist Ihr Geheimnis?? Wie konnten Sie Lena neu erobern?»
«Heisse Kreativität zur richtigen Zeit», sagte der.
Das war der Journalistin zu kompliziert. Also schrieb sie: «... er kaufte Lena einen Strauss Caroll-Röschen.»

Montag, 2. Juli 2012