Donnerstag. Heute Morgen haben sie Maria-Luisas Salumeria geschlossen.
Mit Blaulicht ist die Polizei vorgefahren. Arnaldo, der Pizzabäcker, spuckte treffsicher nach dem Alfa: «Maledetti? Fascisti!»
Vor vier Jahren haben sie seinen stets auf «fucking Turkey» zitternden Sohn abgeführt. Um Geld für seinen Stoff zu haben, hat der Junge die Villen der Umgebung ausgenommen, wie die alte Burlatti ihre Suppenhühner. Ein Kollege hat ihn dann verpfiffen. UND AB IN DEN KNAST.
Nun kurvten die Blaulichter also bei Maria-Luisa vor. Die sperrten das Türschloss wichtigtuerisch mit blutrotem Siegellack ab. Dann schickten sie vielsagende Blicke in die Menge, die sich langsam ansammelte. Die Leute standen mit offenem Mund da.
«Wo ist Maria-Luisa?» - rief einer.
SCHWEIGEN. Und Abfahrt mit Sirene.
Arnaldo spuckte wieder. Diesmal traf er die Rückscheibe.
Freitag - Bei Laura in der «Bar Centrale» reissen die Männer einander die Tageszeitung aus den Fingern. Jeden Morgen legt Laura den «TIRRENO» auf den einzigen Tisch im Lokal. Die Männer, die an der Bar ihren Caffè corretto mit einem Schuss Grappa schlürfen, blättern gelangweilt darin. Es interessieren sie nur zwei Dinge: die Pferdewettquoten aus Grosseto. Und HERRGOTT FUSSBALL.
An diesem Freitag aber ist der Teufel los, so dass auch der Prete seine Nase ins Giornale steckt. Schon beginnt alles an ihm zu zittern, dass sein schwarzes Hütchen schwer ins Wanken gerät: «Was ist in Maria-Luisa gefahren?! Wie konnte sie das tun?», jammert er.
In pechschwarzen Lettern hat der «TIRRENO» «Assassinato col coltello della Salumeria» getitelt. Darunter sah man einen nicht sehr geglückten Schnappschuss von Maria-Luisa, der sie auf einem Ausflug mit der Kirchgemeinde in Siena zeigte.
Einer dieser eifrigen Jungschreiber hatte den ganzen Fall, nach den etwas wirren Aussagen vieler Zeugen, in 10-Punkt-Schrift zusammengefasst: «Die Signorina Maria-Luisa, welche für den besten Mortadella der Region bekannt ist, ergriff beim Eintreten ihres Freundes Carlo exakt dieses Messer, mit dem sie ansonsten Wildsauwürste und auch die Salsicce, welche ihr Vater, der ehrenwerte Macellaio Augusto, so trefflich mit Fenchelsamen und fein gehackter Schweineleber würzt, abschneidet. Mit eben diesem Wurstmesser also hat die Signorina nun ihren total verdutzten Liebhaber abgestochen, ohne dass der sich wehren konnte, weil die Überraschung ganz einfach zu gross und die Signorina Maria-Luisa zünftig in Fahrt war.
Der Ermordete stürzte dann im Todeskampf auf das Fass mit den eingemachten Sardellen. Dieses kippte auf den Steinboden, so dass die Salumeria mit den kleinen Fischen überschwemmt wurde, während die Mörderin eiskalt ihr Handy in die Hand nahm und die Polizei anrief: «?Ho ucciso questo maiale! - ich habe dieses Schwein getötet!?»
Als die Polizei nach einer halben Stunde vor der Salumeria parkte, zeigte Signorina Maria-Luisa, welche die verstreuten Fische bereits aufgewischt hatte Reue: Ja, es tue ihr leid - aber nur um die frisch eingemachten Sardellen!
Samstag - Wer auf unserer Insel Näheres über die Hintergründe des Dorfgeschehens erfahren will, hockt sich nicht etwa vor den Fernseher und liest auch nicht die «Cronaca» (deren Richtigstellungen - le rettifiche - immer länger sind, als die eigentlichen Artikel), - NEIN! Er geht in die Kirche zu den Frauen, die da für den Blumenschmuck des heiligen Antonius zuständig und jetzt vollgestaut von Gefühlen wie die Legehenne mit Eiern sind.
Maria-Luisa, dieses verblendete Wesen, hatte sich jahrelang Carlo zum Liebhaber gemacht. Nicht nur dass das dumme Ding dem Miesling von ihrem berühmten Mortadella zugesteckt hätte, sie hat ihm auch immer etwas von den Einnahmen aus der Kasse abgezweigt. Alle haben gewusst, dass es Carlo nur auf dieses Geld ankam und er nichts anderes war, als einer dieser billigen Pappagalli, welche in der Hochsaison am Strand die nordischen Touristinnen wie alte Scheunen zum Lodern bringen. Selbst der Pfarrer versuchte Maria-Luisa gut zuzureden. Aber ein Inselsprichwort sagt: wenn des Weibes Herz glüht, hat die Mücke den kühlern Verstand. Na ja.
Als Maria-Luisa ihren Carlo schliesslich liegend in dem Auto entdeckte, das sie ihm auf Raten abbezahlt hatte und eine lockige Frau auf ihm rumritt, wie der kleine Ugo auf dem Kunststoffelefanten vor dem Supermercato, da ging sie zitternd in ihre Salumeria. Sie wetzte genüsslich das grosse Messer. Und wartete, bis Carlo sich wieder den Geldbeutel füllen wollte.
DANN STACH SIE ZU. Vor Gericht soll sie später aussagen: «Das mit den Sardellen war unbeabsichtigt. Ich hätte das Fass auf die Seite stellen sollen?» Ein Inselsprichwort sagt nämlich auch: «Wer einen Tiger zum Schnurren bringt, sollte ihm die Milch nicht wegnehmen?»